Lenin und andere Leichen

Der einzige öffentlich-rechtliche Sender, den ich noch zur Kenntnis nehme, ist MDR Kultur. Der ist, besonders in der „Lesezeit“, immer für eine Überraschung gut. Vor ein paar Wochen wurde eine Aufnahme von „Lenin und andere Leichen“ von Ilya Sbarsky gesendet. Sparskys Vater Boris hatte mit Hilfe von Felix Dzerzhinsky, Chef der Tscheka, nach Lenins Tod dafür gesorgt, dass die eingefrorene Leiche des Partei- und Staatsführers aufgetaut und nach einer vom Charkower Professor Vorobiov entwickelten Methode einbalsamiert wurde. Sbarsky sen. war sich sicher, dass sich hervorragende Forschungsmöglichkeiten ergeben würden, denn für die Einbalsamierung Lenins und sie kontinuierliche Überarbeitung seiner Leiche war ein eigenes Labor nötig. Außerdem handelte es sich um eine Lebensaufgabe, wenn es gelang. Letzteres war keineswegs sicher, denn man bewegte sich auf absolutem Neuland. Wenn das Experiment gescheitert wäre, würden es die Wissenschaftler schlimmstenfalls mit ihrem Leben bezahlen müssen. Die Hoffnung, als Einbalsamierer vor dem stalinschen Terror geschützt zu sein, erwies sich als trügerisch. Boris Sbarsky wurde im März 1952 im Zuge der Kampagne gegen die „Kosmopoliten“, also Juden, verhaftet. Er wurde nach zwei Jahren entlassen, war aber gesundheitlich so geschwächt, dass er wenige Monate danach starb.