(Verfrühte?) Vorfreude

Nachdem heute Morgen bekanntgemacht wurde, dass zwischen Israel und der Hamas eine Vereinbarung zustande gekommen sei, konnte ich mich bei der Arbeit nicht richtig konzentrieren. Zu sehr rasen die Gedanken im Kopf, zu sehr ist das Herz anderweitig beschäftigt.

Auf dem Heimweg machte ich deshalb noch einen kurzen Abstecher zum Geiselplatz. So voller Leute habe ich ihn selten erlebt, und sicher nicht tagsüber. Die Stimmung ist fast wie bei einem Volksfest. Die Menschen sind euphorisch, feiern schon jetzt das Ende des Kriegs und die Rückkehr der Geiseln.

Scheinbar als Einzige habe ich einen dicken Knoten im Bauch. Mein Magen ist zugeschnürt und schmerzt, mir ist schlecht. Ich habe eine Scheißangst. Angst, der Deal könnte in letzter Minute noch platzen. Angst, die Hamas habe – wie schon früher geschehen – noch irgend einen Trumpf im Ärmel oder von vornherein mit gefälschten Karten gespielt. Angst, die Zahl der lebenden Geiseln könnte noch weit niedriger sein als die „rund 20“, von denen ausgegangen wird.

Ich traue der Sache nicht. Je nach Quelle können wohl zwischen 5 und 15 der toten Geiseln gar nicht zurückgegeben werden, weil niemand weiß, wo sich ihre sterblichen Überreste befinden. Dies würde allerdings die Abmachung brechen… denn eigentlich sollen ja alle Geiseln auf einmal zurückkommen, lebende und tote. Wird Israel reagieren (müssen)? Oder findet man sich mit Ron Arad Nummer 2-16 ab? Wird die Hamas wirklich sämtliche lebenden Geiseln herausgeben? Oder haben sie noch eine Person, von der man annimmt, sie sei tot, aber sie lebt und wird dort behalten? Warum wird der Zeitpunkt, zu dem die Geiseln zurückkommen sollen, alle paar Stunden weiter hinausgeschoben? Zuerst hieß es Sonntag, dann Montag, inzwischen Montag oder Dienstag72 Stunden sind offenbar ein Gummibegriff. Und was, wenn alles eine Farce war und die Hamas in allerletzter Minute doch noch die Notbremse zieht und irgendwas an der Vereinbarung zu bemäkeln hat?

Pessimistisch? Vielleicht. Doch es lässt mir keine Ruhe. Das Wochenende wird wohl nicht wirklich entspannt… und richtig freuen kann ich mich erst, wenn die Geiseln wirklich auf israelischem Grund und Boden sind.

Anima Chutzpanit in der Schweiz geboren, machte eine Ausbildung zur Primarschullehrerin, erhielt das Übersetzerdiplom DOZ, trat zum Judentum über, heiratete und machte Aliyah (Einwanderung nach Israel). Sie lebt mit ihrem Ehemann, zwei Kindern und vielen Katzen in Südisrael. Sie betreibt den Blog Kinder, Katzen und Kakteen.

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