Der öffentlich-rechtliche Umgang mit Tucker Carlson

Im Umgang mit Tucker Carlsons‘ Interview mit Wladimir Putin zeigen die öffentlich-rechtlichen Anstalten mal wieder ihren Ekel vor ihren eigenen Nutzern. Sie fordern ein Ignorieren des Gesprächs und bieten dafür eine Einordnung des Gesagten an.

Das Beste, was man tun könne, erklärt Demian von Osten von der Tagesschau, sei es, Tucker Carlsons‘ Interview mit Wladimir Putin „einfach zu ignorieren“. Er erklärt: „Putins Halbwahrheiten und verzerrte Narrative bleiben ohne Einordnung und ohne Widerspruch einfach so stehen.“

Für von Osten ist Carlson ein unwissender Stichwortgeber. Dass dies aber eine bewusste Strategie des Journalisten ist, kommt dem öffentlich-rechtlichen Einordner nicht in den Sinn. Manchmal ist es sinnvoll, Stichworte zu geben, damit sich das Gegenüber zeigt. Ich habe nichts gegen ein bewusstes Stichwortgeben, weil man dadurch manchmal mehr erfährt als durch ein zu eiliges Widersprechen, weil das zu schnell den Kanal schließen kann und das Gespräch beendet. Ein beendetes Gespräch bringt sicher keine neuen Erkenntnisse.

Wenn ich einen Menschen und sein Weltbild verstehen möchte, muss ich ihn reden lassen, ohne zu versuchen, ihn zu überführen. Lügen und Propaganda kann ich nur erkennen und einordnen, wenn sie formuliert werden. Darum bin ich froh, dass Tucker Carlson Putin hat ausreden lassen.

Woher kommt bloß der absurde Glaube, dass man seine Gegner oder Feinde am besten bekämpft, wenn man die Ohren verschließt? Woher kommt die gnadenlose Selbstüberschätzung, dass man seine mündigen Mitmenschen schützen muss vor den Reden ihrer Feinde?

Ich kann absolut überhaupt nichts Verwerfliches daran finden, mit seinen Feinden zu reden, wenn auch nur einzig und allein aus dem Grund, dass mein Feind, solange er sich mit mir unterhält, keine Dummheiten anstellen kann. Tucker Carlson hat Putin für ein paar Stunden von der Straße geholt. Ich kann daran nichts Verwerfliches finden.

Wenn ich weiß, dass jemand Propaganda abliefert, dann möchte ich auch das volle Programm hören. Wenn zum Beispiel jemand sagt, die Erde sei eine Scheibe, dann versuche ich nicht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, sondern lasse ihn reden, weil ich wissen möchte, wie ein Mensch tickt, der glaubt, die Erde sei eine Scheibe. Gerade die offensichtlich absurden und falschen Gedanken interessieren mich, weil sie nicht verschwinden, wenn sie nicht gehört werden. Auch nicht ausgesprochene Gedanken existieren.

Wer glaubt, ein Mensch sei eine Gefahr, weil er spricht, glaubt auch, eine Frau sei eine Gefahr, wenn sie ohne Verschleierung aus dem Haus geht. Die Zensur ist für die Redefreiheit das, was der Schleier für die Rechte der Frau ist. Das Redenlassen und Zuhören ist ein präventiver Schutzmechanismus. Nur so lerne ich das Innere eines Menschen kennen und kann entscheiden, ob ich mich vor ihm schützen sollte. Meinungsfreiheit nutzt dem Gehassten immer mehr als dem Hassenden.

Solange ich meine Wohnung selbst aufräumen, meine Beziehungen in Ordnung halten und mein Leben selbstständig meistern kann, brauche ich keinen betreuten Journalismus und keine ständigen Einordnungen. Das kann ich selbst.

Die öffentlich-rechtlichen Anstalten offenbaren in Gestalt von Demian von Osten mal wieder ihr schlechtes Bild, das sie von ihren eigenen Nutzern haben. Sie halten die Bürger für unselbstständige Idioten, die geführt gehören und jede Information nur als gut eingeordnetes und zugeschnittenes Happenpappen verdauen können, vorher aber gut pusten. Für die Öffentlich-Rechtlichen sind die Bürger nicht imstande, selbst zu denken. Deshalb brauchen sie Führung und müssen dazu gezwungen werden. Wer für die Führung nicht arbeitet, indem er etwas von seinem erarbeiteten Geld an die öffentlich-rechtlichen Anstalten abtritt, gehört bestraft.

„Alles Propaganda außer die eigene Einordnung der Fakten.“ Das ist das betrügerische Mantra all jener Selbstgerechten, die ihre eigene Subjektivität als kritischen Journalismus deklarieren und daher finanzielle Unterwerfung fordern. Dieser Ekel vor der Freiheit des Individuums ist einem aufgeklärten Staat unwürdig.

Es geht den öffentlich-rechtlichen Anstalten auch weniger um Aufklärung als um die eigene Deutungshoheit. Über 200 Millionen Menschen haben sich das Interview mit Stand 16. Februar 2024 um 10 Uhr mittags allein auf X angeschaut. Im Vergleich dazu haben den Tagesschau-Eintrag auf X, wo das Interview als „Putin-Verstehen-Show“ beschrieben wird, zur gleichen Zeit unter 180 Tausend Menschen gesehen. Der Beitrag hatte zu der Zeit gerade mal 445 Likes. Nicht wenige Kommentare unter dem Bericht hatten zu der selben Zeit deutlich mehr Likes. Ein Kommentar brachte es sogar auf über 2.500 Likes. Noch deutlicher kann der Verlust der Deutungshoheit nicht sein und genau das fürchten die Angestellten von ARD bis ZDF.

Als der moderne Buchdruck mit seinen auswechselbaren Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts von Johannes Gutenberg erfunden wurde, sahen Optimisten in dieser Erfindung die Ermöglichung einer Wissensexplosion. Für Pessimisten brachte diese Erfindung jedoch überwiegend Gefahren mit sich. Pessimisten sahen im Buchdruck das Ende der Welt nahen. Sie beklagten sich über den Verlust des guten Anstands und raunten, mit dem Buchdruck würde lediglich das Gewöhnliche, Ordinäre und Schundhafte gefördert. Sie hatten dabei nicht ganz unrecht. Mit dem Buchdruck erlebte die gossenhafte, polemische und pornografische Literatur tatsächlich einen Aufschwung, ebenso wie heute das Internet den Schund fördert.

Der Buchdruck machte aber zudem auch den Beruf des Kopisten überflüssig. Vor dem Buchdruck vervielfältigten Kopisten in Handarbeit Schriften und entschieden daher, was es wert war, vervielfältigt zu werden. Sie waren die Herrscher über die Wahrheit. Nur die Schriften, die sie für wahr und gut befanden, wurden kopiert. Als der Buchdruck aufkam, wehrten sie sich verständlicherweise gegen die neue Maschine. Um das Seelenheil der Menschheit zu schützen, mahnten sie, mit dem Buchdruck würde die Grenze zwischen relevantem und unnützem Wissen verschwimmen. Ganze Heerscharen christlicher Faktenchecker wurden beauftragt, um mit inquisitorischem Eifer alles einzuordnen und zu verbannen, was eine vermeintlich falsche Lehre war.

So wie die kirchlichen Kopisten damals im Buchdruck das Ende des anständigen Wissens ausmachten, so sehen heute die staatlich geförderten Fernsehsender im Internet den Untergang des sittlichen, guten, anständigen Journalismus und bekommen Unterstützung von der Politik, so wie sich einst der Kaiser und die Kirche gegenseitig unterstützten. Den öffentlich-rechtlichen Anstalten geht es heute auch nur darum, ihre eigene Machtposition zu verteidigen. Darum greift auch Demian von Osten den Kollegen Tucker persönlich an, indem er schreibt: „Seine zweifelhafte Reputation führt mindestens in Europa dazu, dass man das Interview nicht ernst nehmen kann.“

Man kann über Tucker Carlson sagen, was man will, aber er zwingt mich nicht mit Gewalt dazu, ihm Geld zu geben. Bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten ist das anders. Ich werde gezwungen, die Einordnung eines Demian von Osten finanziell zu unterstützen. Da ist mir die Friedlichkeit eines Tucker Carlson deutlich lieber.

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