Wofür steht die israelische Flagge wirklich?

„Wissen Sie, was die israelische Flagge bedeutet? … Sie ist weiß und hat zwei blaue Streifen. Die zwei Streifen repräsentieren zwei Flüsse und dazwischen ist Israel. Die Flüsse sind der Nil und der Euphrat.“

Yassir Arafat, Interview mit Playboy, September 1988

Es mag lächerlich erscheinen, aber im gesamten Nahen Osten glauben Leute weithin, dass diese Behauptung glaubwürdig ist. Israel, ein Land, das große Teile seines Gebiets für Frieden abgegeben hat, manchmal nicht einmal dafür, hat eindeutig nicht den, in das Ausmaß anzuschwellen, dass es zwei Flüsse erreicht, die hunderte Meilen voneinander entfernt sind.

Die Herkunft der Flagge Israels

Tatsächlich wurde die israelische Flagge erst am 18. Oktober 1948 eingeführt, fünf Monate nach der Staatsgründung Israels. So war die Atmosphäre damals – es herrschte Krieg und es gab drängende Aufgaben zu erledigen, als für das neu gegründete Israel eine Flagge zu gestalten.

Am 18. Juni 1948 veröffentlichte Israels provisorische Regierung eine Zeitungsanzeige, um Bürger einzuladen Vorschläge für das Staatswappen und die Flagge des entstehenden Staates einzureichen. Die Ankündigung legte fest, dass die Farben der israelischen Flagge „hellblau und weiß“ sein müssen, mit „einem Davidstern oder sieben Sternen (in Gold oder einer anderen Farbe)“ in der Mitte.

Der Wettbewerb erhielt weit verbreiteten Aufmerksamkeit und das Komitee für das Wappen und die Flagge erhielt zahlreiche Vorschläge von Bürgern aus allen Teilen der Bevölkerung. Nachdem es die verschiedenen Eingaben durchgingen, nahm das Komitee zwei Vorschläge in die engere Auswahl für die offizielle Flagge Israels. Etwas mehr als einen Monat nach Ankündigung des Wettbewerbs, am 11. Juli 1948, wählte die Regierung einen Entwurf des Grafikers Otto Wallisch; dieser bestand aus zwei blauen Streifen und trug dazwischen sieben Sterne Davids in „weißlichem Gold (oder gelb)“.

Das hätte es gewesen sein sollen.

War es aber nicht.

Statt den Vorschlag der Regierung anzunehmen, lehnte der Provisorische Staatsrat ihn ab und rief stattdessen ein eigenes Komitee zusammen, um einen eigenen Entwurf für das Wappen wie für die Flagge zu erstellen.

Nach Rücksprache mit Vertretern der jüdischen Diaspora-Gemeinden beschloss das Komitee am 28. Juli 1948 die Zionistenflagge als offizielle Staatsflagge Israels zu übernehmen.

Von der Zionistenflagge zur Flagge Israels

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts übernahmen zahlreiche jüdische Organisationen Flaggen in den Farben weiß und blau, zusammen mit dem sechszackigen Stern, zwei Streifen und anderen Elementen wie den Worten „Zion“ oder „Makkabäus“. Die erste solche Flagge wurde von Israel Belkind geschaffen, dem Gründer der Bewegung Zionist Bilu, der nach einer Welle an Pogromen und antisemitischen Gesetzen dem zaristischen Russland entkam. Seine Variante ist dem zeitgenössischen Design sehr ähnlich und hat einen Davidstern in der Mitte, aber anders als der einzelnen blauen Streifen im oberen und unteren Teil der israelische Flagge hatte sein Entwurf zwei über und zwei unter dem Davidstern.

Sechs Jahre später, vor dem ersten Zionistischen Kongress in Basel in der Schweiz wurde die Zionistenflagge auf Bitten von David Wolffson geschaffen, dem Stellvertreter Theodor Herzls. Diese Version hatte einzelne Streifen, wie sie auf der israelischen Flagge erscheinen, hatte habe eine Reihe Unterschiede – sechs kleine Sternen in jeder Ecke des Davidsterns, mit einem weiteren Stern direkt darüber. Zusammen sollten diese Sterne den siebenstündigen Arbeitstag erinnern, über den Herzl in seiner Veröffentlichung „Der Judenstaat“ schrieb. Zusätzlich  befand sich in der Mitte des Davidsterns ein Löwe.

Die von Herzl vorgeschlagene Flagge, wie er sie in seinen Tagebüchern skizzierte. Obwohl er einen Davidstern zeichnete, beschrieb er ihn nicht als solchen.

Die von Herzl vorgeschlagene Flagge trug einen klaren Davidstern, aber der beschrieb ihn nicht in dieser Form. „Hiermit mein Entwurf für unsere Flagge: weißes Feld, sieben goldene Sterne.“ Sechs dieser Sterne sind in der Mitte der Flagge angeordnet, bilden zusammen einen größeren Stern – den Davidstern.

Als die zionistische Bewegung größer wurde, nahm auch ihr Bedarf für eigene Symbole und Identität zu. Als er sah, dass Herzls Vorschlag wenig Fuß fasste, schrieb David Wolffson (1856-1914), ein litauischer Geschäftsmann und zweiter Präsident der Zionistischen Organisation:

Auf Bitten unseres Anführers Herzl kam ich nach Basel, um den Zionistischen Kongress vorzubereiten. Zu vielen anderen Problemen, die mich damals beschäftigten, gehörte eines, das etwas wie das Wesen des jüdischen Problems beinhaltete. Welche Flagge sollten wir in die Kongresshalle hängen? Dann fiel mir etwas ein. Wir haben eine Flagge – und die ist blau-weiß. Der Thallit (Gebetsschal), den wir uns beim Gebet umhängen: Das ist unser Symbol. Lasst und diesen Thallit aus seiner Tasche holen und vor den Augen Israels und allen Nationen ausrollen. Also bestellte ich eine blau-weiße Flagge mit dem darauf gemalten Davidstern. So entstand die Nationalflagge, die über der Kongresshalle wehte.

Als der Kongress stattfand, wurde von Morris Harris, einem Mitglied des New Yorker Hovevei Zion, ein sehr ähnlicher Entwurf mitgebracht, der aus Materialien der Markise seines Ladens und der Hilfe seiner Mutter erstellt wurde. Die Flagge hatte zwei blaue Streifen und einen großen, blauen Davidstern in der Mitte, die alle die Farben blau und weiß hatten und als „Flagge Zions“ bekannt wurde. Der Entwurf wurde auf dem Zweiten Zionistischen Kongress als offizielle Zionistenflagge angenommen, der 1898 in der Schweiz stattfand; und dieser Entwurf war es, auf den das Komitee im Juli 1948 verwies, als der Prototyp der israelischen Flagge vorgelegt wurde.

Genau drei Monate nach der Entscheidung des Komitees, am 28. Oktober, nahmt der Provisorische Rat den Entwurf an. Von da an hat die Zionistenflagge Israel als Nationalflagge repräsentiert. Im Folgejahr, im Mai 1949, verabschiedete die Knesset das Gesetz Flagge und Wappen.

Die Bedeutung der israelischen Flagge

Eine Reihe von Elementen sind einer Bandbreite von Entwürfen gemeinsam, die vor der Übernahme der Flagge Israels 1948 zu sehen waren: Worte, die an das Erbe des jüdischen Volks erinnern – ein einzelner Stern oder eine Gruppe Sterne; die Farben blau, weiß und gold; und horizontale Streifen.

Die vom Komitee der provisorischen Regierung festgelegten Elemente entstammen der Flagge der World Zionist Organization, die aus zwei blauen Streifen mit dazwischengesetztem Davidstern bestand.

Die blauen und weißen Streifen

Es bleibt zwar unbekannt, welche Farben genau das jüdische Volk und die jüdischen Königreiche vor Jahrtausenden repräsentierten, ist aber klar, dass die in antiken Quellen als techelet bekannte Farbe für die Juden eine besondere Bedeutung hatte.

Die von antiken Mittelmeer-Zivilisationen hoch geschätzte und in der hebräischen Bibel 49-mal erwähnte techelet wurde mit einem Färbemittel produziert, das Meerschnecken extrahiert wurde, die in der Mittelmeer-Region heimisch war. Es wurde für die Kleidung des Hohepriesters, Wandteppich im Tabernakel und zur Färbung der Tzitzit (Quasten), die an den Ecken der rechteckigen Kleidungsstücke befestigt sind, die man als tallit kennt, die traditionell von jüdischen Männern getragen werden, die älter als 13 sind.

Nach der Zerstörung des zweiten Tempels in Jerusalem durch die Römer gingen die Einzelheiten über die Herkunft des Farbstoffs verloren und mehr als 1.400 Jahre später hat die Mehrheit der Juden ihren Gebetschals einfache weiße Quasten hinzugefügt, statt die falsche Art von Farbstoff zu verwenden.

Die Mehrheitsmeinung im Mainstream-Judentum betrachtet das von verschiedenen Quellen erwähnte techelet als Variante der Farbe Blau, mit Tönen von „Mitternacht“, bis „blau wie der Mittagshimmel“. Obwohl Forscher glauben, dass die wahre Farbe tatsächlich Tyrus-Lila näher kommt, wurde die Farbe Blau als die stärkste Annäherung an den seltenen Farbton betrachtet.

Ungeachtet der genauen Widergabe der geschätzten Farbe techelet steht außer Frage, dass Juden bis 1864 regelmäßig weiße Thallit-Schals mit blauen Streifen trugen. Und diesem Kleidungsstück entnahm der jüdische Autor Ludwig August von Frankl aus Böhmen den Hinweis, als er seinen Text „Die Farben des Landes Juda“ schrieb. Darin legte von Frankl nahe, dass die Nationalfarben des jüdischen Volks himmelblau und weiß sein sollten:

… Das sind die Farben des geliebten Landes, blau und weiß sind die Farben Judas; Weiß ist der Glanz des Priestertums und Blau die Herrlichkeit des Firmaments.

Etwa ein Jahrhundert später, als Zionisten und jüdische Organisationen begannen Symbole, Wappen und Flaggen zu entwickeln, mit denen sie sich identifizieren können, waren die Farben Blau und Weiß fast allgegenwärtig.

Der Davidstern

Der in verschiedenen Prototypen zu sehende sechszackige Stern, den man als Davidstern kennt, gründete auf Theodor Herzls Vorschlag, die Zionistenflagge solle mit sechs oder sieben Sternen verziert werden, die die sieben Tages-Arbeitsstunden symbolisieren.

Obwohl er nach David benannt ist, gibt es keine Aufzeichnung, dass der Stern irgendeine Verbindung zum berühmten König David hat. Tatsächlich kam der sechseckige Stern, der heute universell als Symbol des jüdischen Volks verstanden wird, erst sehr spät diese Bedeutung. Ursprünglich wurden Sterne verschiedener Formen von jüdischen Mystikern als besondere Merkmale betrachtet, die dazu führte, dass sie für Amulette und in religiöser Kunst und Literatur übernommen, aber nicht als Zeichen jüdischer Identität genutzt wurden.

Im Lauf der Jahrhunderte wurden Juden an verschiedenen Orten überall in Europa mit Pentagrammen und Hexagrammen in Verbindung gebracht. Im 17. Jahrhundert konnte man den Davidstern auf der Hauptstadt-Synagoge in Prag in Anerkennung jüdischer Anstrengungen bei der Abwehr von Invasoren aus der Stadt sehen. Um diese Zeit wurde sie auch in Budapest verwendet und im Lauf der nächsten Jahrhunderte verbreitete sich die Verwendung überall in Europa, um Synagogen und religiöse Objekte zu schmücken. Bis Ende des 19. Jahrhunderts fand sich der Davidstern regelmäßig auf den Kennzeichen jüdischer Organisationen, Gewerkschaften und sogar Sportvereinen.

Als Ergebnis dieses historischen Prozesses waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowohl der Davidstern und die blauen Streifen auf weißem Hintergrund zu weithin akzeptierten Symbolen des jüdischen Volks geworden.

Ob man religiös ist oder nicht: Traditionen und Geschichte sind für die nationale Identität aller Länder weltweit wichtig. Israel ist da nicht anders – und der Thallit ist das nationale Symbol des jüdischen Volks. Das und nichts sonst, ist der Grund, warum die israelische Flagge parallele [blaue] Streifen hat.

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