(Quelle Beitragsbild oben: By Gage Skidmore from Surprise, AZ, United States of America – Donald Trump, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=151886980)
Trumps „Big Beautiful Bill“ spaltet die USA – und auch jüdische Organisationen
Die USA stehen vor einem radikalen Kurswechsel. Mit der Verabschiedung des sogenannten „Big Beautiful Bill“ durch das Repräsentantenhaus hat die republikanische Mehrheit das politische Erbe von Donald Trump weiter gefestigt. Der neue Haushaltshaushalt – gigantisch im Umfang, provokant im Namen – soll nicht weniger als eine Neuausrichtung Amerikas einläuten: weniger Staat, mehr Freiheit, mehr Patriotismus. Doch hinter den markigen Worten verbergen sich harte Kürzungen – und tiefgreifende gesellschaftliche Konflikte.
Die Republikaner feiern das Gesetz als historische Weichenstellung. Steuererleichterungen für Familien und Unternehmen, eine Stärkung der nationalen Sicherheit, Investitionen in Amerikas Industrie – das seien, so die Fraktionsspitze, „generationenprägende Maßnahmen“. Auch im Bildungsbereich wurden konservative Prioritäten verankert: Schulwahlfreiheit, die besonders religiösen und privaten Bildungseinrichtungen zugutekommt, wurde ausgeweitet. In konservativen Kreisen wird das als Triumph gefeiert.
Doch die Begeisterung endet dort, wo es um die Schwächsten der Gesellschaft geht. Denn das Gesetz sieht tiefgreifende Einschnitte bei Sozialprogrammen vor, insbesondere bei Medicaid – dem Gesundheitssystem für Geringverdiener – sowie beim staatlichen Ernährungsprogramm SNAP. Millionen ältere Amerikaner könnten dadurch medizinische Versorgung und Zugang zu Lebensmitteln verlieren.
Jüdische Organisationen tief gespalten – zwischen Prinzipien und Pragmatismus
Gerade jüdische Organisationen in den USA zeigen sich in dieser Debatte ungewöhnlich uneins. Die Republican Jewish Coalition begrüßte das Gesetz als „Erfüllung zentraler konservativer Versprechen“. Man sehe darin einen Schritt zur Stärkung der jüdischen Gemeinschaft durch Bildung und Sicherheit – insbesondere durch die Förderung religiöser Schulen.
Ganz anders klingen die Stimmen aus progressiven jüdischen Kreisen. B’nai B’rith International äußerte sich mit gemischten Gefühlen. Zwar gebe es punktuell auch Fortschritte – etwa Steuererleichterungen für Senioren und neue Mittel für den sozialen Wohnungsbau. Doch die harten Einschnitte bei Sozialprogrammen könnten laut B’nai B’rith zu realen menschlichen Tragödien führen: „Ein Gesetz, das bedürftigen Älteren das Essen und die Pflege nimmt, darf nicht einfach als Sieg gefeiert werden.“
Die Democratic Majority for Israel (DMFI) ging noch weiter: Das Gesetz sei „moralisch verfehlt“ und ein direkter Angriff auf soziale Gerechtigkeit. Auch die National Council of Jewish Women äußerte sich entsetzt. Das Gesetz nehme den Bedürftigsten, um den Wohlhabenden mehr zu geben – so der Tenor. Die Empörung dieser Gruppen ist Ausdruck eines tieferliegenden Risses: Der Gegensatz zwischen liberal-jüdischem Humanismus und nationalkonservativer Agenda wird zunehmend unüberwindbar.
Während sich auf republikanischer Seite nur zwei Abgeordnete dem Druck verweigerten und gegen das Gesetz stimmten, lehnten alle Demokraten das Vorhaben geschlossen ab. Ihr Argument: Das Gesetz sei ein radikaler Umbau des amerikanischen Staates zu Lasten der sozialen Balance. „Es macht nichts besser, aber vieles schlimmer“, lautete ein Kommentar aus der Fraktion.
Und dennoch: Das Gesetz hat nun auch den Senat passiert und liegt zur Unterzeichnung auf dem Schreibtisch von Donald Trump. Der Präsident – in einem Wahljahr mit Maximalstrategie unterwegs – dürfte keine Sekunde zögern. Es wird als Beleg dienen, dass er handelt, wo andere reden. Dass er „liefert“. Dass er Amerika „wieder groß“ macht – zumindest aus seiner Sicht.
Ein neues Amerika – oder eine gefährliche Schieflage?
Mit dem „Big Beautiful Bill“ wird deutlich, wohin die USA unter Trump 2.0 steuern: weniger Umverteilung, weniger Staat, mehr Freiheit für jene, die ohnehin stark sind. Für viele Konservative ist das ein legitimes Ziel. Für andere bedeutet es, dass Solidarität und Schutz für Schwächere zur Verhandlungsmasse werden. Die politische Kluft in den USA vertieft sich – und jüdische Organisationen sehen sich gezwungen, sich zu positionieren.
Was dabei auf dem Spiel steht, ist mehr als ein Haushaltsplan. Es ist das Selbstverständnis Amerikas. Ein Land, das stolz ist auf seine Stärke, wird nun entscheiden müssen, wie es mit seiner Verantwortung für die Schwächsten umgeht. Die einen feiern die neue Ära. Die anderen fürchten eine neue soziale Kälte.