• von Roland M. Horn

(Quelle Beitragsbild oben: Bild von Karen .t auf Pixabay)

Gleich in der Einleitung seines Buches Wiedervereinigung Israels: Was Jesus wirklich verkündet hat lässt der Rechtsanwalt und Bibelkundler Dr. Howard Ha-Sung Chung die Bombe platzen, indem er die zentrale These seines Werkes in Fettschrift anführt:

„Jesus hat das Evangelium nicht an die Völker im Allgemeinen, sondern an das zerstreute Israel im Besonderen gerichtet. Seine Parabeln sind keine universalen Lebensweisheiten, sondern verschlüsselte Botschaften an das Bundesvolk.“1

Er erläutert, dass die Evangelien Bundesliteratur seien, und die entscheidende Phase und das Ringen und die Wiederherstellung Israels dokumentierten und betont:

„Die Kirche, die Völker und die Welt stehen im Schatten dieser Geschichte; sie sind hineingenommen, aber nicht an die Stelle Israels getreten.“

Der Autor betont, dass die Evangelien keine abstrakten Gründungsurkunde einer neuen Religion seien. Die These, dass dass die Kirche das neue Israel sei, das das alten abgelöst hat, lehnt er entscheiden gab.

Falsche Ersatztheologie

Weiter sagt er, dass das Resultat diese Ersatztheologie nicht nur theologische Verwirrung, sondern auch tragische Verirrungen wie Antisemitismus, Entfremdung und Identitätsverlust erzeugte. Seine These geht aber noch weit darüber hinaus. Während Evangelikale zwar meist Israel als fortwährendes Volk Gottes anerkennen, gleichzeitig aber erklären, die Evangelien seien an die Heiden, oder an die Völker, gerichtet, sagt er, dass seine Gleichnisse und Worte, an Israel gerichtet sind und es bei ihnen um die Zerstreuung, Prüfung und die Sammlung des Volkes Israel geht – und damit meint er nicht nur den Stamm Juda, der zur Zeit Jesu in Eretz Israel, dem Land Israels, lebte und aus dem viele den heutigen Staat Israel gegründet haben und ihn bevölkern, sondern auch die anderen Stämme Israel, denn Jakob, der von Gott den Namen Israel verliehen bekam, hatte zwölf Söhne, von denen jeder einen Stamm Israels begründeten und Juda war nur einer von ihnen.

In deinem Samen werden sich segnen alle Nationen der Erde“, sagt er nach 1. Mose, 22, 18, nachdem 1. Mose 12, 3 zufolge bei der Berufung Jakobs bzw. Israels bereits gesagt wurde: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.“ Daraus leitet Chung ab:

„Der Messias, in dem sich die Bundeslinie erfüllt, stammt nicht aus den Völkern, sondern aus Israel. Er ist Israels innerster Kern und zugleich dessen höchste Frucht. Wer am Messias teilhat, wird in Israels Segen einbezogen – aber nicht losgelöst von Israel, sondern durch Israel hindurch.“

Dies wird auch ersichtlich aus einer Passage im Johannesevangelium (4, 22):

„Das Heil kommt aus den Juden.“

Die Zerstreuung Israels als zentrales Element des göttlichen Heilsplans

Der Autor betont, dass die Zerstreuung Israels kein Unfall der Geschichte, sondern ein zentrales Element des göttlichen Heilplans ist – ein geistlicher Zustand, der vom HERRN selbst herbeigeführt wurde und zu seiner Zeit wieder aufgehoben wird. Die Sammlung Israel sei das Gegenstück dazu und ebenfalls ein göttliches Werk, das mit dem Erscheinen des Messias beginnt.

Das ehemalige biblische Reich Israels nach der Teilung in zwei Staaten. Ungefähre Karte des Nordreichs Israel und des Südreichs Juda im 9. Jh. v. Chr. Oldtidens_Israel_&_Judea.svg: FinnWikiNoderivative work: Richardprins, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Zugleich macht er klar, dass die Zerstreuung Israel eine Konsequenz des durch diesen Volk begangenen Bruch des Bundes ist, den Israel mit Gott hatte, doch Gott würde es aus Gnade wieder sammeln, denn, aus Jeremia 31, 10 geht klar hervor:

„Der Israel zerstreut hat, der wird es auch sammeln.“

Wer war Jesus?

Jesus wird von Chung als der Gesandte Gottes bezeichnet, nicht als ein „Bestandteil“ Gottes wie es in der Trinitätslehre verstanden wird. Dieser Gesandte sagt laut Chung in Sacharia 2,15:

Dann werdet ihr erkennen, dass mich Jehovah gesandt hat.“

und betont, dass sich dies Formel mehrfach im Buch wiederholt:

„Dann werdet ihr erkennen, dass der HERR der Heerscharen mich gesandt hat.“

Etwas irritierend ist, dass die Stelle in meiner Schlachter-Bibel von 2000 etwas anders lautet als in Chungs Zitat ):

„(…) und du wirst erkennen, dass , dass mich der HERR der Heerscharen zu dir gesandt hat.“

bzw. in Sach. 2, 13 (zur Versangabe gibt Chung an (bzw. 2,13 in der LXX bzw. Septuiginta)) steht in meiner Übersetzung:

„(…) so werdet ihr erfahren, dass der HERR der Heerscharen mich gesandt hat.2

In meiner LXX (Septuiginta) lautet Vers 13:

„(…)und ihr werdet erkennen, dass der Herr, der Allherrscher, mich zu dir gesandt hat.“3

Nebenbei erwähnt: Die Wendung ist – wie in den meisten Übersetzungen – in ähnlicher Form auch in der Septuiginta in Vers 15 zu finden. So heißt es in der mir vorliegenden deutschen Ausgabe:

„Und du wirst erkennen, dass der HErr , der Allherrscher, mich zu dir gesandt hat.“4

Und um die Verwirrung komplett zu machen, heißt es in der Neue-Welt-Übersetzung in Vers 11:

„Und du wirst erkennen müssen, dass Jehova der Heerscharen selbst mich zu dir geschickt hat.5

Dazu kommt, dass die von Chung verwendete Schreibweise „Jehovah“ zwar im Englischen gebräuchlich ist, im Deutschen jedoch eher nicht.

Dessen ungeachtet dürfen wir aber feststellen, dass sie entsprechenden Stellen, seien sie zitiert oder paraphrasiert, inhaltlich absolut das aussagen, was sie Chung zufolge tun.

Wie dem auch sei, die oben zitierte Stelle bringt er in Verbindung mit dem Jesus-Wort aus dem Johannesevangelium (Joh. 8, 28), wo es heißt:

„Dann werdet ihr erkennen, dass mich der Vater gesandt hat.“

Jesus wurde nur gesandt für die „verlorenen Schafe des Hauses Israel“

Chung zitiert aus Mt. 10, 5-6:

„Geht nicht auf den Weg zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samariter; sondern geht vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“

und schließt daraus, dass die Evangelien kein „universales Dokument für die gesamte Menschheit“ sind, „sich in erster Linie an ein bestimmtes Volk richten: die verlorenen Schafe des Hauses Israel“.

Dabei betont er, dass dieser Auftrag andere Völker ausdrücklich ausschließt. Dies würde auch durch die Jünger bestätigt, die nach der Auferstehung Jesu „erwartungsvoll“ fragen: „Herr, stellst du in dieser Zeit für Israel das Reich wieder her?“ (Apg. 1, 6) Chung erinnert weiter daran, dass die Ausgießung des Heiligen Geistes an Pfingsten in Jerusalem nicht etwa für die „entgrenzte Menschenheit“ bestimmt ist, sondern einzig für „ein Volk, das aus seinem Bund gefallen ist, aber zur Umkehr und Sammlung berufen wird“ – Israel.

Gleichnisse werden missverstanden

Die Gleichnisse Jesu würden oft missverstanden als didaktische Mittel zur Erläuterung, in Wirklichkeit sei aber das Gegenteil der Fall: Jesus sagt selbst, dass er in Gleichnissen spricht, damit sie nicht verstanden würden: „„Damit sie sehen und doch nicht erkennen, hören und doch nicht verstehen.“ (Mt. 13, 13) Die Gleichnisse seien keine Gerichtsworte, keine Erklärungen. „Nur wer vom Geist erleuchtet ist – ein wahrer Israelit – erkennt ihre Bedeutung„. Es ginge darum, dass sich die Israeliten nicht nur geographisch gesammelt, sondern geistlich wieder sehend gemacht würden. Diese Sammlung erfolge durch das Wirken des Heiligen Geistes.

Chung fasst zusammen:

„Die Evangelien richten sich also nicht an die Welt. Sie sind die Bundesurkunde für das neue Israel, geschrieben nicht für Heiden, sondern für die verlorenen Schafe, die zerstreut, blind, abgewichen sind – und nun gerufen werden, um durch den Messias geheilt und gesammelt zu werden. Sie sind nicht das Gründungsdokument einer neuen Kirche, sondern die Erneuerung der Verheißung an Israel“.

Die Evangelien sind Chung zufolge nicht der Schlüssel zu persönlichen Heil, zu eigenen Glück und zum eigenen Segen. Es ginge nicht „um Heilung, Erfolg, Wohlstand, Lebenshilfe, Durchbrüche im eigenen Alltag – der Glaube wird zum Mittel für das eigene Wohlergehen“. Die Vorstellung von Gebeten an Jesus als „Problemlöser“ für individuelle Bedürfnisse wie gesund werden, Glück in Beziehungen, Erfolg im Beruf, finanzielle Sicherheit oder Schutz vor Unglück haben, sei eine falsche Vorstellung des Evangeliums. Chung erläutert die Hintergründe ausführlich.

Der Autor spricht weiter von einem Missverständnis, wenn er erklärt:

„Das Evangelium ist nicht in erster Linie ein Versprechen für den Einzelnen, sondern die Einladung, in die große Geschichte Gottes einzutreten. Wer es zum privaten Heilsweg verkürzt, verfehlt das Ziel und bleibt letztlich unbefriedigt, in Wartestellung auf das nächste Wunder, auf den eigenen Durchbruch, auf das eigene Glück.“

Und weiter:

Heil im Sinne Jesu ist immer Bundesheil – es geht um die Wiederherstellung Israels, um die Sammlung des Volkes, um die Aufrichtung des Reiches Gottes, um das große Ganze. Der Einzelne ist hineingenommen, aber nicht Selbstzweck. Der Kranke wird geheilt, damit er seine Berufung lebt. Das Volk wird gesammelt, damit es Licht der Welt ist. Das Reich Gottes kommt, damit Gottes Wille auf Erden geschehe.

Sein Fazit zu diesem Thema lautet:

„Das Evangelium ist kein exklusives Angebot an Einzelne, sondern der Ruf in die Gemeinschaft der Berufenen, in die Erfüllung des göttlichen Plans mit Israel und durch Israel mit der Welt. Wer das Evangelium nur als persönliche Heilsbotschaft sieht, bleibt am Rand, verpasst das Ziel […]. Jesus lädt ein, das Heil umfassend zu denken: als Wiederherstellung des Volkes, als Vollendung des Bundes, als Erfüllung des Reiches Gottes. Nur wer diesen Ruf versteht, erfasst die wahre Größe des Evangeliums.“

Eine weitere sehr interessante These von Chung ist, dass es sich bei Jesus und dem Vater nicht um dieselbe göttliche Person handelt. Denn „schon das Johannesevangelium selbst macht klar, dass es sich um zwei Personen handelt, die im Willen, Werk und Geist vollkommen eins sind, aber unterscheidbar bleiben.“ Dies ersieht er u. a. aus Joh, 20,17, wo Jesus sagt: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“

Jesus und der himmlische Vater sind nicht die gleichen Person

Hier ist tatsächlich von zwei verschiedenen Personen die Rede. Nur so bleibt der im Alten Testament mit Nachdruck gelehrte Monotheismus gewahrt. Wenn Jesus in Joh. 10, 30 sagt: „Ich und der Vater sind eins„, so bedeutet dies, dass es sich um“zwei Personen handelt, die im Willen, Werk und Geist vollkommen eins sind, aber unterscheidbar bleiben.“

Jesus wäre der bei Sacharia, wie wir oben gesehen haben, der Gesandte Jehovahs, der auch im 2. Buch Mose „3, 2-6 als Gott Moses am Dornbusch erscheint und hier als „Engel des Herrn“ auftritt, aber als Jehovah selbst spricht, sowie in Jesaia 48, 16: „Und nun hat Jehovah mich und seinen Geist gesandt6. Chung kommentiert: „Das ‚Ich‘ ist der ewige Gesandte, der im Auftrag Jehovahs und mit seinem Geist spricht.“

Chung schließt:

Der Gesandte, der im Namen und mit der Vollmacht Jehovahs im AT auftritt, ist derselbe, der im NT als Mensch erscheint.“

Dass Chung in seinen Bibelzitaten gerne den Namen Jehovah einsetzt hat wohl damit zu tun, dass er als zentrales Ziel des Handelns Jesu und des gesamten biblischen Bundes die Heiligung des Namens des Vater sei. Schließlich beginnt das Vaterunser mit den Worten: „Geheiligt werde dein Name.“ (Matth. 6, 9)

Was mit „Wiedergeburt“ wirklich gemeint ist

Eine oft missverstandenes und auf die eigene Person bezogene Wendung ist das Wort „Wiedergeburt“ in Joh. 3, 3-5:

Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen … Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes eingehen.

Dies sagte Jesus zu Nikodemus, der als „Lehrer Israels“ vorgestellt wird. Chung erklärt, dass Jesus hier nicht etwa von einem moralischen oder mystischen Ereignis spricht, sondern ausdrücklich mit dem Begriff „Wiedergeburt“ auf jene alttestamentlichen Prophezeiungen abzielt, in denen es um „das Haus Israel und das Haus Juda“ geht.

Exemplarisch sei hier Hes. 36, 24-27 genannt, wo es heißt:

„Denn ich will euch aus den Heidenvölkern herausholen und aus allen Ländern sammeln und euch wieder in eurer Land bringen. Und ich will reines Wasser über euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von aller eurer Unreinheit und von allen euren Götzen will ich euch reinigen. Und ich will euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in Euer Inneres legen; ich will das steinerne Herz aus eurem Fleisch und euch ein fleischernes Herz geben, ja, ich will meinen Geist in euer Inneres legen und werde bewirken, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechtsbestimmungen befolgt und tut.“

Chung sagt:

„Wiedergeburt aus Wasser und Geist: Jesus nimmt Bezug auf die Prophetie des Neuen Bundes, wie sie bei Jeremia, Ezechiel und Joel angekündigt ist (Jer 31,31–34; Ez 36,25–27; Joel 3,1). Der Heilige Geist wird als Zeichen der Erneuerung und Wiederannahme Israels verheißen. Die Taufe in Geist und Wasser ist nach prophetischem Zeugnis nicht das Symbol für einen beliebigen persönlichen Glaubensweg, sondern das Bundeszeichen für die Wiederherstellung Israels in der Endzeit“.

Interessant ist dabei auch das folgende Zitat aus Chungs Buch:

„Im ursprünglichen biblischen Zusammenhang sind es die Nachkommen Jakobs – die zwölf Stämme Israels, zerstreut in alle Welt, die am Ende der Zeiten gesammelt und durch den Geist neu geboren werden.“

So außerordentlich interessant ist dieser Vers deswegen, weil hier nicht nur vom Stamm Juda gemeint ist, um den der moderne jüdische und demokratische Staat Israel gebildet ist, sondern alle zwölf Stämme Israels, von denen zehn „verloren“ sein sollen. Darüber bin ich auf diesem Block beispielsweise hier eingegangen.

Mein Fazit

Ich habe mich eingehend mit Chungs These, seinem Buch und den zugrunde liegenden Bibelstellen beschäftigt und muss zugeben, dass sie durchaus mit der Bibel im Einklang stehe. Ich gehe sogar noch weiter und bezeichne Chungs Buch als einen Augenöffner.

Fußnoten

  1. wie alle Bibelstellen zit. nach Chung aus Schlachter-Übersetzung 2000. ↩︎
  2. „HERR“ jeweils in Kapitälchen ↩︎
  3. Septuaginta Deutsch: Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung. Stuttgart 2009 ↩︎
  4. wie FN 2, in neuedeutsche Rechtschreibung konvertiert ↩︎
  5. Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift. Selters 1984/86/ (konvertiert in neue deutsch Rechtschreibung durch RMH) ↩︎
  6. in meiner Schlachter 2000 heißt es hier wörtlich: „…und nur hat mich Gott, der HERR (in Kapitälchen)und sein Geist gesandt.“ ↩︎

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