* von Roland M. Horn
„Çatalhöyük (türk. çatal (Gabel, Gabelung), höyük (Hügel); auch Çatal Höyük, Çatal Hüyük oder Chatal-Hayouk), ist eine in der heutigen Türkei ausgegrabene Siedlung aus der Jungsteinzeit. Sie liegt knapp 40 Kilometer südöstlich der Stadt Konya auf der Hochebene Anatoliens und hatte mehrere tausend Einwohner.“, schreibt Wikipedia.1Siehe: Çatalhöyük, bei: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie (abgerufen: 6. Juni 2009)
Diese Siedlung wurde in den späten 1950er Jahren entdeckt. Der britische Archäologe James Mellaart grub zwischen 1961 und 1965 eine Fläche im Südwesten des Hügels aus. Die Grabungen mussten jedoch aus politischen Gründen abgebrochen werden.
1993 wurden die Arbeiten im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts unter der Leitung von Ian Hodder (University of Cambridge und Stanford University) jedoch wieder aufgenommen. Seit 1995 wurde wieder gegraben.
Nach der Radiokohlenstoffdatierung bestand die Siedlung von 7400/7100 bis etwa 6200 v. Chr. Aufgrund seines Alters, seiner Größe, der Architektur, Wandmalereien und sonstiger Funde innerhalb der Häuser wurde Çatal Hüyük weltweit berühmt. Çatal Hüyük gilt als Meilenstein der prähistorischen Forschung.
Die Siedlung bestand aus eng aneinander gesetzten rechteckigen Häusern, die aus Lehmziegeln oder Stampflehm errichtet wurden. Sie besaßen ein Flachdach. Durch unterschiedliche Raumhöhen und Bodenniveau waren Belüftung und Lichtzufuhr für die einzelnen Bauten gewährleistet. Der Zugang zu den Bauten erfolgte über eben diese Flachdächer und führten zu einer treppenartigen Verschachtelung, denn Straßen, Gassen oder Durchgänge zwischen den einzelnen Häusern gab es nicht.
Bei Wikipedia heißt es:
„Die Grabungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es neben den einzelnen, dicht bebauten Arealen auch immer wieder Freiflächen gab, so dass die Zahl der Häuser mit schätzungsweise 400 bis 1850 je Schicht nicht so groß war wie zuvor angenommen. Entgegen früheren Schätzungen von bis zu 10.000 gleichzeitig in der Siedlung lebenden Menschen, die zweifellos auch zur fälschlichen Bezeichnung Stadt beigetragen hat, geht man heute von 2500 gleichzeitigen Bewohnern aus.“2Quelle: Siehe: Çatalhöyük, bei: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie (abgerufen: 6. Juni 2009)
Darüber, ob der Begriff „Stadt“ tatsächlich unpassend ist, gibt es allerdings verschiedene Auffassungen. So beginnt die Diplom-Ingenieurin Gabriele Uhlmann ihr Abstract „Kennst Du Çatal Höyük“ aus dem Jahr 2009 zu ihrem Openbook (eine aktualisierte Version ihrer Studienarbeit von 1998/99) mit dem Hinweis, dass viele Wissenschaftler Çatal Hüyük als
• älteste Stadt der Welt
• den größten Siedlungshügel der Jungsteinzeit und gleichzeitig als
• die älteste Stadtkultur der Welt
bezeichnen.
Nach Uhlmann, die sich als Architekturstudentin ausführlich mit Çatal Hüyük beschäftigt hatte, gibt es heute relativ unterschiedliche Meinungen darüber, wie Çatal Hüyük zu interpretieren sei. Dabei empfindet sie die Frage, ob Jericho oder Çatal Hüyük die älteste Stadt der Welt sei, noch als verhältnismäßig harmlos. Sie schreibt:
„Die Definition des Begriffes STADT ist allein äußerst schwierig. Aber Çatal Hüyük als Stadt zu bezeichnen, wo sie nicht einmal Stadtmauern, Befestigungsanlagen oder gar ein Zentrum, geschweige denn Straßen oder nur Türen hat, ist immer noch sehr gewagt, denn es gibt eine Lobby, die leider tonangebend ist und genau diese Eigenschaften als alleinige Merkmale gelten lässt. Dennoch ist Çatal Höyük so herausragend in ihrer Zeit und in ihrer größeren Umgebung, dass selbst diese WissenschaftlerInnen nicht anders können, als sie als „Jahrhundertfund“ zu bezeichnen.“3Gabriele Uhlmann, Kennst Du Çatal Hüyük?
Uhlmann schreibt weiter:
„Für die Kulturgeschichte der Menschheit hat Çatal Höyük eine weitaus größere Bedeutung als beispielsweise die Sieben Weltwunder. Die ältesten Schichten des Hügels sind unglaubliche 9250 Jahre alt! Die Bauweise der Häuser hat sich über einen Zeitraum von ca. 1000 Jahren nicht verändert, d.h. hier war von Anfang an eine Stadtkultur. Wohl als der Hügel zu hoch wurde sind die BewohnerInnen umgezogen, zu einem Platz gleich daneben, wo sie wieder 700 Jahre friedlich lebten, bis…
Tja, das weiß niemand, was dann geschah. Der zweite Hügel liegt ebenfalls verlassen da, ohne dass irgendwelche Spuren einer Katastrophe oder eines Krieges zu finden sind.“ 4Gabriele Uhlmann, Kennst Du Çatal Hüyük?
Wikipedia schreibt über Çatal Hüyük:
„Zu den spektakulärsten Zeugnissen aus Çatalhöyük gehören zweifellos die von James Mellaart freigelegten Malereien und Wandreliefs an den Innenwänden einzelner Häuser.“5 Siehe: Çatalhöyük, bei: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie (abgerufen: 6. Juni 2009)
Uhlmann betont, dass auf Bildern von Çatal Hüyük (sie druckt Bilder von Rekonstruktionsversuchen der Innenräume ab, die dem Buch „Die Entdeckung von Çatal Hüyük – Der archäologische Jahrhundertfund“ von Heinrich Klotz, München 1997 entnommen sind, auf ihrer Seite ab) keinerlei „keulenschwingende, ihre Frauen hinter sich herziehende Männer“ zu sehen sind, obwohl die Siedlung (Uhlmann schreibt hier: „Stadt“) aus der Jungsteinzeit stammt. Und weiter:
„Nirgends finden sich Spuren barbarischer Menschenopfer. Und sie hausten auch nicht in Höhlen. Stattdessen finden sich planvoll angelegte Häuser mit kunstvollen Wandgemälden, wunderschöne Plastiken und eine Kultur der Mitmenschlichkeit, wie sie später nur noch in den abgelegensten Gebieten der Erde zu finden sind, jedenfalls nicht in Europa. Ein höheres Maß an sozialer Kultur hat die Menschheit nie mehr erreicht.“6Gabriele Uhlmann, Kennst Du Çatal Hüyük?
Aus den abgedruckten Bildern leitet Uhlmann ab, dass jedes Haus eine Kultstätte ist, in der die „Große Göttin“ verehrt wurde. Dies geht aus Bildern hervor, die auf Uhlmanns Seite zu sehen sind. Diese Rekonstruktionsversuche der Innenräume, kämen genauso hundertfach vor und seien Heiligtum zugleich.
Uhlmann schreibt weiter:
„Der Symbolkanon Çatal Höyüks ist in mindestens sieben figürliche Kategorien einteilbar(…)Die Grosse Göttin, die Bärengöttin, Doppelgöttinnen, gehörnte Tiere, Leoparden, Geier und Jagddarstellungen. Über ihre Bedeutungen ist in der Fachwelt ein Streit entbrannt, der aufgrund der besseren Argumente der neuen Sicht, geprägt durch die Archäologin Marija Gimbutas, auch bei manchen WissenschaftlerInnen zum Umdenken geführt hat. Aus der offiziellen Wissenschaft wird sie jedoch aufs Heftigste bekämpft, auf eine Weise, die erahnen lässt, dass weit mehr als die Suche nach Erkenntnis dahintersteckt.“7Gabriele Uhlmann, Kennst Du Çatal Hüyük?
Hier haben wir es offensichtlich einmal mehr mit einer Sache zu tun, die nicht so ganz in das allgemein angenommene Bild der Vergangenheit passen will. Auch zwei verschiedene Methoden im Umgang mit dem Thema werden deutlich: Während Gabriele Uhlmann verhältnismäßig euphorisch mit dem Thema umgeht und Missstände in der konservativen Forschung anprangert, versuchen die Autoren des Wikipedia-Artikels offensichtlich das Besondere an Çatal Hüyük so gut es geht herunterzuspielen, wobei aber auch hier immer noch eine ganze Menge übrig bleibt…