Hisbollah-Medien behaupten, die Waffenstillstandsvereinbarung, der Israel zugestimmt hat, sei für die Hisbollah ein Sieg. Sie sagen, damit werde einfach nur die Resolution 1701 des UNO-Sicherheitsrats umgesetzt und sie gehe nicht darüber hinaus, anders als Israel es behauptet.
Libanons L’Orient-Le Jour erhielt eine Kopie der Vereinbarung (ich habe keinen Grund an der Richtigkeit zu zweifeln). Auf Grundlage von deren Text hat die Hisbollah nicht ganz Unrecht. Tatsächlich könnte man die Vereinbarung als eine 1701-Minus betrachten.
Hier ist der volle Text:
- Die Hisbollah und alle anderen bewaffneten Gruppen, die sie gegenwärtig auf libanesischem Territorium befinden, werden auf jegliches offensives Handeln gegen Israel verzichten.
- Im Gegenzug wird Israel keinerlei militärische Offensive auf Ziele im Libanon ausführen, weder an Land, noch in der Luft oder auf See.
- Sowohl Israel als auch der Libanon erkennen die Bedeutung der Resolution 1701 des UNO-Sicherheitsrats an.
- Mit diesen Verpflichtungen verzichten weder Israel noch der Libanon auf ihr inhärentes Recht auf Selbstverteidigung.
- Die libanesischen Sicherheitskräfte und die libanesische Armee werden die einzigen Organisationen sein, die dazu befugt sind, im Südlibanon Waffen zu tragen oder Truppen dort zu stationieren.
- Der Verkauf, die Bereitstellung oder Produktion von Waffen und damit zusammenhängendem Material im Libanon wird von der libanesischen Regierung beaufsichtigt.
- Alle nicht zugelassenen Einrichtungen zur Produktion von Waffen und damit im Zusammenhang stehendem Material werden demontiert.
- Alle damit nicht konform gehende militärische Infrastruktur und Stellungen werden demontiert und alle nicht zugelassenen Waffen werden beschlagnahmt.
- Ein von Israel wie vom Libanon anerkanntes Komitee wird eingerichtet, um die Umsetzung dieser Verpflichtungen zu beaufsichtigen und dabei zu helfen.
- Israel und der Libanon werden dem Komitee und der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) jeden Verstoß gegen diese Verpflichtungen melden.
- Der Libanon wird offizielle Sicherheitskräfte und die libanesische Armee entlang aller Grenzübergänge und der der für die südliche Zone definierten Linie stationieren, wie es im Stationierungsplan umrissen ist.
- Israel wird sich innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen schrittweise aus der südlichen Zone der Blauen Linie zurückziehen.
- Die Vereinigten Staaten werden indirekte Verhandlungen zwischen Israel und dem Libanon intensivieren, um eine international anerkannte Festlegung der Landgrenze zu erreichen.
Der Hauptunterschied zur Resolution 1701 ist das Komitee zur Beaufsichtigung der übrigen Bestimmungen. Wir wissen nicht, ob dieses Komitee über irgendwelche Macht verfügt.
Andererseits forderte 1701 die völlige Entwaffnung der Hisbollah, nicht nur südlich des Litani:
volle Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen der Taif-Vereinbarungen und der Resolutionen 1559 (2004) und 1680 (2006), die die Entwaffnung aller bewaffneten Gruppen im Libanon erfordern, damit es in Übereinstimmung mit dem Beschluss des libanesischen Kabinetts vom 27. Juli 2006 keine Waffen oder Obrigkeit im Libanon außer der des libanesischen Staates gibt.
Das ist ein gewaltiger Unterschied.
Ein weiterer Unterschied ist, dass 1701 die Blaue Linie als Grenze zwischen Israel und dem Libanon anerkannte; die jetzige Vereinbarung sagt, das sei nun verhandelbar, was den Ansprüchen der Hisbollah auf Land Glaubwürdigkeit verleiht.
Netanyahu behauptet, die Vereinbarung erlaubt Israel, auf Verstöße seitens der Hisbollah zu reagieren:
Im vollen Einvernehmen mit den USA behalten wir die Freiheit militärischen Handelns. Wenn die Hisbollah gegen die Vereinbarung verstößt und versucht sich zu bewaffnen, werden wir angreifen. Wenn sie versucht, Terrorinfrastruktur in Grenznähe wiederaufzubauen, werden wir angreifen. Wenn sie eine Rakete startet, wenn sie einen Tunnel gräbt, wenn sie einen LKW mit Raketen einfährt, werden wir angreifen…
Sie sagen mir, die Hisbollah wird sich ein oder zwei Jahre lang still verhalten, erstarken und uns dann angreifen. Aber die Hisbollah wird nicht nur gegen die Vereinbarung verstoßen, wenn sie auf uns schießt. Sie wird die Vereinbarung schon dann brechen, wenn sie Waffen erwirbt, mit denen sie in Zukunft auf uns schießen kann. Und wir werden auf jeden Verstoß entschlossen reagieren.
Präsident Biden sagte etwas ganz anderes:
Biden sagte: „Wenn die Hisbollah oder irgendjemand sonst gegen die Vereinbarung verstößt und eine direkte Bedrohung Israels darstellt, behält Israel das Recht auf Selbstverteidigung, im Einklang mit dem internationalen Recht – so wie jedes Land, wenn es sich einer Terrororganisation gegenübersieht, das die Vernichtung dieses Landes versprochen hat.
Biden scheint zu sagen, dass Israel angreifen darf, aber nur unter Umständen, in denen das internationale Recht, in Selbstverteidigung. Netanyahu sagt, dass jeder Verstoß seitens der Hisbollah, selbst wenn er Israel nicht direkt bedroht, ein Grund ist anzugreifen.
Aber ich sehe dies in der veröffentlichten Vereinbarung nicht. Diese Auslassung lässt Netanyahus Worte unrichtig erscheinen.
1701 scheiterte, weil die libanesische Armee und UNIFIL sie nicht durchsetzten. Ich sehe nicht, wie ein Komitee, dessen einziger Auftrag darin besteht, Verstöße zu melden, mehr zustande bringen soll. Ich sehe auch nicht, dass diese Vereinbarung Israel das Recht zum Angriff gibt, wenn die Hisbollah einen Tunnel gräbt, zumindest nicht während der 60 Tage.
Vielleicht gibt es ein zusätzliches Memorandum, das ich nicht gesehen habe. Aber bisher sieht dies, angenommen, der veröffentlichte Text der Vereinbarung ist korrekt, ein auch nur annähernd so guter Deal ist, wie Netanyahu ihn erscheinen lässt.