Nach dem Tod von Papst Franziskus: Warum Israel schweigt – und dieses Schweigen nicht herzlos ist

Kein offizielles Beileid von Premierminister oder Außenminister – hinter der Zurückhaltung steckt kein Zynismus, sondern tiefes Unverständnis über die Worte des Papstes zur Lage in Israel

Die Welt verneigt sich vor einem verstorbenen Papst – Israel schweigt. Seit der Todesnachricht von Papst Franziskus gaben Staatsoberhäupter weltweit ihre Trauer kund. Auch politische Rivalen, auch säkulare Führer erkannten die Größe dieses Moments. Doch aus Jerusalem kamen kaum offizielle Worte. Kein Statement des Premierministers. Keine Reaktion des Außenministeriums – zumindest keine, die nicht gleich wieder gelöscht wurde. Nur Präsident Herzog fand diplomatische Worte der Würde.

Was nach außen wie Kälte wirkt, ist in Wahrheit Ausdruck einer tiefen inneren Zerrissenheit. Denn der Verstorbene war nicht nur ein geistlicher Führer von über einer Milliarde Menschen – er war zuletzt auch ein lautstarker Kritiker Israels, der in einem Moment äußerster nationaler Verletzlichkeit schwere Vorwürfe erhob.

Als jüdische Familien in Israel noch um die Ermordeten des 7. Oktober trauerten, als Kleinkinder als Geiseln in Gaza festgehalten wurden, als das ganze Land im Schock erstarrt war – da sagte Papst Franziskus, Israel führe „keinen Krieg“, sondern betreibe „Grausamkeit“. Er sprach von „Kindern, die mit Maschinengewehren niedergemäht“ würden. Er sprach von „genozidähnlichen“ Zuständen in Gaza. Worte, die in Israel Wunden rissen, keine Brücken bauten.

Viele Israelis, darunter auch Shoah-Überlebende, konnten nicht fassen, dass ausgerechnet der Papst – eine moralische Instanz – in einem so komplexen und emotionalen Moment derart einseitig sprach. Wer so spricht, stellt sich nicht nur gegen Israels Regierung, sondern gegen ein traumatisiertes Volk, das um sein Überleben ringt.

Es geht nicht um einen politischen Disput. Es geht um Würde. Um die Frage, wie viel ein jüdisches Leben im moralischen Urteil der Welt wiegt. Wenn 1.200 Menschen in Israel an einem Tag ermordet werden – Babys, Mütter, Holocaustüberlebende –, und das Oberhaupt der katholischen Kirche dennoch Israel als Täter brandmarkt, darf man dann von Israel erwarten, zur Tagesordnung überzugehen?

Dennoch ist das Schweigen Israels kein Zeichen von Hass oder Rache. Es ist ein stilles, schweres Zeichen: So tief sitzen die Verletzungen. Die gelöschten Social-Media-Posts zeigen, dass es durchaus den Wunsch nach einem würdigen, wenn auch zurückhaltenden Abschied gab – doch selbst dieser wurde intern infrage gestellt. Kein Hass, sondern Schmerz.

Natürlich hat auch Raphael Schutz, Israels ehemaliger Botschafter beim Vatikan, recht, wenn er sagt: Der Papst war nicht nur ein Staatsmann, sondern auch spirituelles Oberhaupt für ein Fünftel der Menschheit. Und ja – aus diplomatischer Sicht hätte ein stilles Zeichen der Anteilnahme womöglich eine Brücke gebaut.

Aber manchmal ist Diplomatie nicht alles. Manchmal muss das moralische Gewicht der eigenen Trauer berücksichtigt werden. Israel hat den 7. Oktober nicht vergessen – und kann nicht so tun, als wären die Monate danach ohne Bedeutung.

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