Warum Israel Washingtons Bitte nach einem Aufschub in Gaza nicht einfach folgen kann

Die USA fordern Zeit – aber wie viel Zeit bleibt noch? Während das Weiße Haus auf Verhandlungen setzt, erklärt Israel, dass es kein Zurück mehr gibt.

Israel steht vor einer Entscheidung, die kaum mehr hinausgezögert werden kann. Während die Panzer der IDF in Nord-Gaza bereits in Stellung gegangen sind und sich die Armee auf eine umfassende Bodenoffensive vorbereitet, fordert die US-Regierung einen Aufschub – um den letzten Funken Hoffnung auf ein Geiselabkommen nicht zu ersticken. Doch in Jerusalem wächst der Unmut: Noch ein Aufschub, noch ein Zugeständnis, noch eine Runde indirekter Gespräche mit einem Gegner, der sich immer wieder der Realität verweigert?

Washington drängt – Israel zögert nicht

In den vergangenen Tagen baten hochrangige US-Vertreter Israel darum, den Beginn der angekündigten Großoffensive in Gaza zu verzögern. Das Ziel: die laufenden Verhandlungen mit der Hamas in Qatar nicht zu gefährden. Man wolle, so die amerikanische Logik, „alle diplomatischen Optionen ausschöpfen“, bevor militärische Tatsachen geschaffen werden, die eine Waffenruhe unmöglich machen.

Doch diese Sichtweise kollidiert mit dem politischen und sicherheitspolitischen Konsens in Israel. Verteidigungsminister Yoav Gallant und Premierminister Benjamin Netanjahu haben unmissverständlich deutlich gemacht: Sobald die Bodenoffensive offiziell beginnt, wird es keine Rückzüge, keine Stopps, keine temporären Pausen mehr geben – selbst dann nicht, wenn sich ein Deal anbahnen sollte.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die Hamas setzt auf Zeit, auf diplomatische Schleifen, auf internationale Appelle – nicht, weil sie verhandlungsbereit wäre, sondern weil jeder Tag ohne israelische Präsenz in Rafah ein taktischer Sieg ist. Für Jerusalem hingegen ist klar: Die Zerschlagung der letzten verbliebenen Bataillone der Hamas in Rafah ist keine Option, sondern ein Muss. Ohne diesen finalen Schlag kann weder die Geiselrückführung noch Israels langfristige Sicherheit garantiert werden.

Die USA drängen auf Flexibilität, doch sie fordern sie in einem Moment, in dem für Israel militärische Entschlossenheit zum höchsten Gebot geworden ist.

„Es ist tot“ – das Scheitern von Doha

Einige Tage vor dem amerikanischen Appell hatte Israel seine Verhandlungsdelegation aus Qatar zurückbeordert. Der Grund: Hamas bestand in letzter Minute auf schriftlichen amerikanischen Garantien, dass ein Deal zum dauerhaften Ende des Krieges führen würde. Damit stellte die Terrororganisation Forderungen, die nicht nur unrealistisch sind, sondern faktisch ihre eigene Wiederauferstehung ermöglichen würden – unter internationalem Schutzschirm.

Ein israelischer Insider formulierte es nüchtern gegenüber der Jerusalem Post: „Es ist tot.“ Gemeint ist damit das sogenannte Witkoff Framework, benannt nach dem US-Vermittler. Es sah vor: zehn Geiseln für einen 60-tägigen Waffenstillstand. Für Israel war es bereits ein schmerzhafter Kompromiss. Doch nun will die Hamas mehr – nicht, um einen realen Schritt in Richtung Frieden zu tun, sondern um sich zu retten.

Dass die indirekten Gespräche dennoch weiterlaufen, liegt vor allem an Washington. Dort wird versucht, über Dr. Bashara Bahbah – einen früheren Unterstützer Donald Trumps und einstigen Chef der „Arab Americans for Trump“ – einen neuen Gesprächskanal zu etablieren. Es ist ein diplomatischer Versuch, der auf israelischer Seite kaum noch ernst genommen wird.

Netanjahu bleibt kompromissbereit – aber zu welchem Preis?

Trotz allem zeigte sich Premier Netanjahu zuletzt offen für eine kurzfristige Feuerpause, sofern dies zur Rückkehr weiterer Geiseln führt. Seine Botschaft ist dabei jedoch glasklar: Ein solches Zeitfenster wird kein Einstieg in einen politischen Prozess sein, der die Hamas schont oder die Operation in Rafah dauerhaft blockiert.

Im Gegenteil: Jeder Tag ohne klare israelische Präsenz in Rafah verlängert das Leiden der Geiseln, erhöht die Gefahr für die Truppen vor Ort – und sendet ein falsches Signal an die Feinde Israels in der Region. Netanjahu weiß, dass der internationale Druck wächst. Doch er weiß auch, dass dieser Krieg nicht mit halben Maßnahmen gewonnen werden kann.

Wer jetzt einlenkt, riskiert, dass dieser Konflikt in wenigen Monaten wieder von vorne beginnt – mit noch größerer Gewalt, noch mehr Toten, noch tieferem Hass.

Ein unausweichlicher Moment

Israel hat viel Geduld gezeigt. Man hat sich auf Vermittlungen eingelassen, selbst unter unmöglichen Bedingungen. Man hat Feuerpausen akzeptiert, Geiseldeals ermöglicht, den Druck internationaler Verbündeter ausgehalten. Doch es gibt einen Punkt, an dem nationale Sicherheit, das Schicksal der entführten Bürger und das Ansehen des Staates Israel nicht länger verhandelbar sind.

Dieser Punkt ist jetzt erreicht. Und so gut gemeint die amerikanischen Appelle auch sein mögen – sie verkennen eine entscheidende Realität: Frieden in Nahost entsteht nicht durch endlose Gespräche mit Terrororganisationen, sondern durch klare Prinzipien, glaubwürdige Abschreckung und das unmissverständliche Signal, dass Gewalt keine politischen Gewinne bringt.

Israel steht bereit, sich diesem Prinzip treu zu bleiben. Auch wenn es unbequem ist. Auch wenn es international kritisiert wird.

Denn wer die Geiseln heimholen will, muss entschlossen handeln – nicht zögern.

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