Israel bereitet sich auf Rückkehr der Geiseln vor – Kliniken, Militär und Familien im Ausnahmezustand

Während in Scharm el-Scheich die Verhandlungen mit der Hamas vorbereitet werden, läuft in Israel eine präzise koordinierte Einsatzplanung an. Krankenhäuser, Sicherheitskräfte und Regierungseinheiten bereiten sich auf eine mögliche Rückkehr der Geiseln vor – und ziehen Lehren aus früheren Austauschaktionen.

Während in Ägypten die neuen Verhandlungen mit der Hamas vorbereitet werden, läuft im ganzen Land ein stiller, aber entschlossener Kraftakt: Die Regierung, das Militär und die Gesundheitsbehörden treffen Vorkehrungen für die Rückkehr der entführten Israelis – oder, im schlimmsten Fall, für die Überführung der Toten.

Unter der Leitung von Drorit Steinmetz, der amtierenden Generaldirektorin im Büro des Premierministers, kamen Vertreter des Gesundheits- und Verteidigungsministeriums, des Rettungswesens und der Streitkräfte zusammen. Das Ziel: aus den Erfahrungen der vergangenen Geiselrückführungen zu lernen – und diesmal jede mögliche Lücke zu schließen.

Das Gesundheitsministerium warnte ausdrücklich vor einem Phänomen, das bei früheren Freilassungen dokumentiert wurde: der sogenannten „Überfütterung“ von Geiseln durch Hamas vor ihrer Übergabe. Überlebende hatten berichtet, dass ihre Entführer sie in den Tagen vor der Freilassung zwangsernährten, um den Anschein körperlicher Unversehrtheit zu erwecken. Israel reagierte nun präventiv: Ein medizinisches Protokoll wurde ausgearbeitet und über den Internationalen Roten Halbmond und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) weitergeleitet – mit der Bitte, das Risiko medizinischer Komplikationen zu minimieren.

Drei Kliniken in Zentralisrael – Sheba-Tel Hashomer, Beilinson und Ichilov – bereiten sich auf alle Eventualitäten vor. Spezialisierte Intensivstationen wurden in Bereitschaft versetzt, medizinische Einsatzteams stehen rund um die Uhr zur Verfügung. Auch Notfallhubschrauber, die die Geiseln direkt aus militärischen Sammelpunkten in die Krankenhäuser bringen sollen, wurden bereitgestellt.

In der Armee selbst herrscht ebenfalls Mobilmachung. Die Streitkräfte haben jene Spezialisten und Sanitäter, die bereits bei früheren Geiselrückführungen tätig waren, erneut einberufen – Männer und Frauen, die zu den ersten gehören, die mit den Rückkehrenden in Kontakt treten. Ihre Aufgabe: medizinische Erstversorgung, psychologische Stabilisierung und die Koordination der Übergabe an zivile Einrichtungen.

Die Maßnahmen bedeuten allerdings nicht, dass eine Freilassung unmittelbar bevorsteht. Offizielle Stellen betonen, dass es sich um eine vorbereitende Phase handle – einen Notfallplan für den Fall, dass in den kommenden Tagen tatsächlich eine Einigung erzielt wird. Dennoch ist der psychologische Druck enorm.

Das Forum der Familien der Entführten hat Premierminister Benjamin Netanjahu erneut in einem dringenden Schreiben aufgefordert, über den Stand der Verhandlungen zu informieren. „Die Familien, deren Angehörige von diesen Gesprächen abhängen, werden erneut von der Informationskette ausgeschlossen“, heißt es in dem Appell.

Gal Hirsch, der nationale Beauftragte für Entführte und Vermisste, wandte sich kurz vor Abflug der israelischen Delegation nach Scharm el-Scheich in einer Botschaft direkt an die Angehörigen. „Wir reisen entschlossen ab, um jeden unserer Vermissten zurückzubringen – Lebende und Tote“, erklärte er. „Wir sind verpflichtet, konzentriert, professionell und menschlich zu handeln.“

Auch im diplomatischen Umfeld spitzen sich die Vorbereitungen zu. Die israelische Delegation, bestehend aus hochrangigen Vertretern des Verteidigungsministeriums und des Geheimdienstes, soll in Ägypten auf Delegationen aus den USA, Katar und Ägypten treffen. Das Ziel: eine strukturierte Abfolge von Verhandlungsetappen, beginnend mit der Freilassung von Zivilisten und der Klärung des Schicksals der Toten.

In Israel selbst herrscht eine Mischung aus Hoffnung und Furcht. Nach zwei Jahren der Ungewissheit, des Wartens und der psychischen Zermürbung bleibt die Frage, ob diesmal tatsächlich ein Durchbruch gelingt – oder ob die Hamas erneut auf Zeit spielt.

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