- von Prof. Asher Cohen, Israel HaYom, 16. Oktober 2025
- übernommen von Abseits vom Mainstream – HEPLEV
(zum Beitragsbild oben: Der Gipfel von Sharm el-Sheikh (Foto: Getty Images))
Den Palästinensern wird beständig Nachsicht und Straffreiheit für die Verletzung von Vereinbarungen zuteil, während Israel immer an die strengsten Verhaltensstandards und das Kriegsrecht gebunden wird.
Wenn die Fanfare verstummt, werden hier, anders als im wunderschönen Text von Naomi Shemers Lied, keine Liebeslieder erblühen. Nicht etwa, weil ein Wahljahr dazu neigt, Einheit und Romantik in den Hintergrund zu drängen, sondern wegen der komplexen und miteinander verwobenen Herausforderungen, vor denen Israel im In- und Ausland steht.
Die skandalösen Störrufe gegen Netanjahus Namen vor überraschten und sich sichtlich unwohl fühlenden Beamten der Administration Trump ist ein vielsagender Indikator für das innenpolitische Klima. Die Freude über die Rückkehr der Geiseln ist zwar ermutigend, wird aber wahrscheinlich nicht zu einer inneren Einheit Israels führen, die für die Bewältigung externer Bedrohungen so wichtig ist. Die Tatsache, dass dies ein Wahljahr ist, wird die Polarisierung nur noch weiter verschärfen. Unter uns lebt eine radikale Minderheit, die nie von ihrem übergeordneten Ziel abgewichen ist: die amtierende Regierung und insbesondere ihren Premierminister ohne Rücksicht auf zu delegitimieren.
Das ist mehr als scharfe Kritik an bestimmten politischen Maßnahmen. Es handelt sich um eine umfassende, absolute Delegitimierungskampagne, die keine Grenzen oder Regeln kennt. Dieselben Leute, die sich auf „Staatlichkeit“ als ihr Leitprinzip berufen, verwenden diesen Begriff sinnlos und entleeren ihn jeglicher Substanz. Andere Parolen wie „Waffenbrüder“ werden ähnlich bedeutungslos. Für sie ist die Regierung von Natur aus illegitim. Sie sind Fundamentalisten, die den internen Kampf in krassen, binären Begriffen darstellen: Gut gegen Böse, Kinder des Lichts gegen Kinder der Dunkelheit, Messianisten gegen Liberale, Diktatoren gegen Demokraten.
Machen Sie sich nichts vor: Das ist keine Randgruppe ohne Einfluss. Viele ihrer Mitglieder, oder zumindest ihre einflussreichsten Stimmen, sind in den wichtigsten Machtzentren des Landes verankert. Sie genießen nahezu automatisch die Unterstützung der meisten israelischen Mainstream-Medien und profitieren von einer Protestfinanzierung in einem hierzulande noch nie dagewesenen Ausmaß. So klein diese Gruppe auch sein mag, die von ihr geförderte toxische Atmosphäre ist in unterschiedlichem Ausmaß in breitere Oppositionskreise vorgedrungen.
Umfragen spiegeln diesen Trend wider: Persönlichkeiten wie Yair Golan, die offen eine radikal delegitimierende Rhetorik verwenden, gewinnen an Boden. Im Gegensatz dazu verlieren Oppositionsfiguren, die einen gemäßigteren, staatsmännischeren Ton anschlagen – wie Benny Gantz – an Boden.
Regional hegen die arabischen und muslimischen Länder, die am Gipfel in Scharm El-Scheik teilnahmen, eine tiefe Feindseligkeit gegenüber Israel. Der öffentliche Diskurs in vielen dieser Länder ist in unterschiedlichem Ausmaß und in unterschiedlichen Formen von Antisemitismus geprägt. Für sie soll der Gazastreifen eine ständige Quelle der Provokation und Schädigung Israels sein – ein Druckpunkt, um Israel diplomatisch und militärisch herauszufordern. Diese Staaten suchen bereits nach Rechtfertigungen für erwartete Verstöße gegen das komplizierte Waffenstillstandsabkommen.
Frankreich und Spanien, die ebenfalls am Gipfel teilnahmen, symbolisieren die breitere internationale Dynamik – eine toxische Mischung zweier hartnäckiger Muster, die sich während des gesamten Krieges gezeigt haben: die sanfte Bigotterie niedriger Erwartungen an die Palästinenser und der Antisemitismus unmöglich hoher Erwartungen an Israel.
Den Palästinensern wird bei jedem Verstoß gegen ein Abkommen stets Verständnis, Nachsicht und Toleranz entgegengebracht. Von Israel hingegen wird stets erwartet, dass es sich an strenge Verhaltensregeln hält und sich an ein internationales Kriegsrecht hält, an das sich kein anderes Land der Welt halten muss. Ja, auch das ist Antisemitismus. Das Aufzwingen einzigartiger Maßstäbe an Israel – und an keinen anderen Staat – entspricht genau der Definition des modernen Antisemitismus. Aber wen kümmert das? Während des Krieges erlebten wir eine Kampagne nach der anderen gegen Israel – von „Kriegsverbrechen“ über „Völkermord“ bis hin zu „Verhungern“. Wenn es um Israel geht, kann man immer eine neue Ritualmordlegende erfinden.
In den kommenden Monaten begeht Israel den 70. Jahrestag der brutalen Ermordung von Ro’i Rothberg aus dem Kibbuz Nahal Oz. Die von Moshe Dayan gehaltene Trauerrede sollte den heutigen Entscheidungsträgern im Gedächtnis bleiben:
„Jenseits der Grenzfurche brodelt ein Meer aus Hass und Rache und wartet auf den Tag, an dem unsere Ruhe unsere Wachsamkeit trübt; den Tag, an dem wir den Gesandten der feindseligen Heuchelei Gehör schenken, die uns drängen, die Waffen niederzulegen … Scheuen wir uns nicht davor, den Hass anzuerkennen, der das Leben Hunderttausender Araber begleitet und erfüllt, die nur auf den Moment lauern, in dem ihre Hände unser Blut berühren können … Dies ist die Entscheidung unseres Lebens – bereit und bewaffnet, stark und unnachgiebig zu sein oder unser Schwert aus der Hand gleiten zu lassen – und zu sterben.“