- von Roland M.Horn
Bei weitem nicht so bekannt wie der Steinkreis von Stonehenge ist ein Monument auf den Golan-Höhen (Abb. 2), das der (mittlerweile verstorbene) Autor Barry Chamish den „Kreis der Riesen“ nennt.1Siehe: Barry Chamish, „Return of the Giants“, Sun Lakes, AZ 2000 Es wird auf Hebräisch Gilgal Refaim, der „Kreis der Refaim” (zu deutsch „Rafaiter„, ein Volk der Bibel), genannt. Die arabische Bezeichnung lautet Rujm el-Hiri („Steinhaufen der Wildkatze„).
Diese Struktur (Abb. 1) besteht aus fünf konzentrischen Steinringen mit einem Durchmesser von 155 Metern. Der am besten erhaltene Stein ist zwei Meter hoch und 3,3 Meter dick. Einige der Steine, die den Ring bilden, wiegen 20 Tonnen, und das vollständige Gewicht der Steine beträgt 37000 Tonnen.
Wie Chamish berichtet, befindet sich in der Mitte der Ringe ein Grenzhügel, der durch ein Hügelgrab getoppt wird, das zwanzig Meter im Durchmesser aufweist. Während der Zeit vor dem Sechstagekrieg von 1967 hielt Syrien die Golan-Höhen, und die Anlage blieb unbekannt. Die Struktur wurde erst bei einer Inspektion durch Israel entdeckt, nachdem es im genannten Krieg den Höhenzug eroberte.
Chamish zufolge ist ein Merkmal der Ringe besonders faszinierend: Die Frage nach dem Sinn zweier großer Öffnungen in der Art von Eingängen, einer in Richtung Nordosten, und der andere nach Südosten hin.
1968 entdeckten die Professoren Yonathan Mizrahi vom Department of Anthropology der Harvard-Universität und Prof. Anthony Aveni von der Colgate Universität in Madison County im US-Bundesstaat New York, dass 3000 v. Chr. die ersten Strahlen der Sonnensonnenwende durch die genannte nordöstliche Öffnung geschienen haben müssen, wie sie von dem zentralen Hügelgrab aus gesehen werden konnten. Zur gleichen Zeit erlaubte die südöstliche Öffnung einen direkten Blick auf Sirius.
Demnach war eine Funktion der Steinkreise ein astronomisches Observatorium und ein Sternenkalender. Doch Chamish relativiert diese Feststellung gleich wieder, in dem er Prof. Mizrahi zitiert, der sich fragt, warum die Errichter der Monuments ein solch aufwendiges Bau-Projekt anstrengen, in dem sie 37 Tonnen von Steinen sammelten und sie sorgfältig hinlegten, um letztlich für immer dort zu liegen, wenn der gleiche Zweck auch durch die Nutzung eines Stein und Stocks erreicht werden konnte.
Chamish sagt, dass niemand wirklich wüsste, warum die Stätte errichtet wurde, es jedoch viele Spekulationen gebe. So habe beispielsweise Micah Ankouri in Teva Ve’aretz (Land und Natur) fünf Seiten dafür verwendet, eine Verbindung zwischen den Kreisen und fernöstlichen Mandalas herzustellen. Er schloss, dass Gilgal Refa’im ein astronomisches Observatorium war, das „soziale Harmonie durch seine Gemeinschafts-Konstruktion“ und einen Beweis für die Perfektion des Universums bietet.
Die astronomische Datierung bestätigen jedenfalls lichenometrische Tests sowie die Ergebnisse, die durch die Anwendung der Radiokarbon-Methode an einer Gefäßscherbe an der Stätte erhalten wurden.
Das Gilgal Refaim ist der einzige megalithisch-astronomische Komplex auf der Erde, der aus losen Steinen errichtet wurde. Er ähnelt mehr Ruinen, die auf Malta und in Zimbabwe gefunden wurden, als an jene, die in Europa zur gleichen Zeit und möglicherweise zum gleichen Zweck gebildet wurden. Doch ungeachtet der Ähnlichkeit des Zwecks hätten die einfachen Nomaden in dieser Region angeblich keinen Kontakt mit Europa gehabt. Gilgal Refaim ist das einzige derartige Unternehmen im Nahen Osten zu jener Zeit, schreibt Chamish.
In der weiteren Umgebung der Kreise wurden hunderte von Dolmen gefunden2Siehe dazu auch: Megalithanlagen auf dem Golan, bei Wikipedia – Die freie Enzyklopädie, die jenen in Nord-Britannien und Frankreich ähnelten. Wie Chamish schreibt, wurden 8500 Dolmen von zwanzig verschiedenen Baustilen auf den Golan-Höhen gefunden. Jeder Stamm hätte seinen eigenen Dolmen-Stil besessen. Die größten Dolmen-Steine wiegen über 50 Tonnen und sind sieben Meter hoch. Innerhalb eines Teiles der Dolmen wurden Gräber gefunden, jedoch nicht überall. Beerdingungen waren also nicht der einzige Zweck dieser Anlagen.
Chamish merkt an, dass die ansässigen Nomaden-Stämme jener Zeit keine anderen auch nur im Entferntesten ähnliche Monumente errichteten. Sie seien dazu technologisch auch gar nicht in der Lage gewesen, solche Monumente zu errichten. Doch wer waren dann die Errichter?, fragt sich Chamish.
Er kommt zum Schluss, dass die in der Bibel erwähnten Riesen die Errichter dieser Gebilde waren. In der Genesis 14:5 (1. Buch Mose) heißt es, dass die Refaim einen Platz, der Ashtherot Karnamim genannt wurde, bewohnten. Nur etwa 15 Kilometer von dem Steinkreis entfernt, befindet sich der Ort einer alten kanaantischen Stadt namens Ashtherot, die nach der kanaanitische Göttin des Krieges und sinnigerweise gleichzeitig der Liebe benannt wurde. Ashtherot war der kanaanitische Name für Sirius, von dem der hebräische Name Esther abgeleitet ist.
Im Buch Joshua 12:4 lesen wir, dass der König Og von Bashan der letzte der Refaim, der in Ashtherot (Astharoth) lebte, über ein Territorium regierte, bis zum Berg Hermon im Norden reichte. Im 1. Buch der Chronik 6:71 (in manchen Übersetzungen 6:56) erfahren wir, dass der halbe Stamm Manasse später „Golan“ in Basan und Astharoth mit seinen Vorstädten bewohnte.3 Quelle: B. Chamish, op. cit (2000), S. 127-132
In Deuteronium (5. Buch Mose) lesen wir im 3. Kapitel, das König Og angegriffen und besiegt wurde, Im Vers 11 heißt es:
„Denn allein der König Og von Basan war noch übrig von den Riesen. Siehe, sein eisernes Bett ist zu Rabba der Kinder Ammon, neun Ellen lang und vier Ellen breit nach eines Mannes Ellenbogen“.4 Quelle: Scofield, D. D., C. I. (Hrsg.) Die Heilige Schrift nach der Deutschen Übersetzung Martin Luthers. Pfäffikon. o. J., Luthertext von 1914
Diese Stelle ist nach Chamish die detaillierteste Beschreibung der Größe der Einwohner Baschanas (Basans). Im gleichen Kapitel (V. 9) werden wir darüber informiert, dass die Sidonier den Berg Hermon „Sirjon“ (bzw. „Sirion„) nannten.5Quelle: Chamish 2000, wie. Anm. 2; sowie: Die vierundzwanzig Bücher der heiligen Schrift, übersetzt von Leopold Zunz, Basel 1980
Chamish verweist noch einmal auf das Buch Deuteronium, im dem es hieße, dass die Refaim ein großer und kraftvoller Stamm wurden, „so groß wie die Anakim-(Riesen)„.6Quelle. B. Chamish, op. cit. (2000) Die „Anakim“ heißen auf Deutsch Enakiter, und Chamish bezieht sich hier vermutlich u. a. auf die folgenden Bibel-Verse:
„Das war ein großes, starkes hohes Volk wie die Enakiter; und der HERR vertilgte sie vor ihnen und ließ sie ihr Land besitzen, dass sie an ihrer Statt da wohnten.“ (5.Mose 2:21)
Und:
„Man hielt sie auch für Riesen gleichwie die Enakiter;(…)“ (5. Mose 2:11)7Quelle: Beide Zitate: Luthertext von 1914
Chamish verweist weiter auf 1. Chronik 20 (V.6), wo der letzte der Anakim (Enakiter) getötet wurde, und es heißt:
„Abermals ward ein Streit zu Gath. Da war ein großer Mann, der hatte je sechs Finger und sechs Zehen, die machten vierundzwanzig, und er war auch von den Riesen geboren. Und höhnte Israel. Aber Jonathan, der Sohn Simeas, des Bruders Davids, schlug ihn. Diese waren geboren von den Riesen zu Gath und vielen durch die Hand Davids und seiner Knechte.“ (1. Chronik 20:6-8).8Quelle: ebd.
Wenn man Chamishs Annahme akzeptiert, dass „die Riesen“ den Steinkreis errichtet haben, bleibt noch eine Frage offen: Woher kamen diese Riesen?
(Erstveröffentlichung auf Atlantisforschung.de)
Buch zum Thema
Steinspuren: (Edel)steine in Kunst, Kultur und Mythos (Taschenbuch), Ancient Mail Verlag – Mit Beiträgen von: Daniela Mattes (Herausgeberin und Autorin), Gisela Ermel (Autorin), Willi Grömling (Autor), Roland M. Horn (Autor), Alexander Knörr (Autor), Thomas Ritter (Autor), Walter-Jörg Langbein (Vorwort), Werner Betz (Nachwort)]