Zealandia: Ein weiterer untergegangener Kontinent?

  • von Roland M. Horn
Topografische Karte von Zealandia, basierend auf den Bathymetrie-Daten des Scripps Institution of Oceanography, University of California, San Diego. Die Umrandung zw. Grenzziehung basiert auf Informationen des Buches: Nick Mortimer; Hamish Campbell (2014) Zealandia – Our Continent Revealed, London: Penguin Books, S. 54 ISBN: 978-0-143-57156-8.
Urheber Ulrich Lange, Bochum, Germany. Diese Datei wird unter der Creative-Commons-Lizenz „CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright“ zur Verfügung gestellt.

Als ich neulich einen Artikel über einen möglicher Weise versunkener Kontinent unter Island? (Icelandia) geschrieben habe, ein nach Meinung eines Wissenschaftsteams untergegangenen Mikrokontinents, in dem ich mich auf einen Artikel von Nadja Podbregar von Scienexx bezog, zitierte ich Podregar mit den Worten:

Die Plattentektonik sorgt dafür, dass sich das Gesicht der Erde ständig verändert. Neue Meere reißen auf, Kontinente kollidieren oder zerbrechen und Krustenteile werden an Plattengrenzen verschluckt. Im Verlauf der Kontinentaldrift wurden auch einige alte Landmassen vom Ozean überflutet und liegen heute am Meeresgrund verborgen – als tektonisches Atlantis. Ein solcher versunkener Mikrokontinent ist unter anderem ‚Greater Adria‘ in Südeuropa oder ‚Zealandia‘, von dem heute nur noch Neuseeland über den Meeresspiegel hinausragt.

Nur wenige Tage später fiel mir ein Artikel über das im Zitat genannte „Zealandia“ in die Hände. Er stammte von National Geographic und trug den Titel Zealandia: Beweis für achten Kontinent gefunden?“ Der Aufreißer am Artikel-Anfang lautete: „Wissenschaftler haben in Neuseeland ein 1,3 Milliarden Jahre altes Teilstück des urzeitlichen Superkontinents Rodinia entdeckt. Mit seiner Hilfe wollen sie die Geschichte des mysteriösen „verlorenen Kontinents“ Zealandia aufklären.“

Die Autorin des Artikels, Maya Wei-Haas, begann ihren Artikel vom 23.07.2021/Aktualisiert am 26.07.2021 mit den Worten:

„Im Sommer 2018 flieht die Petrologin Rose Turnbull von der Geological Society of New Zealand vor der kalifornischen Hitze in die angenehme Kühle eines fensterlosen Kellerraums und sortiert Sandkörner. Die eigentlich in Neuseeland ansässige Geologin hatte sich in dem Labor eines Kollegen an der California State University Northridge eingefunden, um die Sandproben nach Zirkon-Kristallen zu durchsuchen. Ihr Ziel: Unter Zuhilfenahme der Mineral-Kristalle das Mysterium um den geheimnisvollen „achten Kontinent“ Zealandia zu lösen, der in der Sprache der Māori Te Riu-a-Māui genannt wird.“

Ein modellartig ausgebildeter, kognakfarbener Zirkonkristall (Größe: 1,0 cm) auf Calcit aus Gilgit, Region Gilgit-Baltistan, Pakistan.
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zircon-49506.jpg, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2a/Zircon-49506.jpg, Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

Der in diesem Artikel erwähnte Sand und die darin erhaltenen Zirkone entstammen Gesteinsproben aus Neuseeland. Überraschend deutlich schreibt Weiss-Haas:

„Die neuseeländischen Inseln und Neukaledonien sind die einzigen Landteile Zealandias, die über dem Meeresspiegel liegen. Die restlichen 94 Prozent der fast 5 Millionen Quadratmeter großen Landscholle liegen unter Wasser.“

Weiter erklärt die Autorin:

„Die Anerkennung Zealandias als offizieller Kontinent steht noch aus, denn die Scholle ist nicht nur dünner als die bekannten Kontinente, sie ist nach bisherigen Berechnungen vor allem sehr viel jünger.“

Eigentlich ging es Rose Turnbull und ihren Kollegen von der Beratergruppe GNS Science darum, im Rahmen einer neuen Studie mehr über die ungewöhnliche Landmasse Neuseelands und deren Entstehung zu erfahren. Doch – Überraschung: Unter der Südinsel Neuseelands und Stewart Island fanden sie „Überreste eines Milliarden Jahre alten Superkontinents. „Diese lassen vermuten, das Zealandia älter ist als bisher gedacht.“ Wei-Haas fügt noch dazu, dass das Alter der Landmasse eine entscheidende Rolle bei ihrer Anerkennung als offizieller Kontinent spielt.

Der Strukturgeologe Professor Keith Kepeis, ein Autor der Studie über Zealandia, fügt noch hinzu: „In gewisser Weise sind Kontinente vergleichbar mit Eisbergen.“ Und weiter: „Was man über der Oberfläche sieht, ist nur ein winzig kleiner Teil des großen Ganzen.“

Die Forschungsergebnisse wurden in der Zeitschrift Geology veröffentlicht. Wei-Haas glaubt, dass sie beim „Lösen eines Rätsels helfen, das Wissenschaftler schon lange beschäftigt“ und erklärt, dass fast alle Kontinente über mindestens ein sogenanntes Kraton verfügen: Einen Kern aus urzeitlichem Gestein.

Der größte Teil Zealandias befindet sich unter Wasser. Ball’s Pyramid ist einer der Orte, an denen es über den Meeresspiegel ragt.
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ball%27s_Pyramid2.jpg, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d2/Ball%27s_Pyramid2.jpg, National Imagery and Mapping Agency (NIMA), now National Geospatial-Intelligence Agency, Public domain, via Wikimedia Commons

„Dieser geologische Nukleus ist der älteste Teil der Landmasse und bildet die stabile Basis, auf der der Rest des Kontinents aufbaut. Ein Kraton ist meist mehrere Milliarden Jahre alt, der älteste bisher gefundene Teil der kontinentalen Kruste Zealandias konnte aber nur auf etwa 500 Millionen Jahre datiert werden – für geologische Verhältnisse ist das sehr jung. Bisher war also die Frage: Wenn Zealandia ein Kontinent ist, warum scheint es kein Kraton zu geben?“,

rätselt Wei-Haas, die die Frage anschließend selbst beantwortet: „Bei dem neuentdeckten uralten Gesteinsfragment könnte es sich um das fehlende Stück Zealandias handeln“ und zitiert Turnbull mit den Worten: „Damit ist die letzte Voraussetzung erfüllt““ die weiter sagt: „Wir sitzen offiziell auf einem Kontinent.

Der Geologe Joshua Schwartz, ein weiterer Autor der Studie von der California State University, der auf Granite spezialisiert ist, spricht im Zusammenhang mit Zealandia eine ganz andere Frage an: „Wie entstehen kontinentale Krusten“, um zu erklären: „Die oberste Erdschicht, die wir Erdkruste nennen, ist der Ort, an dem alles Lebendige entsteht und passiert“ und weiter: Auf der kontinentalen Erdkruste leben wir, betreiben wir Landwirtschaft und in ihr finden wir Bodenschätze und Grundwasser. „Man kann sagen: Unser Leben baut auf der Kruste auf.“

Schwartz erklärt, dass Wissenschaftler bereits seit Jahrzehnten auf der Spur von Zealandia seien und es Bemühungen gäbe, die Landmasse offiziell als Kontinent anerkennen zu lassen“, was jedoch keine einfache Angelegenheit sei, denn: „Es gibt in der Geologie keine konkrete und einfache Definition für einen Kontinent“, wie Schwartz feststellt.

Ein wichtiger Aspekt ist ihm zufolge die chemische Zusammensetzung des Gesteins. Ozeanische Erdkruste hat gewöhnlich hohe Magnesium- und Eisenanteile. Das Granitgestein von Zealandia hat allerdings, obwohl es größtenteils unter dem Meer liegt, ein hohes Aufkommen von Silikaten, und damit erfüllt sie die chemischen Voraussetzungen für eine kontinentale Erdkruste. Außerdem erstreckt sich die Landmasse, die – wie Schwartz Wei-Haas zufolge feststellt, über ein gigantisches Areal und ist bedeutend dicker als die typische ozeanische Erdkruste – ein weitere Faktor, der für die Einstufung als Kontinent spricht.

Bereits 2017 wollte ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Nick Mortimer von GNS Science Zealandia offiziell als achten Kontinent einstufen lassen, das scheiterte aber eben am Fehlen von Kraton.

Wei-Haas erklärt:

„Sowohl die kontinentale Erdkruste als auch ihr ozeanisches Gegenstück „schwimmen“ isostatisch auf der darunterliegenden Schicht, dem festen Teil des oberen Erdmantels. Gemeinsam mit dem oberen Erdmantel bilden die beiden Erdkrustentypen die sogenannte Lithosphäre. Die gesamte Lithosphäre der Erde besteht aus mehreren Fragmenten, den tektonischen Platten. Verschieben sich diese gegeneinander, taucht die ozeanische Erdkruste aufgrund ihrer höheren Dichte unter die kontinentale Erdkruste – dieser Vorgang wird Subduktion genannt. Kontinentale Erdkrustenplatten hingegen werden aneinandergeschoben und verdichten sich.“

Schwartz erklärt, dass manche Felsen der Zone südlich des Wyoming-Kratons, in der eines von mehreren Kratonen, die dem amerikanischen Kontinent Stabilität verleihen, mehr als drei Milliarden Jahre alt sind. Einer der Felsen in Santa Fe, habe sich dem Kontinent allerdings bereits vor sehr viel kürzerer Zeit angeschlossen, nämlich dann, als eine Reihe von Inseln mit der frühzeitlichen Küste zusammenstieß.

Bisher habe man dein Eindruck gehabt, dass die älteste Kruste Zealandias erst vor ungefähr 500 Millionen Jahren gebildet wurde, als die Landmasse den Rand des Superkontinents Gondwana dargestellt habe, erklärt Hei-Weiss. Weiter erklärt sie, dass eine ausreichend alte Erdkruste bisher noch nicht nachgewiesen werden konnte, wenn man Zealandia auch älteres Gestein wie Teile des Erdmantels, die um die 2,7 Milliarden Jahre alt seien, zuordnen könne.

Im Rahmen der Studie wurden 169 Gesteinsproben untersucht, die aus dem Süden Neuseelands und von den Stewart Islands stammten. Einige davon hatte Turnbull und ihr Team selbst geborgen, andere stammten aus dem Nationalen Gesteinskatalog. Die einzelnen Ursprungsorte waren jedenfalls gut über das untersuchte Gebiet verteilt – sie deckten die südliche Insel Neuseelands komplett ab.

Im Rahmen eines langwierigen Prozesses wurden im Labor die Gesteinsproben zerstoßen und die Körner nach Dichte und Magnetik sortiert, und am Ende blieb nur noch feiner Sand übrig, der in der Hauptsache aus Zirkon bestand. Turnbull übertrug tausende Zirkone auf Mikroskop-Objektträger, um sie mit einem Epoxid (oder mehreren Epoxiden?) zu behandeln und zu polieren.

Diese Arbeit lohnte sich aber, denn die Ergebnisse waren überraschend. Die von den Wissenschaftlern angewandte Methoden, enthüllten nicht nur das Alter der Zirkone, sondern auch die des Ausgangsgesteins, aus dem sie entstanden waren. „So wurden die Wissenschaftler auf einen breiten Gürtel entlang der Ostküste der südlichen Inseln Neuseelands aufmerksam: Zirkone aus diesem Gebiet stammten von einem Ausgangsgestein, für das ein Alter von 1,3 Milliarden Jahren ermittelt werden konnte.“

Wei-Haas erklärt:

„Dieser Zeitpunkt fällt in etwa mit der Phase der Erdgeschichte zusammen, in der die Landmassen der Erde sich in Zeitlupe aufeinander schoben und den Superkontinent Rodinia formierten. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei diesem geologischen Auffahrunfall und dem späteren Zerfall Rodinias heißes Gestein aus dem tieferen Erdmantel an die Oberfläche gestiegen ist, das sich zu der Platte zusammenschloss, die heute unter Neuseeland liegt: das kratonische Fundament, auf dem später Zealandia wuchs.“

Wei-Haas erklärt weiter, dass die Zirkone auch Hinweise auf eine mögliche Abspaltung Zealandias von seinem Mutterkontinent gibt. Kleine Mengen des Sauerstoff-Isotops O-18 befinden sich in den Kristallen – „ein chemischer Fingerabdruck, der den Wissenschaftlern zufolge bei Zirkonen, die in Granit eingebettet sind, äußerst selten zu finden ist.“

Eine Weltkarte mit vereinfachter Darstellung der Lithosphärenplatten.
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tectonic_plates_de.svg, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/36/Tectonic_plates_de.svg, Map: USGSDerivative: Progracp, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Geochemikerin, Vulkanologin und Petrologin Juliana Troch vom Smithsonian National Museum of Natural History in Washington D.C., deren Spezialgebiet die Entstehung von Magma ist, erklärt, dass es einer Vielzahl von verschiedenen Faktoren bedarf, um solche Zirkone entstehen zu lassen, und einer dieser Faktoren sei Hitze, die dafür sorge, dass sich die Signatur des im Wasser enthaltenen O-18 in das durchgespülte Gestein einprägen könnte. Diese Hitze könnte den Wissenschaftlern zufolge entstanden sein, als ein Superplume-Ereignis „vor 750 Millionen Jahren dazu führte, dass sich im fortschreitenden Zerfall Rodinias die Australia-Landmasse vom Superkontinent abspaltete, was eine plausible Erklärung für die O-18-Einschlüsse im Ausgangsgesten der Zirkone wäre.

In der Folge kommt Wie-Haas auf den Zeitpunkt zu sprechen, in der die Zirkonkristalle und damit auch das Gestein, in dem sie eingeschlossen waren: 500 bis 100 Millionen Jahre müsse es gewesen sein, einer Zeit, in der vulkanische Ereignisse die versteckten Fragmente der Erdkruste Rodinias zum Schmelzen brachten. Anschließen stiegen Magmaklumpen aus dem Meer auf, die zu Zirkon durchsetztem Granit kristallisierten. Anschließend transportierte die „immerwährende Verschiebung der tektonischen Platten“ sie an die Erdoberfläche, wo sie dann schließlich auch gefunden wurden.

Wei-Haas schreibt über die Entstehung eines Kontinents:

„Selbst wenn die Kruste Zealandias sehr viel älter ist als bisher gedacht, ist sie doch im Vergleich zu anderen Kontinenten bemerkenswert jung. Alle heute anerkannten Kontinente – Afrika, Europa, Asien, Australien, Nordamerika, Südamerika und die Antarktis – weisen Gesteinsmassen auf, die älter als drei Milliarden Jahre sind. Es gibt kein allgemeingültiges Verfallsdatum für Kontinente und Kratone. Die ihnen allen gemeinsame lange Geschichte lässt laut Joshua Schwartz aber davon ausgehen, dass die Landmassen über ein großes Durchhaltevermögen verfügen.“

Wei-Haas schließt: „Möglicherweise handelt es sich bei Zealandia also tatsächlich einfach um einen sehr jungen Kontinent, um auf Schwartz zu verweisen, der sagt: „Vielleicht sind wir Zeugen der Entstehung eines Kontinents mit einem Fragment Rodinias als Sockel“. Und Turnbull fügt hinzu: „Es ist die Geburt eines Kratons“.

Letztlich können die Autoren der Studie jedoch kein Gesteinsstück konkret Rodinia zuordnen, so dass der Geochemiker Dr. Alex Mc Coy von der australischen James Cook University von „Unsicherheiten in Bezug auf das Zustandekommen der seltsamen chemischen Verbindungen“ spricht. Doch er sagt: „Es wäre fantastisch, wenn wir noch einen echten Beweis für diese Theorie finden könnten“.

Der Geologe Dr. Jack Mulder von der University of Queensland, der allerdings nicht an der Studie mitgearbeitet hat, sagt: „Die Studie hat gezeigt, dass es möglich ist, die Urgeschichte der Erde anhand von Gestein zu erkunden, das viel, viel jünger ist.“

Zirkone wurden übrigens auch am Strand von Mauritius gefunden, wie der Journalist Christoph Seiler am 01.02.2017 in seinem Artikel mit dem bezeichnendem Namen „Uralt-Kontinent versteckt sich unter Tropeninsel“ schreibt.…

(Erstveröffentlichung auf Atlantiaforschung.de)

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