Lässt Trump Israel im Stich?

  • von Roland M. Horn

Quelle Beitragsbild oben: Shaleah Craighead, Public domain, via Wikimedia Commons

Diese Frage stellt sich Jonathan S. Tobin in einem Artikel für Israel heute vom 7.  April 2024. Dabei bezieht er sich auf ein Interview, dass der amerikanische Präsidentschaftskandidat Israel Hayom geben hat, darauf verweisend, dass der Ex-Präsident der israelfreundlichste in der Geschichte war. Doch nun sei eine Kontroverse entstanden, die durch eine seiner Äußerungen entstanden ist. Die fragliche Äußerung ist für einige ein Beweis dafür, dass Trumps persönliche Abneigung gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu seine Haltung gegenüber Israel beeinflusst hat.

Warum geht es? Als Trump über den aktuellen Krieg Israels gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen sprach, sagte er:

“Man muss den Krieg beenden. Um ihn zu beenden. Man muss ihn beenden. Und ich bin sicher, Sie werden es tun. Und wir müssen zum Frieden kommen, so kann es nicht weitergehen.” 

Darüber hinaus kritisierte der Präsidentschaftskandidat “die Art und Weise, wie Israel es zulasse, in der internationalen Presse dargestellt zu werden, und sagte, es schade sich selbst durch die Verbreitung von Videos und Fotos seiner Angriffe auf terroristische Ziele in Gaza”. Wörtlich sagte er:

“Israel muss besser werden in der Werbung und in der Öffentlichkeitsarbeit, denn im Moment schadet es ihnen wirklich sehr. Ich denke, was die Öffentlichkeitsarbeit betrifft.”

Im Einzelnen sagte er:

“Ich glaube, Israel hat einen sehr großen Fehler gemacht. Ich wollte anrufen und sagen, macht das nicht. Diese Fotos und Filmaufnahmen. Ich meine, bewegte Bilder von Bomben, die auf Gebäude in Gaza abgeworfen werden. Und ich sagte: ‘Oh, das ist ein schreckliches Bild. Das ist ein sehr schlechtes Bild für die Welt. Die Welt sieht das. … Jede Nacht sah ich Gebäude auf Menschen fallen. Es hieß, es sei vom Verteidigungsministerium, und es hieß, wer immer das tut, es ist ein schlechtes Bild. Geht und tut, was ihr tun müsst. Aber das tut man nicht. Und ich glaube, das ist einer der Gründe, warum so viel Schmiergeld geflossen ist. Wenn die Leute das nicht sehen würden, würde ich jede Nacht jede dieser Sendungen sehen. … Und ich glaube, Israel wollte zeigen, dass es hart ist, aber manchmal sollte man das nicht tun. … Israel muss sehr vorsichtig sein, denn man verliert einen großen Teil der Welt, man verliert viel Unterstützung, man muss fertig werden, man muss die Arbeit machen. Und man muss zum Frieden übergehen, zu einem normalen Leben für Israel und für alle anderen.'”

Wie ist Trumps Äußerung zu interpretieren?

Jetzt stellt sich für Tobin die Frage, wie Trump dies eigentlich gemeint hat und er verweist darauf, dass israelkritische Medien wie die New York Times – aber auch israelfreundliche Medien – die Aussage derart interpretieren, dass Trump “die Sache Israels” aufgegeben habe. Tobin liest aus dem Artikel von Israel Hayom heraus, das die beiden Journalisten, die das Interview führten, ebenfalls zu dieser Ansicht gelangt sind, und auch Tobins ehemaliger Kollege John Podhertz – Herausgeber von Commentary, einer US-amerikanischen Monatszeitschrift, die  1945 vom American Jewish Committee ins Leben gerufen wurde – kam zu diesem Schluss. Er sagte gar, dass Trumps Rhetorik jener des amtierenden Präsidenten Joe Biden nicht unähnlich sei, der, Israel immerhin mit Waffen beliefert habe, während er aber mit seiner sehr kritischen Rhetorik “ein Gefühl der Instabilität in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Israel” geschaffen habe. Trumps Äußerungen haben seiner Meinung nach “diese Instabilität noch verstärkt”.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob eine zweite Präsidentschaft Trumps Israel genauso unterstützen würde, wie die erste. Und eine zweite Frage, die Tobin in dem Raums stellt, ist, ob der Präsidentschaftskandidat nicht von einigen Persönlichkeiten des rechten Spektrums beeinflusst  werden könnte, die Israel nicht  unterstützten, wie der ehemalige Fox-News-Moderator Tucker Carlson oder die rechte Talkerin Candace Owens, die – wie Tobin festellt – zu offenem Antisemismus übergegangen ist.

Tobin selbst jedoch ist der Überzeugung, das jene, die voreilige Schlüsse über die Bedeutung dieses Interviews ziehen, Trumps Worte tatsächlich falsch interpretieren, denn man könne die Äußerungen über die Beendigung des Kreis genau so gut so verstehen, dass Trump in Wirklichkeit die entgegengesetzte Haltung zu Biden einnimmt, der Israel daran hindern wollte, die die militärische Macht der Hamas durch die Einnahme ihrer letzten Bastion in Rafah zu zerstören. Tobin interpretiert die Worte des Präsidentschaftskandidaten folgendermaßen:

“Trump scheint sie dazu aufzufordern, alles zu tun, um dieses Ziel zu erreichen, und zwar so schnell wie möglich.”

Tatsächlich könnte Trump schlicht das vollkommene Gegenteil tun, als sich in die Schar derer einzureihen, die Israel für seine Angriffe auf die Hamas-Bastionen im Gazastreifen kritisieren, denn – wie Trumps Botschafter in Israel, David Friedman, sagt – könne man genau so gut argumentieren, dass Trump mit seinen Äußerungen Israel lediglich zu verstehen gibt, dass es ihre militärischen Anstrengungen nicht so sehr transparent darstellen und mehr darauf achten sollten, wie ihr gerechtfertigter Krieg in einer feindseligen internationalen Presse dargestellt wird. Dies sollten die Israelis auch Tobins Meinung nach tatsächlich tun. Wenn man sich Trumps Bilanz im Nahen Osten ansähe, wäre dies in der Tat der einfachste Weg, seine jüngsten Äußerungen zu verstehen.

Ganz anderes als andere Politiker: Wie Trump tickt

Tobin ist der Meinung, dass diejenigen, die sich in das Interview vertieften und versuchten, daraus abzuleiten, was im Falle eines Wahlsieges seitens Trump in diesem Jahre geschieht, einfach das tun, was die Presse immer mit Trumps Äußerungen macht, nämlich sie viel zu ernst zu nehmen.

Der Autor erinnert daran, dass wir all jener Zeit, in den Trump ständig in den Medien ist, nichts über ihn gelernt hätte und ebenso diejenigen, “die seinen Einstieg in die Politik überwiegend mit Entsetzen betrachtet und sich offensichtlich nie von dem Trauma erholt hat, das sein politischer Erfolg bei ihr auslöste.”

Trumps ausschweifenden Kommentare zu Tagesereignissen wie seine großspurigen Äußerungen ohne Prüfung der Fakten “und alles, was ihm sonst noch einfiel” hätten Reaktionen hervorgerufen, die einem bestimmten, aber einheitlichen Muster folgten: Trump sagt etwas und viele empfinden es als empörend, unangemessen oder beunruhigend. Die Presse gibt sich entsetzt und Trumps Gegner analysieren detailliert. “Mehr noch, sie scheinen immer in der Erwartung zu sprechen oder zu schreiben, dass dieser Fauxpas, dieser Patzer, diese abscheuliche Entgleisung dazu führen wird, dass Trumps Anhänger und Unterstützer ihn endlich als das erkennen, was er ist, und ihn verlassen werden.”

Ungeachtete des Umstands, dass diese Erwartungen apokalyptisch sind, laufen sie stets ins Leere – ganz unabhängig davon, wie sehr sich manche über Trump empören. Doch ebendieser Trump lacht und – macht so weiter. Seine Anhänger sind ungerührt oder erfreuen sich daran, wie er seine Gegner im Handumdrehen in den Wahnsinn treiben kann. Zurück bleiben die wütenden Kritiker, die noch immer darauf warten, dass irgendeine seine zukünftigen Äußerungen dann doch noch den Beweis dafür erbringen, der ihn vernichten wird.

Dies ist jedoch noch nicht geschehen, und Tobin meint, dass man nach fast einem Jahrzehnt dieser Routine meinen sollte, dass einige die so reagiert haben, endlich begreifen sollten, was er eigentlich tut.

Trump filtert nicht aus, sondern sagt alles, was ihm in den Sinn kommt. Auf die Idee, über die Folgen seiner Worte nachzudenken, kommt Trump nicht – häufig einfach aus Desinteresse, wie Tobin erklärt. Oft würde er sogar mit Absicht so sprechen, um Empörung hervorzurufen oder schlicht seinen Gegnern eins auszuwischen. Anders als andere Personen öffentlichen Lebens kommentiert und analysiert er nicht, sondern “trollt” , die Medien wie das politische Establishment und überhaupt alle, die ihn verachten. Seine Unterstützer – immerhin die Hälfte der Bevölkerung der USA – sind begeistert von seiner Fähigkeit, jene Menschen zu verärgern, von denen sie glauben, dass sie sie genauso hassen wie Trump.

Doch eines – so stellt Tobin fest – vergessen viele (oder wollen es schlicht nicht wahrhaben): Trump tickt einfach vollkommen anders als jeder andere Politiker. Jene anderen Politiker tun meint so, als ob sie glaubten, dass das, was öffentliche Persönlichkeiten sagen, von großer Bedeutung ist und versuchen deswegen, derart zu sprechen, dass ihre Kommentare sorgfältig vorbereitet sind. Sie versuchen Tobin zufolge genau das zu sagen, was sie wollen, mit der Intention, Verwirrung zu vermeiden und klare Botschaften sowohl an Freund als auch als Feind zu richten.

Wichen sie vom Drehbuch ab oder sprächen sie in Eile – oder ob sie gar die Reden, die von ihren Assistenten und Beratern für sie vorbereitet haben, verpfuschen, oder – was Tobin als “noch schlimmer” empfindet – “, wenn sie sagen, was sie wirklich denken, aber nicht wollen, dass es die Öffentlichkeit erfährt -, dann nennen wir das einen ‘Fauxpas’. Wir erwarten dann, dass sich der Täter entweder entschuldigt oder seine Äußerung zurück nimmt, und wir erwarten ernsthafte Konsequenzen, wenn er sich unangemessen verhält oder etwas sagt, das ihn beleidigt.”

Ernst ja, aber nicht wörtlich

Um all diese Regeln schert sich Trump wenig, wie Tobin – und man muss ihm da wohl folgen – feststellt. Und tatsächlich hat ihm diese Haltung – ganz im Gegenteil zu den Erwartungen beinahe aller, die über Politik sprechen – nichts geschadet! Ganz im Gegenteil: Seine Fähigkeit, die politische Klasse in die Wahnsinn zu treiben, entpuppt sich sogar als Stärke! Die Journalstin Salena Zito schrieb einmal in einem Kommentar: “Die Presse nimmt ihn wörtlich, aber nicht ernst; seine Anhänger nehmen ihn ernst, aber nicht wörtlich.” Tobin sagt, langsam wieder zum Kernthema zurückkommend:

“Egal, ob es sich um Kommentare oder Gesten handelt, es ist ein eklatanter Fehler, alles, was er tut, so zu behandeln, wie wir die wohlüberlegten Handlungen und Erklärungen beurteilen sollten, die zum Beispiel von der Biden-Administration in Bezug auf Israel oder ein anderes Thema gemacht werden. Ob gut oder schlecht, es wird nicht viel Einfluss darauf haben, was er nächste Woche sagt, geschweige denn, wie er nächstes Jahr regieren wird.”

Dazu käme, dass Trumps Verachtung für Presse, Koryphäen und sogenannte Experten in der Gasse über Jahre zugenommen hat.

Tobin glaubt, dass der beispielhafte Versuch eines “sanften Staatsstreichs” in Form der Russlandaffäre, mit der das politische geheimdienstliche Establishment das Wahrergebniss von 2016 zu kippen versucht hat, Trumps Regierungsarbeit erschwert hätte. “Das Verhalten vieler dieser Kräfte in Verbindung mit den Oligarchen des Silicon Valley, die seine Niederlage 2020 mit unfairen und unlauteren Mitteln sicherstellen wollten, verbitterte ihn zusätzlich und führte zu seinen unüberlegten Handlungen, die das Wahlergebnis in Frage stellten und in dem schändlichen Aufstand im US-Kapitol am 6. Januar 2021 gipfelten. Die anschließenden Bemühungen der Demokraten, ihn mit einer Lawfare-Kampagne im Stil einer Bananenrepublik ins Gefängnis zu bringen oder 2024 von den Wahlen auszuschließen, haben dazu geführt, dass Trump und große Teile der Republikanischen Partei die Berichterstattung der Mainstream-Medien über seine Kampagne einfach ignorieren.” Aus dem in den letzten Absätzen gehörten, ergibt sich Tobin zufolge, dass jede Analyse von Trumps Äußerungen zu einem Irrweg führten und: “Genau das gefällt ihm.”

Sich Gedanken machen über die Zukunft

Tobin meint, wir sollten uns fragen, ob die Wendung einiger rechter Politiker wie Carlson und Owens gegen Israel irgendeinen Einfluss auf ihn habe, denn beispielsweise wurde Carlson bei einem geselligen Beisammensein mit dem Trump-Klan gesehen – und der hatten ganz offensichtlich ein offenes Ohr für Trump, als er Präsident war. Doch einen Einfluss auf dessen Politik hatte dies keineswegs – weder in seiner Israel- noch in seiner Iran-Politik. Es gäbe einen großen Unterschied zwischen Trumps “America First”-Ansatz in der Außenpolitik und der eher isolationistischen “America only”-Haltung von Carlson und Owens, die – wie Tobin feststellt – “von Natur aus auch israelfeindlich ist”. “Carlson ist immer noch mehr Trumps Hofnarr als sein Berater, und der giftige Owens wird nicht mehr Einfluss auf ihn haben als der ebenso antisemitische Kanye West, den er dummerweise 2022 zum Dinner nach Mar-a-Lago eingeladen hat,” ist sich Tobin sicher, der erklärt, er glaube nicht, dass Trumps Streit mit Nethanjahu zwangsläufig die Politik gegenüber Israel beeinflussen würde, auch dann nicht,wenn beide im Januar 2025 an der Spitze ihrer jeweiligen Länder stünden.

“Für Trump ist alles ein Geschäft” stellt Tobin weiter fest. Er habe die Glückwünsche des israelischen Premierministers an Biden  zum Wahlsieg 2020 – zu denen er schließlich verpflichtet war – fälschlicher Weise als eine persönliche Beleidigung aufgefasst, doch Trump sei immer bereit, ehemaligen Feinden oder Kritikern zu verzeihen, wenn sie vor ihm “in die Knie gingen”. Würde er die Wahlen im November gewinnen, würde Netanjahu Trump wieder schmeicheln – genauso wie er es bereits damals getan hatte, als Trump in seiner Amtszeit als Präsident die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte, die israelische Souveränität über die Golanhöhen anerkannte, die Normalisierung zwischen Israel und gemäßigteren muslimischen Ländern unterstützte sowie unter Umgehung der Palästinenser Frieden mit der arabischen und der muslimischen Welt auf den Weg brachte. Sei dies der Fall, würde zwischen Trump und Nethanjahu “wahrscheinlich alles in Ordnung sein”.

Doch ein Wermutstropfen bleibt: Die Enttäuschung von Freunden Israels, dass Trump seit dem Massaker vom 7. Oktober nicht mehr getan hat, um den jüdischen Staat zu unterstützen. Diese Enttäuschung hält Tobin für gerechtfertigt.  Er hätte sich – selbst wenn er wollte, dass Israel gewinnt –  konsequent dazu äußern müssen. “Stattdessen waren die meisten seiner Kommentare selbstreferentiell”, stellt Tobin fest. “Seine Behauptung, dass, wenn er Präsident gewesen wäre – oder wenn Biden seine Politik gegenüber dem Iran, Israel und den Palästinensern übernommen hätte – der gegenwärtige Krieg nie stattgefunden hätte, mag wahr sein”, räumt Tobin ein, doch “die Gräueltaten vom 7. Oktober und der darauf folgende Anstieg des Antisemitismus hätten ihm Anlass sein sollen, seinen Drang zu überwinden, alles mit sich selbst in Verbindung zu bringen.” Es sei eben immer töricht zu erwarten, dass Trump etwas anderes ist als jene Person, die er immer war.

Tobin hält die Bilanz von Biden und Trump während ihrer Amtszeit als Präsident für die einzige Möglichkeit, sie hinsichtlich ihrer Israel-Politik zu vergleichen und kommt zu dem Schluss:

“Angesichts der derzeitigen Schwierigkeiten mit Washington, wo Biden Druck auf Israel ausübt, den Krieg zu beenden und die Hamas gewinnen zu lassen, erscheint die Vorstellung, dass es keinen Unterschied zwischen den beiden gibt, nicht sinnvoll.”

Das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Ich denke, Tobin hat Trumps Wesen messerscharf analysiert und seine Einschätzung hinsichtlich der Bedeutung von Trumps Aussagen im Bezug auf den Gaza-Krieg ist auch in meinen Augen richtig interpretiert. Tobins Kritik an Trumps Zurückhaltung hinsichtlich 7/10 – dem israelischen 9/11 – muss ebenfalls zugestimmt werden. Aber wie Tobin – und da drücke ich mich deutlicher aus als er – bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass Trump – ganz im Gegensatz zu Biden – wieder eine ausgesprochen israelfreundliche Politik machen wird, sollte er denn gewählt werden, – genauso wie er es in seiner ersten Amtszeit getan hat. Und Netanjahu wird nicht vor Trump “auf die Knie gehen” müssen, um das angespannte Verhältnis zwischen beiden zu kitten – da werden die eine oder andere freundschaftliche Geste vollauf genügen.

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