Im Rahmen der Beerdigung von Papst Franziskus haben sich Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj zu einem Gespräch getroffen, das von vielen Beobachtern als überraschend und unerwartet empfunden wurde. Aber ist das wirklich so überraschend?

Am 26. April 2025 trafen sich US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Vatikan im Rahmen der Trauerfeierlichkeiten für Papst Franziskus zu einem unerwarteten Gespräch. Das Gespräch wurde von beiden Seiten als „sehr produktiv“ bezeichnet. Beide Seiten äußerten sich positiv über das Treffen und bezeichneten es als symbolisch und möglicherweise historisch für die kommenden Friedensgespräche im Ukraine-Konflikt. Obwohl keine konkreten Vereinbarungen öffentlich gemacht wurden, stimmt schon allein das Treffen selbst etwas hoffnungsvoll.

Das Gespräch zwischen Trump und Selenskyj kann und wird als ein klares Zeichen des politischen Willens beider Staatsoberhäupter gewertet, den Frieden voranzutreiben. Dabei betonten beide, dass ein solcher Frieden gerecht für alle Beteiligten sein müsse. Trump äußerte sich nach dem Treffen besonders kritisch gegenüber den jüngsten russischen Raketenangriffen auf zivile Gebiete in der Ukraine und stellte infrage, ob Präsident Putin wirklich an einer Beendigung des Krieges interessiert sei.

In den Medien wird das Treffen auch positiv bewertet. Die Tatsache, dass sich die beiden Staatsoberhäupter nach dem diplomatischen Eklat im Februar erneut getroffen haben, wurde als Zeichen für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und als ein Schritt hin zu einem möglichen Friedensprozess gewertet. Aber war das Treffen im Februar wirklich ein Eklat?

Am 26. Februar 2025 fand das mittlerweile berüchtigte Gespräch im Weißen Haus statt. Während des Treffens äußerte Selenskyj Besorgnis über die langfristige Bedrohung durch Russland, nicht nur für die Ukraine, sondern auch für die westliche Welt. Trump reagierte darauf mit klaren Worten: „Sagen Sie uns nicht, was wir fühlen werden.“ Diese Bemerkung wurde als Ausdruck seiner Frustration über die Art und Weise verstanden, wie Selenskyj die Situation darlegte. Trump betonte, dass die USA nicht in einen Konflikt hineingezogen werden sollten, der nicht direkt ihre Interessen betrifft. 

Der Streit eskalierte weiter, als Trump Selenskyj vorwarf, die Unterstützung der USA als selbstverständlich zu betrachten und nicht ausreichend dankbar zu sein. Trump sagte: „Sie haben keine guten Karten in der Hand. Ohne uns haben Sie nichts.“ Er forderte Selenskyj auf, eine pragmatischere Haltung einzunehmen und Zugeständnisse zu erwägen, um einen Friedensprozess voranzutreiben. 

Selenskyj wurde auch kritisiert, weil er angeblich nicht angemessen gekleidet gewesen sei. Manche empfanden seinen legeren Auftritt als Respektlosigkeit gegenüber Trump und der feierlichen Situation. Viele Zuschauer und Kommentatoren fühlten sich regelrecht vor den Kopf gestoßen. In Europa und auch in Teilen der Ukraine wurde das, was zwischen Trump und Selenskyj geschah, als eine Art Verrat empfunden, eine Brüskierung, ein Schlag ins Gesicht derer, die auf absolute Solidarität gehofft hatten.

Ein paar Wochen später haben sich Trump und Selenskyj nun im Vatikan zu einem Vieraugengespräch getroffen, und für viele Menschen kommt dieses Treffen überraschend. Für mich kommt dieses Gespräch jedoch alles andere als überraschend. Ich habe nie daran gezweifelt, dass diese beiden Staatsoberhäupter sich irgendwann wieder treffen werden, um gemeinsam zu schauen, wie es einen Weg zum Frieden geben kann, und der Eklat im Weißen Haus war Teil des Weges.

Es gibt eine Sache, die immer wieder übersehen oder vielleicht sogar bewusst ignoriert wird: Sowohl Donald Trump als auch Wolodymyr Selenskyj sind Entertainer. Neben all ihren anderen politischen und wirtschaftlichen Tätigkeiten haben beide eine klare Geschichte als Persönlichkeiten der Unterhaltungsbranche. Selenskyj war ein Serien-Schauspieler und Komiker, Trump ein bekannter Moderator und aktives Mitglied der Showbranche. Beide haben sich in der Öffentlichkeit immer wieder als Entertainer inszeniert und verstehen die Mechanismen der Show und der Medien bestens.

Dies wurde besonders deutlich bei dem Treffen zwischen Selenskyj und Donald Trump, als es zu dem Eklat kam. Wer jedoch nicht ausblendete, dass sowohl Trump als auch Selenskyj aus der Unterhaltungsbranche kommen, dass Trump sogar ein aktives Mitglied und Produzent im Showbusiness  und in Showkämpfen war, der wusste, diesen vermeintlichen Eklat einzusortieren. Sowohl Selenskyj als auch Trump sind Entertainer. So wie sie das Handwerk der Unterhaltung gelernt haben, tragen sie auch politische Konflikte öffentlich aus. Der Streit wurde offen und transparent ausgetragen, beinahe wie eine öffentliche Inszenierung.

Es ist eine harte Wahrheit, die wir jedoch akzeptieren müssen: Auch wenn es hier um Krieg und Tod geht, auch wenn Krieg selbst niemals Entertainment sein darf, so bleibt doch die Tatsache bestehen, dass die beiden Oberbefehlshaber – der der Ukraine und der der Vereinigten Staaten – aus dem Entertainment stammen. Ihre Art zu kommunizieren, zu streiten und sich zu versöhnen, ist geprägt von dieser Herkunft, egal worum es geht. Man kann den Jungen aus dem Dorf holen, aber nicht das Dorf aus dem Jungen. Dieses Prinzip gilt auch für die Oberbefehlshaber der Ukraine und der Vereinigten Staaten von Amerika, selbst wenn sich die Länder im Streit miteinander befinden.

Für mich war immer klar, dass im moralischen Sinne und wenn es um grundlegende Werte geht, Donald Trump selbstverständlich ein Verbündeter von Wolodymyr Selenskyj ist, so wie die Vereinigten Staaten von Amerika vom Selbstverständnis her ein Verbündeter der Ukraine sind. Angesichts des russischen Überfalls auf das souveräne Recht der Ukraine und somit auf die Selbstbestimmung des Landes ist es völlig klar, dass Donald Trump auf der Seite der Ukraine steht – und zwar nicht aus Opportunismus oder politischem Kalkül, sondern aus Überzeugung. Das Recht auf Selbstverwaltung, auf Freiheit und auf nationale Souveränität gehört zu den Urprinzipien des amerikanischen Selbstverständnisses.

Diese Haltung hat tiefe historische Wurzeln. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind selbst aus einem Unabhängigkeitskampf hervorgegangen, nämlich aus der Emanzipation von der britischen Krone. Ebenso hat zum Beispiel auch die Schweiz ihre Freiheit durch die Emanzipation von der Habsburger Herrschaft erstritten. Heute sprechen die USA noch immer Englisch, die Sprache ihrer ehemaligen Kolonialmacht; in der Schweiz wird weiterhin ebenfalls Deutsch gesprochen, die Sprache der Habsburger. Und auch in der Ukraine ist die russische Sprache weiterhin präsent, obwohl das Land sich politisch, gesellschaftlich und kulturell vom russischen Imperium emanzipiert hat.

Es geht bei nationalen Emanzipationen nicht darum, kulturelle Verbindungen oder sprachliche Gemeinsamkeiten zu leugnen. Im Gegenteil: Oftmals sind es gerade Völker, die in Sprache und Kultur eng miteinander verbunden sind, die in einem langen und oft schmerzhaften Prozess ihre politische Selbstständigkeit erkämpfen müssen. So wie die Vereinigten Staaten sich von Großbritannien lösten und wie die Schweiz ihre Unabhängigkeit von Habsburg errang, so kämpft die Ukraine für ihre Freiheit von russischer Fremdbestimmung.

In allen drei Fällen zeigt sich, dass ein Volk das Recht hat, seine Souveränität auch mit Waffengewalt zu verteidigen. In den USA ist dieses Prinzip tief im zweiten Verfassungszusatz verankert: Das Volk soll in der Lage sein, sich gegen eine übergriffige Regierung zur Wehr zu setzen. In der Schweiz gehört es ebenfalls zur politischen Kultur, dass die Bürger zur Verteidigung ihrer Freiheit befähigt sind. Nicht umsonst war es lange üblich, dass nahezu jeder Bürger ein Sturmgewehr zu Hause hatte, um das Land im Ernstfall verteidigen zu können. Und in der Ukraine besteht heute ein ganz ähnliches Verständnis: Freiheit und Unabhängigkeit sind Werte, die notfalls auch mit militärischen Mitteln verteidigt werden müssen, selbst wenn der Gegner größer und scheinbar übermächtig ist.

Dabei darf man nicht übersehen: Der Feind ist zwar der Feind, aber er ist zugleich ein Teil der eigenen Familie. So, wie England und die Vereinigten Staaten kulturell und historisch eng verwandt sind, so wie die Schweiz und die Habsburger durch viele Bande miteinander verbunden waren, so sind auch Russland und die Ukraine historisch, sprachlich und kulturell eine Familie.

Im Kampf um Selbstbestimmung und Emanzipation sind jetzt auch die Vereinigten Staaten von Amerika und die Ukraine miteinander verwandt. Für mich kommt daher das sehr intime Gespräch zwischen Selenskyj und Trump nicht zufällig. Ich bin fest davon überzeugt, dass die USA und die Ukraine, Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj, Verbündete sind. Aber wie es bei Verbündeten und Freunden oft der Fall ist, streiten auch sie sich. Der Unterschied ist jedoch: Dieser Streit findet nicht hinter verschlossenen Türen statt, sondern er wird vor den Augen der Weltöffentlichkeit ausgetragen. Und auch das ist Teil der Realität, mit der wir konfrontiert sind: Beide, die Führer dieser Nationen, kommen aus der Unterhaltungsbranche. Sie sind es gewohnt, sich im öffentlichen Raum zu präsentieren – sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten. Sie müssen sich nun mit einem Krieg auseinandersetzen, den sie nicht begonnen haben, den sie aber zu verantworten haben.

Der Weg zum Frieden ist für sie daher nicht nur eine politische Herausforderung, sondern auch eine kulturelle, die sie auf ihre eigene Art und Weise angehen werden, ganz im Stil von Entertainern, die wissen, wie man im Rampenlicht steht, auch wenn die Bühne blutiger und schwerwiegender ist als je zuvor.

Jede Bühne hat aber auch einen Backstagebereich, und während der Streit, die Auseinandersetzung und der Kampf gerne auf der Bühne stattfinden, so werden die wirklich wichtigen inneren Dinge backstage geklärt – und auch das wird hier der Fall sein. Trump und Selenskyj werden sich auch privat treffen, unter vier Augen. Und auch dort werden sie ein wenig die Entertainer bleiben, die sie sind. Sie werden sich gewiss auch streiten, aber sie werden sich auch versöhnen – und vor allem, und da bin ich mir sicher, sie werden einen Weg finden, wie es zu einem Frieden kommen kann.

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