- von Michael Freund, Jerusalem Post, 24. Oktober 2025 (und auf seinem Blog)
- übernommen von Abseits vom Mainstream (HEPLEV)
Nach fast zwei Jahren Krieg ist es verlockend, den anhaltenden Waffenstillstands zwischen der Hamas und Israel als Erleichterung zu begrüßen, die dem Land die Möglichkeit gibt innezuhalten, sich neu zu formieren und gemeinsam zu Atem zu kommen.
Verlockend, aber tollkühn, denn die Wahrheit ist, dass die Terroristen im Gazastreifen noch lange nicht eliminiert sind.
Am Montagabend berichtete Hallel Bitton Rosen von Kanal 14 exklusiv, dass die militärischen Fähigkeiten der Hamas nach der jüngsten Geheimdiensteinschätzung Israels immer noch besorgniserregend stark seien.
Die Organisation zählt 20.000 Terroristen in ihren Reihen, aufgeteilt in sechs Brigaden mit jeweils vier Bataillonen. Ihr Arsenal umfasst Hunderte von Raketen, von denen viele Tel Aviv treffen können, sowie Tausende von Panzerfäusten und Sprengsätzen, die gegen israelische Soldaten und Zivilisten eingesetzt werden können.
Unglaublicherweise besagt die Geheimdiensteinschätzung, dass die Hälfte des Tunnelnetzes im Gazastreifen aus der Vorkriegszeit noch in Betrieb ist.
Der Bericht stellte zwar fest, dass die Hamas in den vergangenen 24 Monaten erheblich geschwächt wurde, kam aber zu dem Schluss, dass sie immer noch in der Lage sei, gezielte Infiltrationsangriffe auf Israel zu starten.
Nicht weniger beunruhigend ist die Schlussfolgerung des Geheimdienstdokuments, dass die Hamas den Waffenstillstand als vorübergehende Pause betrachtet, die es ihr ermöglicht sich neu zu formieren und aufzurüsten.
Diese Ergebnisse deuten nicht auf einen besiegten Feind hin. Vielmehr sind sie Warnsignale eines Gegners, der nur darauf wartet, ein weiteres Massaker zu verüben.
Ebenso beunruhigend ist die Art und Weise, wie Israel auf die dreisten Verletzungen des Waffenstillstands durch die Hamas reagierte. Dazu gehörten die Weigerung der Hamas, die sterblichen Überreste aller in ihrer Gewalt befindlichen Geiseln herauszugeben und der Terroranschlag am 19. Oktober, bei dem zwei IDF-Soldaten getötet wurden.
Während Israel verschiedene Hamas-Ziele im Gazastreifen bombardierte, kündigte es an, dass keine humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelangen werde, bis die Terrororganisation ihren Teil der Abmachung erfülle.
Doch innerhalb weniger Stunden kapitulierte die Regierung vollständig vor dem amerikanischen Druck, stoppte alle Vergeltungsmaßnahmen und ließ die Hilfslieferungen wieder zu. Dadurch konnte die Hamas einer umfassenden Vergeltung entgehen, was eine unfassbare Schwäche demonstrierte.
Was sagt uns das?
Erstens: Israel gibt nicht mehr den Zeitplan vor; die Initiative verlagert sich. Wenn der Verhandlungstisch zur Belohnung für Terrorismus wird, wenn der Feind den Kriegsrhythmus diktiert, anstatt vernichtet zu werden, ist ein tiefgreifender Wandel eingetreten.
Zweitens läuft Israel Gefahr, dass die Hamas weiterhin eine unerträgliche Bedrohung darstellt. Im Waffenstillstand waren die beiden Hauptforderungen für Israels Sicherheit die vollständige Freilassung der Geiseln und die Entwaffnung der Hamas. Der militärische Vorstoß vor Ort, so hoffte man, würde die Hamas so weit schwächen, dass sie nicht einfach wiederaufbauen und erneut zuschlagen könnte. Stattdessen akzeptierte Israel ein Abkommen, dessen zweite Phase keine festen Zeitpläne für die Entwaffnung der Hamas enthält, sodass die Angelegenheit vage und offen bleibt.
Drittens verschafft der Waffenstillstand der Hamas eine Atempause. Auch wenn die aktiven Kampfhandlungen vorerst deutlich zurückgegangen sind, besteht die terroristische Infrastruktur wie Tunnel, Bataillone und Raketenarsenale weiter. In gewisser Weise wurde Israels strategisches Ziel, die Hamas zu „vernichten“, verschoben. Man hofft, dass es nicht ganz fallen gelassen wurde, aber es wurde mit Sicherheit verschoben.
Wenn ein Land einen Waffenstillstand schließt, ohne den Feind vollständig besiegt zu haben, ist die Botschaft nicht mehr die der Dominanz, sondern der Erschöpfung.
Lassen Sie es mich deutlich sagen: Waffenstillstände sind nicht grundsätzlich schlecht. Sie können Leben retten und der aktuelle hat die letzten 20 lebenden israelischen Geiseln zu ihren Familien zurückgebracht.
Aber in diesem Fall ist die zweite Phase des Waffenstillstands genau der falsche Mechanismus zur falschen Zeit. Sie signalisiert unseren Feinden, dass sie durch Gewalt und Ausdauer günstige Bedingungen aushandeln können. Sie signalisiert unseren Verbündeten, dass wir möglicherweise bereit sind, weniger als den Sieg zu akzeptieren. Und sie signalisiert unserem Volk – den Familien der Gefallenen sowie den Soldaten, die sich noch in Gefahr befinden –, dass das Risiko, das wir eingegangen sind, um zu kämpfen, möglicherweise nicht das versprochene Ergebnis bringt.
Was sollte Israel stattdessen tun? Nicht versuchen, den Krieg zu unterbrechen, sondern ihn zu gewinnen. Das bedeutet nicht nur, die Fähigkeiten der Hamas zu reduzieren, sondern sie als Bedrohung vollständig zu beseitigen. Nichts weniger als vollständige Entwaffnung, die Zerschlagung aller Terrortunnel-Netzwerke und die vollständige Auflösung der Organisationsstruktur der Hamas. Es bedeutet, die Botschaft zu senden, dass Terrorismus nicht mit Verhandlungsmacht belohnt wird.
Es überrascht nicht, dass die Hamas die Bedingungen des Waffenstillstands verletzt hat. Nun muss sie dafür bezahlen.
Die Familien unserer gefallenen Helden in der IDF und die Nation als Ganzes verdienen mehr als nur einen Waffenstillstand. Sie verdienen die Gewissheit, dass der Feind, der so viele Menschen abgeschlachtet hat, nicht unangetastet bleiben wird.
Jede Stunde, die im Gazastreifen ein Waffenstillstand herrscht und die Hamas nicht vollständig und unumkehrbar besiegt wird, ist eine Stunde, in der die zukünftige Sicherheit Israels gefährdet bleibt.

