Buchbesprechung: David Winder: Mysterien der Bronzezeit

* von Roland M. Horn

David Winder:
Mysterien der Bronzezeit: Von Atlantis bis Troja. Über die großen Sagen und deren einzig richtige Deutung.  Selbstverlag, Daisendorf, 2020
ISBN: 978-3-00-067068-8
Preis: EUR 4,99
TB, 93 Seiten

Die bereits von Paul Borchardt vertretene These, nach der Atlantis in Tunesien lag, zu ergänzen und anhand weiterer Fakten zu erhärten, ist eine Sache, die willkürliche Anpassung von Überlieferungen, um das gewünschte Ziel zu erhalten, eine andere.

Der Autor propagiert die einstige Existenz eines Goldenen und später eines silbernen Geschlechts. Interessanterweise übernimmt er ausgiebige Passagen aus der als Fälschung geltenden Oera-Linda-Chronik, die einst als Beleg für die Theorie, dass Atlantis in Altfriesland lag, verwendet wurde, vollkommen kritiklos. Aus dieser und anderen Überlieferungen schließt er auf einen Kataklysmus, den es zweifellos auch gegeben hat. Mit diesem Kataklysmus lässt er das „Silberne Zeitalter“ enden und setzt die biblische Sintflut hier an. Danach kam das „Bronzene Geschlecht“. Insgesamt habe es drei Kataklysmen und drei Zwischenzeiten gegeben. Die biblische Sintflut legt der Autor auf 1050 v. Chr. fest. Sie habe das „Bronzene Zeitalter“ beendet.

Weiter behauptet der Autor, dass die Typhon-Sage aus der griechischen Mythologie, der Seevölkersturm und der Trojanische Krieg in Wirklichkeit ein und dasselbe Ereignis waren. Im Zusammenhang mit diesem Ereignis „gönnt“ er es den jüdischen Redaktoren des Pentateuch „durchaus“, dass sie „es aus Eitelkeit mit der historischen Wahrheit nicht allzu ernst genommen haben, indem sie aus einer schlimmen Niederlage einen berauschenden, gottgewollten Sieg machten, doch nun ist klar geworden, das am Schilfmeer [das oft mit dem Roten Meer verwechselt wird] einzig der Pharao als großer Sieger hervorgegangen ist.“ (S. 30) Dies schließt er daraus, dass der „Durchzug durchs Rote Meer“, (das er aber richtigerweise als „Schilfmeer“) bezeichnet, „von den Ereignissen um die Seevölker nicht zu trennen ist.“

Irgendwann nach seinen etwas wirr erscheinenden Darlegungen stellt Winder im Einklang mit Albert Hermann und Ulrich Hofmann plötzlich und überraschend fest, dass auf der Basis der „reinen Vernunft“ und „ohne irgendwelchen esoterischen Spinnereien Raum zu geben“ zu der unumstößlichen Feststellung, dass Atlantis in Nordafrika lag.

Unter Heranziehung der von Dr. Albert Hermann publizierten „Erdkarte der Urbibel“ kommt er in diesem Zusammenhang auf die Hebräer zu sprechen, die einst vom Tritonsee im heutigen Tunesien auszogen, „um vor der unbarmherzigen Sonne und der immer weiter voranschreitenden Sahara zu fliehen, in der Hoffnung im Osten eine neue Heimat zu finden.“ (S. 35)

An Platon, der als erster von der Insel Atlantis sprach, übt er heftige Kritik. Der habe selbst „den vielen Spinnereien durch eine irrige Zeitangabe, mancherlei Vorschub geleistet.“ Winder schließt aufgrund seiner bisherigen zusammengewürfelten und angepassten Theorien, dass Platos Zeitangabe falsch ist. Man kommt nicht drumherum, dem Autor ein sehr willkürliches Vorgehen zu unterstellen. In diesem Zusammenhang spricht Winder auch von einer „falsche Ortung der Säulen des Herakles“, die „viel Unheil gestiftet“ hätten. Allerdings muss gesagt werden, dass Platons Identifizierung der Säulen von Herakles als die Straße von Gibraltar mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit richtig ist!

Im Gegensatz zu Plato avanciert ausgerechnet Herodot, in dessen Überlieferungen sich – wie der Autor auch selbst zugibt – einige Widersprüche befinden, zum „Größten aller Historiker“. Winder glaubt allen Ernstes, die Widersprüche dadurch lösen zu können, dass, wenn Herodot von Min bzw. Menes oder Cheops spricht, gar nicht die Pharaonen am Nil gemeint sind, sondern „Herrscher am Tritonsee“ in Tunesien. Hin und wieder versucht der Autor, seine skurrilen Behauptungen mit Sätzen wie „So und nicht anders ist es gewesen.“ zu bekräftigen. Der Ausdruck „Nil“ für den Fluss in Ägypten habe sich aus dem griechischen Ausdruck „neilos“ eingebürgert.

Die „große arische Wanderung“ ging nicht vom Osten, sondern dem Wesen aus, wenn man Winder folgt.

Ein recht unbehagliches Gefühl regt sich, wenn man die Ansicht des Autoren liest, dass die Hebräer ursprünglich eine rote Hautfarbe hatten und von den Hamiten abstammten. Damit sind nur in bedingtem Umfang die Söhne des biblischen Ham gemeint, sondern es wird Bezug auf die sogenannte Hamitentheorie genommen, die die Überlegenheit einer in Nordafrika verorteten „hamitischen Rasse“ über die sogenannte negroide Bevölkerung Afrikas postulierte. Es muss erwähnt werden, dass diese Theorie in Deutschland nach der Nazi-Zeit in Deutschland vollkommen in Misskredit geriet. Für Winder steht dagegen fest: „Die sagenhaften Hamiten waren also saumtierzüchtende Eselnomaden von rötlicher Hautfarbe (…) (S, 53) Der nachfolgende Satz: „Es kann also gar kein Zweifel darüber obliegen, dass die Vorväter der Juden, die Hebräer, saumtierzüchtende Eselnomaden waren, welche den Karawanenhandel und damit den Welthandel der damaligen Zeit in ihren Händen hielten“, (S. 54) gibt zu denken.

Doch es kommt noch dicker: „Die Hebräer waren heimatlose, herumtreibende Eselsnomaden, welche von Kain abstammend, weite Teile der damals bekannten Gebiete durchquerten,“ stellt Winder fest und erklärt: „Es war sehr klug von den später auftretenden jüdischen Redaktoren, über die nachträgliche Zufügung des Stammbaums von Seth die eigentliche Abstammung von Kain zu verschleiern, (…) (S. 58) So einfach kann man den Mörder Kain anstelle von Seth zum Stammvater des jüdischen Volkes machen. Dass sich die sesshaften Ägypter nicht mit den Eselsnomaden an einen Tisch setzen wollten, ist für Winder nicht verwunderlich.

Es wird aber immer schlimmer, denn Winder setzt Jahwe, den Gott des Alten Testamentes, mit dem Teufel gleich. Und noch krasser: „Der Esel wurde zum Gott der Herumtreibenden der Nomaden, ob er nur Jahwe, Seth oder Typhon genannt wurde.“ Die Farbe „Rot“ ist Winder zufolge die Farbe der Juden (beruhend auf ihre angebliche ursprüngliche Hautfarbe), des Kommunismus, des Teufels und – Vorsicht Triggerwort – „der Rothschild-Dynastie“.

Was am Anfang als eine harmlose vielleicht etwas unausgegorene Theorie erscheint, gerät in der Folge immer mehr in die Nähe der jüdisch/bolschewistischen Verschwörungstheorie. Einfach nur noch widerlich!

(Erstveröffentlichung auf Atlantisforschung.de)

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