Das Geheimnis von Netanyahus nicht anerkannter und historischer Beliebtheit

Zum großen Teil wird das internationale Narrativ zum Premierminister von der Berichterstattung der Medien über Israel geformt. Aber die israelische Öffentlichkeit kauft ihnen das nicht ab.

Es war seltsam Martha MacCallum von Fox News gestern von der „Unbeliebtheit“ des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu reden zu sehen. MacCallum ist eine offene und ehrliche Journalistin. Wie kommt es dann, dass sie nicht weiß, dass Netanyahu der beliebteste Premierminister ist, den Israel seit einer Ewigkeit hat?

Direct Polls ist Israels genauester Umfrage-Firma. Sie ist die einzige, die den Ausgang der Knessetwahlen 2022 genau vorausgesagt hat, mit der Netanyahu und sein rechts-religiöser Block an die Macht zurückkehrte. Im Verlauf des letzten Jahres schaffte Direct Polls, was zuvor als unmöglich galt: Sie führte durchgehend genaue Meinungsumfragen zu deutlich kleineren, lokalen Wahlen durch.

Netanyahus Beliebtheit sank unmittelbar nach der Hamas-Invasion vom 7. Oktober und dem Gemetzel an 1.200 Israelis. Aber sie begann sich Ende November zu erholen. Nachdem Benny Gantz, Vorsitzender der Nationalen Widerstandspartei, im Juni aus Netanyahus Regierung austrat, stieg Netanyahu in den Umfragen von Direct Polls – er führt gegenüber Gantz und Oppositionsführer Yair Lapid, Parteichef der Yesch Atid, bei direkten Vergleichen zweistellig. In den Monaten dazwischen ist der Abstand zwischen Netanyahu und seinem Rivalen stetig gewachsen.

Am Sonntag, zwei Tagen, nachdem Israel Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah eliminierte, veröffentlichte Direct Polls eine ihrer jüngsten Umfragen für Kanal 14. Sie stellte fest, dass die Parteien, die Netanyahus Regierungskoalition bilden, zum ersten Mal seit dem 7. Oktober bei den Knessetsitzen eine absolute Mehrheit hätten. Würde heute gewählt, würde die Regierung wiedergewählt.

Was Netanyahu angeht, so hat seine Beliebtheit im polarisierten Dschungel der israelischen Politik enorme Ausmaße angenommen; er genießt höhere Zustimmungswerte als seine beiden Rivalen zusammen. In direkten Vergleichen führt er vor Gantz mit 52% zu 25% und vor Lapid mit 54% zu 24%.

Jedes Mal, wenn Netanyahu die Straße entlang geht oder seine Kolonne an Fußgängern vorbeifährt, rufen sie ihm ihre Unterstützung zu und wollen Selfies mit ihm machen. Der israelische Soziologe Dr. Avishai Ben Haim hat festgehalten, dass Netanyahu der einzige Premierminister seit Menachem Begin ist, dessen Anhänger aktiv für ihn persönlich beten.

Trotz Netanyahus großer Beliebtheit bleibt das Medien-Narrativ in Israel und weltweit da stehen, wo es unmittelbar nach dem 7. Oktober stand. Das Standard-Mantra ist das von MacCallum am Dienstagabend nachgeplapperte. Die dahintersteckende Botschaft lautet: Netanyahu zieht den Krieg in die Länge, um Wahlen zu vermeiden.

Abgesehen davon, dass das völlig danebenliegt, verschleiert die Behauptung, Netanyahu sei unbeliebt und ziehe den Krieg in die Länge, um Wahlen zu vermeiden, die Bedeutung dessen, was Netanyahu tut. Wenn der Krieg auf eine Frage der Politik reduziert wird, dann können wir seine strategische Bedeutung ignorieren. Und wenn wir die strategische Bedeutung des Krieges ignorieren, dann können wir auch das Thema der Umfragen ignorieren, die zeigen, dass die Öffentlichkeit sich auf eine Weise um Netanyahu versammelt, die kein israelischer Führungspolitiker in jüngerer Vergangenheit erfahren hat. Und wenn wir die Umfragen ignorieren, dann können wir die Gründe für Netanyahus historische Beliebtheit ignorieren.

Aber seine Beliebtheit zu verstehen, ist der Schlüssel nicht nur die politischen Realitäten Israels zu verstehen, sondern die Kräfte, die alles antreiben.

Die Quellen von Netanyahus Beliebtheit

Netanyahus Unterstützung kommt aus zwei Quellen. Die erste ist die Anerkennung der Öffentlichkeit, dass Israel um sein Überleben kämpft. Die zweite ist die Feindseligkeit der Administration Biden/Harris.

Der 7. Oktober war ein niederschmetterndes Ereignis. Er war nicht nur ein massiver Terroranschlag. Für die Israelis war es ein kurzer Blick in die Zukunft, sollte Israel den Krieg nicht gewinnen. Er zeigte den Israelis, dass wir uns in einem Nullsummenspiel mit dem Iran und seinen Terror-Handlangern befinden. Mit der Hamas, Hisbollah oder dem iranischen Regime kann man keinen Deal machen. Entweder sie gewinnen und Israel wird ausgelöscht oder Israel gewinnt und sie sind als militärische und politische Einheiten zerstört. Es gibt nichts dazwischen, keinen Win-Win-Deal.

Die Administration Biden/Harris hat zwar seit dem 7. Oktober Solidarität mit Israel bekundet, aber der Tag der Gräueltaten der Hamas hat die politischen Ziele der Hamas nicht verändert. Sowohl vor als auch seit dem 7. Oktober hat die Administration Biden/Harris im Nahen Osten zwei Ziele gehabt – über strategisches Appeasement eine Atom-Vereinbarung mit dem Iran zu erzielen und einen Palästinenserstaat in Jerusalem, Judäa und Samaria sowie dem Gazastreifen zu gründen.

Aber beide Ziele werden von der überwältigenden Mehrheit der Israels abgelehnt, die sowohl einen Palästinenserstaat als auch einen atomar bewaffneten Iran als existenzielle Bedrohungen für das Land betrachten. Angesichts der Welle an emotionaler Unterstützung, die die Israelis von Präsident Joe Biden und seinen Beratern nach dem 7. Oktober erhielten, erwarteten die Israelis vernünftigerweise, dass die Administration ihre israelfeindliche Politik fallen lässt.

Aber die Administration machte das nicht. Stattdessen gaben Biden/Harris nur wenige Tage nach dem 7. Oktober $6 Milliarden iranischer Konten frei und überwiesen sie an Teheran. Trotz Bergen an Beweisen bestritt die Administration, dass der Iran an der Planung und Genehmigung der Invasion der Hamas-Terroristen beteiligt war. Und sie ignorierte die Tatsache, dass mehr als 75% der Palästinenser das Gemetzel dieses Tages befürworteten und kein PA-Vertreter die Gräueltaten verurteilte.

Weit davon entfernt sich an die Seite Israels zu stellen, begann die Administration schon am 8. Oktober mit einer Politik der Manipulation Israels. Sie deutete an, dass es auf der Kippe zu Kriegsverbrechen stehen, indem sie darauf bestand, dass Israel unter Einhaltung des „Kriegsrechts“ kämpft, als gebe es einen Grund anzunehmen, dass es das nicht ohnehin tun würde.

Nur einen Monat nach Beginn der Bodenoperationen im Gazastreifen begann die Administration mit der Verzögerung von Offensivwaffen, darunter alles von Sturmgewehren und Kugeln über Panzer- und Artilleriegeschoss  und Bomben für die Jets der Luftwaffe. Die einzigen Waffen, die kontinuierlich geliefert wurden, waren Raketen für die Eiserne Kuppel.

Aus Sicht der Administration hat Israel das Recht sich zu verteidigen, aber nicht zu siegen. Dazu strebte die Administration an Israels Militäroperationen bis ins kleinste bestimmen zu wollen und die strategische Bedeutung zu bagatellisieren. Die Israelis erkannten, dass um ein Unentschieden zu kämpfen bedeuten würde besiegt zu werden.

Gantz, Lapid und Verteidigungsminister Yoav Gallant waren alle bereit die Haltung der Administration zu akzeptieren. Das entsprach der Art und Weise, wie sich das Militär Jahrzehnte lang verhalten hatte. Darüber hinaus wurden sie dadurch, dass sie das Diktat der Administration akzeptierten, von dieser mit Lob überschüttet. Die Netanyahu hassenden Medien nutzten ihr Liebesfest mit dem Weißen Haus und dem Pentagon als Mittel sie als Staatsmänner vorzustellen und Netanyahu als isolierten Egomanen, der den Kampf nur deshalb fortführt, um Neuwahlen zu vermeiden.

Aber die Öffentlichkeit kauft den Medien ihr Narrativ nicht ab. Netanyahu wird alles andere als egoistisch betrachtet; sie sieht ihn als ihre einzige Hoffnung die nationale Vernichtung zu verhindern. Ab den frühen Phasen des Krieges zeichnete sich Netanyahu als einziger Führer aus, den die Öffentlichkeit sah: Israel sieht sich Feinden gegenüber, die jeden einzelnen Juden töten wollen, der ihnen über den Weg läuft und wenn wir sie nicht besiegen, werden sie das tun.

Allein Netanyahu versprach öffentlich und wiederholt, dass er nicht zulassen würde, dass Israels gefallene Soldaten vergeblich gestorben sind und bei den Kriegsanstrengungen nicht nachlassen würde. Während der Druck der USA immer stärker zunahm und aggressiver wurde, war er auch der einzige, der nicht wankte.

Die Administration reagierte auf Netanyahus Weigerung, nichts anderes als eine Sieg zu akzeptieren, mit offener Einmischung in israelische Politik mit dem klaren Ziel, ihn entweder innerhalb seiner Regierung zu neutralisieren oder ihn von der Macht zu drängen. Um das erste Ziel zu erreichen, nutzten Biden, US-Außenminister Anthony Blinken und ihre Untergebenen den öffentlichen Ruf nach nationaler Einheit dazu Netanyahu zu zwingen Gantz praktisch Veto-Macht bei militärischen Operationen zu geben, indem er zum Partner im Kriegskabinett wurde. Aus seiner Position war Gantz in der Lage Israels Militäroperationen im Sinn der US-Diktate ständig zu schwächen. Die Administration war zudem tief in Gantz‘ Entscheidung im Juni verstrickt, die Regierung zu verlassen. Die Idee war, dass Gallant nach Gantz‘ Abgang vier Likud-Abgeordnete in der Knesset dazu bringen sollte, zusammen mit ihm die Regierung zu verlassen und eine alternative Koalition mit der Linken zu bilden. Gallant war aber nicht in der Lage, den Plan auszuführen. Und ohne Gantz verschärfte Netanyahu zügig die Gangart und die Effektivität der Kriegsanstrengungen Israels im Gazastreifen. Die Öffentlichkeit unterstützte Netanyahus Schritte stark. Jede Chance, dass Likud-Abgeordnete sich der Opposition anschließen würden, verschwand.

Netanyahu wurde durch die symbiotische Beziehung, die die Administration Biden/Harris mit der israelischen Linken aufgebaut hatte, politisch nicht geschwächt, wie es die Medien und ihre politischen Verbündeten von der Linken angenommen hatten. Im Gegenteil. Da die Öffentlichkeit mit Netanyahu übereinstimmte, dass dieser Krieg einer ums Überleben ist, wurde sich die Öffentlichkeit immer mehr bewusst, dass die Gegnerschaft der Administration zu einem israelischen Sieg bewusst und ihre Unterstützung für Netanyahu nahm zu. Genauso wurden Politiker wie Gallant, Lapid und Gantz, die als mit guten Beziehungen zur Administration Biden wahrgenommen werden, zum Ziel von Misstrauen.

Was Netanyahus Zustimmungsraten aus dem eindrucksvollen Bereich der 40-er in die (für israelische Verhältnisse) stratosphärischen Bereich über 50 brachte, war seine Reise Ende Juli nach Washington. Die Israelis betrachten die Allianz zwischen den USA und Israel als strategische Notwendigkeit. Während sie also Netanyahus Weigerung sich amerikanischem Druck zu beugen, machten sie sich Sorgen, dass die Medien recht hätten, wenn sie ihn beschuldigen die Beziehungen Israels zu den USA zu zerstören.

Die begeisterte Reaktion, die Israel von Abgeordneten beider Parteien erhielt, als er seine Rede vor beiden Häusern des Kongresses hielt und nach seinen erfolgreichen Treffen mit Biden, Vizepräsidentin Kamala Harris sowie dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump demonstrierten der israelischen Öffentlichkeit, dass Netanyahus Streben nach einem Sieg die US-Unterstützung für Israel überhaupt nicht dämpfte. Netanyahus größter Sprung bei der Zustimmungsrate folgte nach diesem Besuch.

Der Zweck des Märchens von Netanyahus Unbeliebtheit

Das bringt uns zurück zu dem anhaltenden Märchen zu Netanyahus Unbeliebtheit. Das internationale Medien-Narrativ zu ihm wird zu einem großen Teil von der Berichterstattung der israelischen Medien geformt. Mit der bemerkenswerten Ausnahme von Kanal 14 haben Israels Print- und elektronischen Medien eine zentrale Rolle bei den langjährigen Bemühungen gespielt den Premierminister mit dem Ziel zu dämonisieren ihn von der Macht zu drängen. Dafür ist die Berichterstattung seit den frühen Phasen des Krieges defätistisch und demoralisierend. Zum Beispiel reagierten Korrespondenten und Kommentatoren von Kanal 12 auf die Ankündigung der IDF am 27. September, dass Nasrallah getötet wurde, mit traurigen Gesichtern und kaum verborgener Enttäuschung. Im Gegensatz dazu war die Öffentlichkeit  von der Nachricht begeistert und motiviert.

Damit, dass sie darauf bestehen, dass Netanyahu unbeliebt ist und seine Unbeliebtheit seine Entschlossenheit antreibt, den Krieg zu gewinnen, treiben die Medien ein Narrativ an, das die strategischen Auswirkungen der Beendigung des Kriegs ohne Sieg über die Hamas, die Hisbollah oder den Iran ignoriert.

Aber die Öffentlichkeit kauft ihnen das nicht ab. Netanyahu unterstützt ihn, weil er damit, darauf zu beharren, um jeden Preis bis zum Sieg zu kämpfen und dann hartnäckig an seinem Versprechen festhielt, das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückgewann. Und jetzt, wo seine Entschlossenheit Siege einbringt, lässt Netanyahus unnachgiebige Entschlossenheit von Tag zu Tag seine Beliebtheit zunehmen und lässt die Administration, die Opposition und die Medien in den Augen der israelischen Öffentlichkeit zunehmend lächerlich und irrelevant erscheinen.

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