(Quelle Beitragsbild oben: By The White House – https://www.flickr.com/photos/202101414@N05/54907612877/, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=178027275)
Die USA wollen in den Vereinten Nationen eine Resolution zu Gaza durchsetzen, die den „Trump-Plan“ von 2025 abstützen soll. Doch zwischen diplomatischen Kompromissen und gefährlicher Unschärfe droht Israel die Kontrolle über seine Sicherheitsinteressen zu verlieren.
Die amerikanische Regierung treibt im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution voran, die den politischen Rahmen für die Nachkriegsordnung in Gaza festlegen soll. Sie soll die internationale Legitimität für die Umsetzung des sogenannten „Trump-Plans“ schaffen – eine Blaupause, die seit September 2025 auf dem Tisch liegt.
Der Entwurf sieht vor, eine Übergangsverwaltung in Gaza einzusetzen: eine palästinensische Technokratenregierung unter Aufsicht einer „Missionsstruktur zur Stabilisierung“ (ISF), unterstützt von arabischen Staaten wie Ägypten, Jordanien und den Golfmonarchien. Eine „Friedenskommission“ – unter amerikanischer Führung – soll die politischen Prozesse überwachen, während die Kontrolle über Gaza schrittweise an die reformierte Palästinensische Autonomiebehörde übergeben werden soll.
Auf dem Papier klingt das nach Ordnung. In der Praxis birgt es Risiken, die tief ins Herz israelischer Sicherheitsinteressen schneiden.
Für Israel bleibt das Ziel unverändert: Hamas muss entwaffnet werden, Gaza vollständig demilitarisiert, jeder Wiederaufbau an die Bedingung der Entwaffnung geknüpft. Doch der vorliegende Entwurf verwischt genau diese Linien.
Die ISF soll „den Prozess der Entwaffnung sicherstellen“, ohne klar zu definieren, wer das Entwaffnen tatsächlich durchführt, falls Hamas sich weigert. Das Dokument spricht von „lokalen Polizeikräften“, die künftig Sicherheit garantieren sollen – eine Formulierung, die das Eingreifen ausländischer Truppen vermeiden soll, aber in Wahrheit ein gefährliches Machtvakuum eröffnet.
Wenn Hamas ihre Waffen nicht freiwillig abgibt, droht ein Szenario, das Israel nur zu gut kennt: eine symbolische Überwachung ohne tatsächliche Entwaffnung. Schon jetzt befürchten israelische Sicherheitskreise, dass die Resolution faktisch den Wiederaufbau des Hamas-Systems ermöglichen könnte – unter humanitärem Deckmantel.
„Man kann nicht gleichzeitig entwaffnen und wiederaufbauen, solange die Täter noch Waffen tragen“, sagte ein ehemaliger Offizier in Jerusalem. „Diese Logik hat schon nach Oslo versagt.“
Besonders problematisch ist, dass der US-Entwurf keine rechtliche Grundlage für eine dauerhafte israelische Sicherheitspräsenz in Gaza vorsieht. Israels Verteidigungsstrategie basiert jedoch darauf, in kritischen Situationen frei agieren zu können – mit präventiven Schlägen, gezielten Operationen und Geheimdienstaktivitäten.
Sollte der Sicherheitsrat die Resolution in der derzeitigen Form verabschieden, könnte Israel in einem diplomatischen Korsett enden: jede Operation müsste mit internationalen Kräften koordiniert, jede Reaktion abgestimmt werden. Damit würde die israelische Armee de facto einem multilateralen Aufsichtsgremium unterstellt – ein Zustand, der die strategische Bewegungsfreiheit Israels erheblich einschränken würde.
Donald Trump selbst hatte in seiner 20-Punkte-Vereinbarung vom Oktober mit Ägypten, Katar und der Türkei betont, dass Israel „volles Interventionsrecht“ behalten müsse, falls die Sicherheit bedroht ist. In der UN-Fassung aber fehlt dieser Satz.
Die amerikanische Vision eines „arabischen Stabilisierungskorps“ klingt nach pragmatischer Lösung: muslimische Soldaten sollen zwischen Israel und Gaza vermitteln, Terrorstrukturen zerschlagen und zivile Ordnung sichern. Doch keine der angefragten Staaten – weder Ägypten noch Jordanien – hat bislang Bereitschaft gezeigt, Truppen in ein Gebiet zu schicken, das noch immer von Hamas-Kämpfern durchsetzt ist.
Israelische Analysten warnen: Sollte die ISF in Gebieten operieren, die nicht vollständig unter Kontrolle sind, könnte sie selbst zur Zielscheibe werden – und Israel wäre dennoch politisch verantwortlich.
Washington steht damit zwischen zwei widersprüchlichen Zielen: Einerseits will es Israel militärisch den Rücken stärken, andererseits will es internationale Zustimmung – auch von Russland, China, Pakistan und Algerien, die im Sicherheitsrat sitzen. Diese Staaten werden versuchen, die Resolution mit Zusätzen zu verwässern: Forderungen nach einem israelischen Rückzug, nach einer „Zweistaatenlösung“ oder nach UNO-Aufsicht über die ISF.
Für Israel bedeutet das: Jede diplomatische Einigung könnte am Ende als Einschränkung seiner Souveränität zurückkehren.
Darum drängen israelische Diplomaten hinter den Kulissen auf sogenannte „side letters“ – geheime Zusatzvereinbarungen mit Washington, die Israels Handlungsfreiheit auch nach einer UN-Resolution sichern. Sie sollen festlegen, dass Israel militärisch eingreifen darf, wenn Hamas wieder aufrüstet oder internationale Kräfte versagen.
Trotz aller Risiken erkennt Jerusalem, dass der US-Plan auch Chancen birgt. Eine international legitimierte Demilitarisierung würde Israels sicherheitspolitische Position stärken, das Verhältnis zu moderaten arabischen Staaten festigen und die diplomatische Isolation seit dem Iran-Krieg teilweise beenden.
Doch diese Chancen bestehen nur, wenn die Resolution klare Bedingungen setzt – nicht, wenn sie aus politischen Rücksichten zur Fassade wird.
Israel hat schon zu oft erlebt, dass die Weltgemeinschaft dort von „Frieden“ spricht, wo in Wahrheit Unsicherheit wächst. Ohne glaubwürdige Kontrolle und ohne das Recht auf Selbstverteidigung wird Gaza nicht stabiler, sondern nur komplexer.
Die Initiative der USA markiert einen entscheidenden Moment: Wird Israel als souveräner Sicherheitsakteur anerkannt – oder zu einem Statisten in einer von außen konstruierten Ordnung degradiert?
In Jerusalem weiß man, dass Demilitarisierung kein Verhandlungsthema ist. Sie ist Bedingung für jedes Überleben. Wenn die Vereinten Nationen das nicht verstehen, wird Israel notfalls allein handeln müssen – so, wie es seine Existenzgeschichte stets diktiert hat.

