* von Roland M. Horn
Dr. Hermann Burgard:
NIBIRU gesucht – Raumstation HIMMEL gefunden
Uralte Keilschrifttafeln offenbaren verwirrende Erkenntnisse über die Entstehung unserer Zivilisation
Ancient Mail-Verlag, Groß-Gerau, Oktober 2016
ISBN: 978-3-95652-179-9
Preis: 16,90 €
Taschenbuch, 169 Seiten, 14 Abb., teils in Farbe
Dr. Hermann Burgard studierte in seinem Zweitstudium Altorientalistik, insbesondere Sumerologie. Im vorliegenden Buch setzt er sich mit dem Bestsellerautor Zecharia Sitchin, bzw. dessen Buch „Der zwölfte Planet auseinander. Sitchin verwendete häufig den Begriff „Dingir“, der Sitchin zufolge in babylonischen Unterlagen für von Menschen als Götter betrachtete Außerirdische darstellt, Burgard legt nahe, dass das sumerische „DI.IN.GIR“ auf Deutsch „Der Entscheider/Gebieter, die sich in/mit Aufleuchtenden/Skorpionen bewegen“ bedeutet. Auch Burgard deutet dies als „Entscheider mit Flugapparaten“. Hier und an zahlreichen anderen Stellen im Buch beruft sich Burgard auf Tempelhymnen der Hohepriesterin des Mondgottes Nanna in Ur, Encheduanna, die er selbst übersetzt hat.
Burgard thematisiert den Umstand, dass bei Sitchin der Begriff „Nibiru“ eine große Rolle spielt, den er als einen „zwölften Planeten“ ansieht, von dem die außerirdischen „Götter“ kamen. Neben den heute bekannten Planeten zählt Sitchin auch den vor Jahren vom „Planeten“ zum „Zwergplaneten herabgestuften Pluto zu seinen zwölf Planeten, sowie Sonne und Mond zu den Planeten. Dann fehlt noch einer und das ist der sagenhafte „Nibiru“, der Sitchin zufolge die Sonne in einer elliptischen Umlaufbahn umkreist und in Zeiten seiner Sonnennähe einst für Katastrophen auf der Erde sorgte, sich derzeit extrem weit von der entfernt befindet. Eine solche Umlaufbahn kennt man eher von Kometen als von Planeten. Der in Sonnenferne befindliche Nibiru soll Sitchin zufolge von einer einer Quelle, ähnlich wie der des Jupiter, erwärmt werden.
Burgard nimmt Bezug auf die Übersetzungen der o. g. Tempelhymnen und kommt zu dem Schluss, dass der Begriff „Himmel“ ursprünglich auf eine vorzeitliche Raumstation zurückgeht und sieht in den Tempelhymnen sogar einen Startvorgang einer Raumfähre beschrieben. Den Autoren A. W. Sjöberg und E. Bergmann wirft er vor, in ihrem Werk Collection of the Sumerian Temple Hymns fehlerhaft übersetzt zu haben und spricht von einer „eigenwillig verengenden ‚Lesung‘ der gefundenen sumerischen Keilschriftzeichen“. Sich immer noch auf die Tempelhymnen beziehend, deutet er an, dass seine „Raumstation“ irgendwann in der Vorzeit selbst erfunden wurde.
Auf S. 54 kommt Burgard nun endlich auf Sitchins 12. Planeten zu sprechen. Marduk bzw. Nibiru waren Sitchin zufolge ein himmlisches Gegenstück des „Gottes“ Marduk gewesen. Burgard weist darauf hin, dass die wissenschaftliche Umschrift des Nibirus „né-bé-ru ist“. Sitchin behauptet, im Epos Enuma Elisch Hinweise auf ein Apogäum (der am weitesten entfernte Punkt von der Erde) und sein Perigäum (den erdnächsten Punkt) dieses vermeintlichen Planeten Nibiru gefunden zu haben. Diese Übersetzungen sind Burgard zufolge jedoch „vom Sinn her falsch“.
Das Wortzeichen für „Nibiru“ kennzeichnet Burgard zufolge keinen Planeten, wie er ausführt. Nach ihm müsste die Zeile 126 der Tafel VII de Enuma Elisch folgendermaßen lauten: „Oh, Dingir von der Passage/von der Übersetzungsmöglichkeit/mit der Fähre“, dein „Sprinkelndes“/dein leuchtendes Himmelobjekt erscheint am Firmament“. (S. 67) In der gerade erst erschienenen Übersetzung des Enuma Elisch durch Adrian C, Heinrich, Der babylonische Weltschöpfungsmythos Enuma Elisch, heißt es dagegen: „Neberu ist sein Gestirn [jenes des Ascharu, der ‚getreu seinem Namen über die Götter der Schicksale wacht‘], das er am Himmel aufscheinen ließ,“ (S. 92) Heinrich schreibt über Neberu in einer Anm. zu Tafel V, Verse 6-8, dass der Name Neberu „Übergang“ bedeutet und lässt keinen Zweifel daran, dass mit Neberu ein Himmelskörper gemeint ist. Aber: „Welchen Himmelskörper die babylonischen Himmelskundler als Neberu identifizieren, unterschied sich von Epoche zu Epoche. Das Enuma Elisch und astronomische Texte Ende des zweiten Jahrhunderts v. Chr. sprechen dafür, dass man zur Entstehungszeit des Enuma Elisch Merkur mit Neberu identifizierte. Im ersten Jahrtausend hingegen lässt sich vor allem in assyrischen Quellen eine stark ausgeprägte Tradition belegen, in der Jupiter als Marduks Gestirn galt.“ Diese Argumentation hat für mich irgendetwas von „Behelfslösung“ an sich. Aber mal ganz einfach: Wenn Burgards Theorie von der Raumstation richtig ist, würde sie von den Beobachtern nicht auch einfach als „Gestirn“ bezeichnet werden? Im genannten V. 6 der 5. Tafel lässt Heinrich keinen Zweifel daran, dass Neberu ein „Stern“ ist. Burgard gibt auch zu, dass Nibiru von der konventionelles Wissenschaft als Stern angesehen wird. Dies geschähe „trotz des in den Originalen vorhandenen Dingir-Determinativ“ und er meint, man müsse die Konventionen hinterfragen.
Burgard wirft Sitchin das Gleiche vor, wie den konventionellen Wissenschaftlern, nämlich nicht den Keilschriftzeichen zu folgen, sondern der für Sumer unbewiesenen modernen ‚wissenschaftlichen‘ Irrlauben von den „Sternengöttern“ zu huldigen und d NI.BI.RU/d nébéru gleichzusetzen mit einem „zwölften Planeten“, der „aus dem ‚Außenraum‘ in unser Sonnensystem eingedrungen“ sei, „um wieder in diesen ‚Außenraum‘ zu verschwinden und dort nun auf die Rückkehr zu lauern.“
Ein wohltuender wissenschaftlich und professionell gehaltener Stil wird zeitweise durch Ausbrüche wie „Hoppla!!! Welch furchtbare Hirnwindungen!!! Eine Ausnahmeleistung als Sinndeuter und Übersetzer!!!“ unterbrochen.
Sitchin bezieht sich ausführlich auf das Siegelzylinder VA 243 aus dem Berliner Vorderasiatischen Museums und behauptet, es sei ein akkadisches Siegel. Burgard jedoch sagt, dies träfe nicht zu, denn der Keilschrifttext sei in Sumerisch verfasst. Da er ihn übersetzt, sollte man davon ausgehen, dass er Recht hat. Burgard erkennt hier viele Fehler in Sitchins Darstellungen, doch einer davon ist in Wirklichkeit keiner. Er schreibt auf S. 114: Außer der Sonne sind auf der Abrollung von VA 243 nur elf Himmelskörper zu sehen, den Mond inbegriffen, und keine zwölf! Und schon gar nicht die Sonne und zwölf ‚Planeten.'“ Tatsächlich zählt Sitchin aber auch die Sonne zu den Planeten, warum auch immer. In anderen Punkten hat Burgard aber zweifellos Recht.
Aus einem „Selbstlob des Königs Schulgi“ übersetzt er unter Berufung auf https://etcsl.orinst.ox.ac.uk/cgi-bin/etcsl.cgi?simplesearchword=&simplesearch=&searchword=mul-an&charenc=gcirc&lists= z. B. die Zeile 426 mit: „Zum Himmelsobjekt des An, aus Glanzmetall gefertigt, soll mit der Technik des „Oben-Lärmenden“ ein „Brenner“ aufsteigen. Von Dir (=NANA) möge dieser „Glänzer“ aus der Mitte der Basis mit Feuer hinausgehen.“ Hier findet er ähnliche Zeilen, die seiner Meinung nach auf eine Raumstation hindeuten. Dieses ETCL (The Electronic Text Corpus of Sumerian Literature) liefert Burgard zufolge die Zeichennamen der im Keilschriftoriginal anzutreffenden Wortzeichen – nicht nur aus dem „Selbstlob des Königs Schulgi“.
Als einen Gewährsmann für seine Raumstationstheorie zieht Burgard den Autor Dieter Bremer heran, der tatsächlich eine unglaubliche Menge an Hinweisen dafür gefunden hat, dass in der Vorzeit eine Raumstation um die Erde gekreist haben muss – Bremer sieht diese Raumstation sogar als Ursprung für die Atlantis-Legende, bzw. konkretisiert das, in dem er behauptet: „Atlantis war eine Raumstation„.
Wer hat nur Recht? Sitchin, der von seinem Verlag mit dem nichtssagenden Titel „anerkannter Altertumsforscher aus den USA“ hochgelobt wird, macht tatsächlich bereits einfache Fehler, die einem Mann, der mit einer solchen Betitelung ausgezeichnet wird, eigentlich nicht unterlaufen dürften. Wie wird es dann bei komplizierteren Sachverhalten sein? Auch Sitchins Quellen sind häufig unklar.
Burgards Theorie steht und fällt mit der Richtigkeit seiner eigenen Übersetzungen, eingeschlossen jene der der „Tempelhymnen der Encheduanna“, auf die dieses Buch aufbaut und auf die er sich verlässt und der Richtigkeit seiner Annahmen über die o. g. Fehler der konventionellen Forschung. Das Buch ist es auf jeden Fall wert, gelesen zu werden.
(Erstveröffentlicht auf Atlantisforschung.de)
Bezugsmöglichkeiten:
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Beim Verlag
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