Zu spät für „Wehret den Anfängen“

* übernommen von Tapfer im Nirgendwo

Am 10. Oktober 2019 vernetzte der Ganey-Tikva-Verein israelfreundliche bürgerschaftliche Organisationen miteinander. Der stellvertretene Vorsitzende des Vereins, Axel Bolte, berichtet von dem Treffen.

Das Positive vorweg: Es gibt tatsächlich Vereine, die sich mit der praktischen Pflege deutsch-israelischer Beziehungen befassen, und die nach eigenen Angaben noch keine gravierenden Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Sie scheinen jedoch eindeutig in der Minderheit zu sein, denn was am Donnerstag, den 10. Oktober 2019 im Historischen Ratssaal von Bergisch Gladbach im Rahmen von Kurzpräsentationen unterschiedlicher israelfreundlicher Organisationen ans Tageslicht kam, macht deutlich, dass es für „Wehret den Anfängen!“ schon lange zu spät ist.

Bittere Aktualität

Beginnen musste die ursprünglich als lockeres Kennenlernen geplante Runde mit einer Gedenkminute für die Opfer des Judenhassers von Halle. Eine junge Mutter berichtete bewegend von ihren Ängsten, als sie von der Attacke auf die Synagoge in Halle erfuhr, während ihre eigene Familie zum Jom-Kippur-Fest in der Synagoge in Köln war. Wie erschreckend normal und real die Bedrohung von jüdischem Leben, wie bestürzend normal und regelrecht zum Mainstream geworden antiisraelischer Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Milieus, wie akzeptiert und normal selbst die schamlosesten Überschreitungen aller Tabus im öffentlichen Diskurs mittlerweile sind, zeigt sich jedoch seit langem in den zahllosen Erfahrungen, von denen fast jeder zu berichten weiß, der es nicht bei der ritualisierten Wiederholung von Lippenbekenntnissen belässt.

Wer Israelsolidarität praktiziert, wer konkreten israelbezogenen Antisemitismus beim Namen nennt, der weiß, dass er sich schnell als angefeindeter Außenseiter wiederfinden kann, in dieser unserer Gesellschaft, die doch flächendeckend von sich behauptet, aus erklärten Gegnern jeglichen Antisemitismus‘ zu bestehen.

Was auf Einladung des Bergisch Gladbacher Ganey-Tikva-Vereins als regionaler Erfahrungsaustausch gedacht war, um sich beispielsweise bei Veranstaltungen oder Reisen abzustimmen und zu unterstützen, stieß bereits im Vorfeld auf überraschend großes Interesse. So meldeten sich neben zahlreichen Städtepartnerschaftsvereinen auch beispielsweise Arbeitsgruppen der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft, Kulturschaffende, Aktivistengruppen und historisch orientierte Organisationen an.

Wieviele „Einzelfälle“ ergeben ein Muster?

Selbstverständlichkeiten aussparend, wurden in schneller, lebhafter Folge konkrete Erlebnisse zusammengetragen. Auszugsweise und in Stichworten:

– Schmähung eines renommierten Autors und Aufkündigung der Zusammenarbeit mit der DIG durch die VHS (Aachen).

– Israelberichterstattung unter Betonung stereotyper Bildsprache und antisemitische Karikaturen (Freiburg).

– Unterstützung und Gewährenlassen von BDS-Aktivitäten im schulischen Umfeld sowie massive Störung von DIG-Veranstaltung (Oldenburg).

– Versuch, das Wort „Israel“ aus einem Vereinsnamen zu tilgen (Ettenheim).

– Diskriminierung und Mandatsentzug eines proisraelischen Städtepartnerschaftsvereins durch den Bürgermeister mit der ausdrücklichen Begründung, Engagement gegen Antisemitismus sei nicht dessen Aufgabe (Bergisch Gladbach).

– Tätlicher Angriff auf Informationsstand (Siegen).

– Verbot von israelischen Flaggen bei einem Fußballspiel (Nähe Ettenheim).

Als eine von zahlreichen besorgniserregenden Parallelen fiel dabei auf, wie auch und vor allem von staatlichen Stellen Dämonisierung betrieben wird und sogar auf klassische antisemitische Stereotype zurückgegriffen wird („Überloyalität“, „radikale Israelpolitik“, „Tendenzbetrieb“, „Brunnen vergiften“).

Das weiter zu beobachten und zu thematisieren stellt nur eine von vielen auch im Nachgang entstandenen Ideen zum weiteren Vorgehen dar.

Beim geselligen Beieinander im Anschluss im Gasthaus am Bock herrschte äußerst lebhafter und konstruktiver Austausch. Die große Mehrheit der vertretenen Gruppen wünscht Fortsetzung und Vertiefung. Möglicherweise wird man die Kooperation institutionalisieren, um sich gemeinsam vernehmbarer Gehör zu verschaffen. Es tut offensichtlich bitter Not.

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