Warum christlicher Zionismus wichtiger ist als wir denken

Trotz einiger störender Tendenzen bei ihrer Jugend bleiben Evangelikale die leidenschaftlichsten Hüter des Bandes zwischen den USA und Israel.

In den Tagen vor seinem Wahlsieg wurde Israels designierter Premierminister Benjamin Netanyahu vom Gründer und Vorsitzenden von Christians United for Israel (CUFI), Pastor John Hagee, interviewt. Die angenehme Übereinstimmung zwischen den beiden Männern war während des gesamten Gesprächs offensichtlich. Pastor Hagee überhäufte israelischen Führungspolitiker mit „Gottes Gebet für den Rest seines Lebens“.

Die Zurschaustellung der gegenseitigen Bewunderung spiegelt die Jahre wider, die Netanyahu damit verbracht hat die Verbindung zwischen Israel und der evangelikalen Gemeinschaft in den USA zu pflegen. Zum Beispiel sprach Netanyahu auf der CUFI-Jahreskonferenz 2017 und sagte der christlichen Menge, sie seien „Israels beste Freunde in der Welt“. Netanyahus Rede vor den Teilnehmern beim Christian Media Summit in Jerusalem diese Woche deutet an, dass eine vom Likud geführte Regierung untrennbar mit der Wahrung der Beziehungen Israels zu den Evangelikalen verbunden ist.

Dass Netanyahu sich eine Auszeit vom hektischen Wahlkampf nehmen würde, um mit Pastor Hagee zu sprechen, legt ein Bewusstsein für die aufsässige Reaktion auf die neue israelische Koalitionsregierung nahe, die diese bald von amerikanisch-jüdischen Gruppen erhalten sollte.

Zum Beispiel veröffentlichte das American Jewish Committee (AJC) nach dem Wahlerfolg der Religiös-Zionistischen Partei (RZP) von Bezalel Smotrich eine Erklärung, die „ernste Sorgen“ wegen früherer Äußerungen von RZP-Mitgliedern zum Ausdruck brachte, die mit der Prioritätensetzung des AJC zu „Pluralismus“ und „Inklusion“ im Konflikt befinden. Tatsächlich beunruhigten verständlicherweise die aufwiegelnden Kommentare von Smotrich und Ben-Gvir gegen die LGBTQ- und nicht orthodoxen Gemeinschaften das amerikanisch-jüdische Establishment.

Beide Abgeordnete haben seitdem ihre Rhetorik gemäßigt, wobei Ben-Gvir sich von seiner früheren Verbindung zur rechtsextremen Kahane-Bewegung distanzierte. Dennoch bleibt die Democratic Majority for Israel dabei, dass sie „zutiefst beunruhigt“, dass eine „extremistische Partei einen Fuß in die Knesset“ bekommen hat. Es überrascht nicht, dass die Union for Reform Judaism Sprachgebrauch wählt, der darauf hinweist, dass eine Partnerschaft des Likud mit der RZP möglicherweise Israelis Demokratie „gefährdet“.

Doch es war der frühere Chef der Anti-Defamation League Abe Foxman, der die direkteste Verurteilung publizierte. Im Gespräch mit der Jerusalem Post sagte Foxman letzten Monat, er würde aufhören, Israel zu unterstützen, wenn die kommende Regierung die Definition derer ändert, die sich laut Rückkehrgesetz des Landes als Juden qualifizieren.

Solche Reaktionen amerikanisch-jüdischer Leitungspersönlichkeiten unterstreichen die zunehmende Dissonanz zwischen dem US-Judentum und Israels politischer Klasse. Folglich muss der jüdische Staat seine Beziehung zu den USA so umgestalten, dass die Verstärkung der Beziehungen zu verlässlichen evangelikalen Verbündeten betont wird, während es sorgfältig sein Ringen mit den Diaspora-Juden steuert.

In seinem Buch „The Arc of a Covenant“ hält , fest, dass amerikanische Juden oft darauf verzichtet haben die US-Regierung zu einer für Israel günstige Politik zu drängen. Stattdessen haben sie dazu geneigt die USA zu ermutigen ihre pro-israelischen Haltungen mäßigen. Historisch, schreibt Mead, waren es nicht führende jüdische Familien wie die Rothschilds und die Warburgs, die stark für die Erschaffung eines jüdischen Staates eintraten, sondern einflussreiche Christen wie J.P. Morgan und John D. Rockefeller.

Bis heute haben das US-Judentum und die Evangelikalen stabile Unterschiede in ihrem Herangehen an die amerikanisch-israelische Beziehung beibehalten. Während mehr als die Hälfte der US-Christen den ehemaligen Präsidenten Donald Trump beim Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem unterstützten, machten das laut einer AJC-Umfrage nur 16% der amerikanischen Juden.

Angesichts dessen, dass Christen mehr als 60% der US-Bevölkerung stellen, macht es für Israel sowohl demografisch als auch politisch Sinn seine Allianz mit den Evangelikalen zu hegen. Vor der COVID-19-Pandemie veröffentlichte israelische Tourismus-Zahlen zeigen, dass Christen mehr als die Hälfte der Auslandsbesucher in Israel stellen. Und da Israels Tourismus-Ministerium Initiativen einführt, um Christen ins Heilige Land zu locken, während jüdische Missionen wie Birthright finanzielle Rückschläge erleben, wird diese Zahl wahrscheinlich steigen.

Politisch haben jüdische Gruppen ihre Haltungen zu Themen, die für Israels Sicherheit entscheidend sind, aufgeweicht, insbesondere zu Irans Streben zum Erwerb von Atomwaffen. Stattdessen wird ihre gesetzgeberische Agenda von edlen, jedoch konsensgetriebenen Themen wie dem Krieg in der Ukraine und der Bekämpfung von Antisemitismus beherrscht.

Organisationen wie CUFI und die Christian Coalition of America haben ihrerseits Lobbyarbeit gegen die Wiederbelebung des mit Fehlern behafteten Atomdeal mit dem Iran zu einem Eckpfeiler ihrer politischen Anstrengungen gemacht.

Als sie im Amt waren, wiesen Außenminister Mike Pompeo und Vizepräsident Mike Pence wiederholt auf die untrennbare Verbindung zwischen ihrem christlichen Glauben und ihre Verbundenheit zum jüdischen Volk hin. Abgeordnete wie Kevin McCarthy erleben sogar Gegenwind mehrerer jüdischer Institutionen, nachdem sie gelobten linksextreme Ilhan Omar von der „Squad“ aus dem außenpolitischen Ausschuss zu entfernen, sollten sie Mehrheitsführer im Parlament werden.

Trotz einiger beunruhigender Trends bei ihren jungen Leuten bleiben die Evangelikalen die leidenschaftlichsten Hüter des Bandes zwischen den USA und Israel. Im Gegensatz dazu ist öffentliche Missbilligung amerikanisch-jüdischer Organisationen Israels Widerwille ihren pluralistischen Forderungen nachzukommen ein Hinweis auf ein Establishment, das sich mehr darum sorgt progressive Ideologien zu verteidigen als jüdische Interessen zu schützen. Israel darf sich nicht darin verzetteln, solche liberalen Orthodoxien zu nähren. Momente, die der Abwehr solcher Kritik gewidmet werden, sind Zeit, die nicht damit verbracht wird, sich auf innenpolitische und internationale Bedrohungen zu konzentrieren.

Die polarisierenden Kommentare amerikanisch-jüdischer Leiter deuten auf eine Realität hin, die von Israel fordert, seine Verbindung zu den Evangelikalen anzupassen, während es versucht jüdische Organisationen von seiner zentralen Rolle und seinem Wert für das jüdische Volk zu überzeugen.


(Beschreibung und Quelle Beitragsbild oben: Der Earl of Shaftesbury, beeinflusst vom evangelikalen Anglikanismus und den Ansichten von Edward Bickersteth, war einer der ersten britischen Politiker, der ernsthaft eine jüdische Rückkehr in das osmanische Palästina als offizielle Politik befürwortete. (John Collier, Public domain, via Wikimedia Commons))

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