„Sie alle sind alle Hamas“

zum Beitragsbild oben: Palästinenser queren die Grenze nach Israel in Khan Junes im südlichen Gazastreifen, 7. Oktober 2023 (Foto: Yusef Mohammed/Imageslive via Zuma Press Wire)

„Zeig mir einen Palästinenser im Gazastreifen, der versuchte einen Juden zu retten und vielleicht ändere ich meine Meinung.“

Eyal Barad war am 7. Oktober mehr als 12 Stunden im Saferoom eines Hauses in Nir Oz, während Palästinenser in seinem Kibbuz am Gazastreifen wüteten und letztlich mehr als ein Viertel seiner Einwohner verschleppten oder ermordeten.

Von Zeit zu Zeit war Barad (40) gezwungen seiner 6-jährigen Tochter den Mund mit der Hand zuzuhalten und ihrer schrillen Schreie zu ersticken. Das autistische kleine Mädchen glaubte, das Ganze sei ein Spiel. Die meiste Zeit klebte Barad allerdings an seinem Telefon und sah sich den Livefeed einer Kamera an, die er vor kurzem außen an seinem Haus installiert hatte, um Raser zu beobachten. Bilder des Feeds, die mir vorliegen, zeigen, wie palästinensische Frauen und Kinder – von denen einige gerade mal 8 Jahre alt zu sein scheinen – sich an dem Horror dieses Tages beteiligen.

Die von Kugeln durchsiebte Tür des Speisesaals von Nir Oz, 21. Nov. 2023

Berichte von Überlebenden, Videobeweise und die Vernehmungsaufnahmen festgenommener Palästinenser zeichnen ein vernichtendes Bild der Mittäterschaft von Gaza-Zivilisten sowohl bei dem Angriff des 7. Oktobers, bei dem mehr als 1.200 Menschen ermordet sowie 240 in den Gazastreifen verschleppt wurden, als auch den Folgen. Das hat in Israel eine Debatte ausgelöst, die die Tendenz infrage stellt, zwischen gewöhnlichen palästinensischen Zivilisten des Gazastreifens – die in Israel oft als bilti me’uravim (Unbeteiligte) bezeichnet werden – und ihren Terrorführern zu unterscheiden. Für viele riecht der 7. Oktober  nach etwas, mit dem Juden seit Jahrhunderten vertraut sind, einem Phänomen, bei dem nicht nur eine Vorhut, sondern eine Gesellschaft als Ganzes am rituellen Gemetzel an Juden teilnimmt.

Um die 700 Palästinenser, das zeigt die Videoüberwachung, stürmten an diesem Tag Barads Kibbuz Nir Oz – weniger als fünf Fahrminuten vom Gazastreifen entfernt. Die überwiegende Mehrheit davon, schätzte Eran Smilansky, ein Mitglied des Sicherheitsteams des Kibbuz, etwa 550, waren Zivilisten. Sie waren weitgehend unbewaffnet und nicht in Uniform. Einige dieser Zivilisten verübten selber umfassende Terrorakte, darunter Vergewaltigungen und Entführungen – und in einigen Fällen letztlich der Verkauf von Geiseln an die Hamas – während andere die Terroristen aufhetzten. Wieder andere nutzten einfach die poröse Grenze, um israelische Häuser und Bauernhöfe zu plündern, landwirtschaftliches Gerät im Wert von hunderttausenden Schekeln zu stehlen.

Die Überreste eines Spielhauses, Nir Oz, 21. Nov. 2023
Ein Haufen gefalteter Wäsche, vom Rauch geschwärzt, in einem Haus in Nir Oz, 21. Nov. 2023

Ähnliche Szenen spielten sich in mehreren der weiteren mehr als 20 brutal behandelten israelischen Gemeinden ab. In einem Video, das symbolisch für die Debatte rund um die „Unbeteiligten“ geworden ist, ist ein älterer Mann mit Krückstöcken zu sehen, der mit dem Rest des Mobs in einem beeindruckenden Tempo durch das durchbrochene Tor von Be’eri ging.

Zwischen Terroristen und Zivilisten zu unterschieden ist knifflig, insbesondere weil die Hamas-Terroristen oft zivile Kleidung trugen, eine Taktik, die im anhaltenden Krieg im Gazastreifen offensichtlich ist. Aber andere Indikatoren helfen diese Unterscheidung zu treffen, so wie das Nichtvorhandensein von Waffen und die Tatsache, dass viele gefilmt wurden, wie sie die Grenze barfuß oder sogar auf dem Rücken eines Pferdes überquerten. Selbst der ranghohe Hamasmann Mousa Abu Marzouk gab bereitwillig zu, dass Gaza-Zivilsten bei den Gräueln des 7. Oktobers mitgemacht hatten.

Ein Video zeigt eine Gruppe Männer in Zivilkleidung, die auf einen Soldaten einprügeln, während ein anderes Bild eine weitere Gruppe anscheinend ziviler Männer zeigt, die auf der rauchenden Hülle eines ausgebrannten Panzers feiern. In dem berüchtigten 47-minütigen Terrorvideo über die Gräuel des 7. Oktobers sind Palästinenser in Zivilkleidung zu sehen, die alte Geiseln mit Stöcken schlagen. Jemand anderes brüllt wiederholt „Allah Akbar!“, während der einen thailändischen Landarbeiter mit einem Gartengerät köpft.

Benny Avital (links), Irit Lahav (Mitte) und Ron Bahat in Nir Oz, 21.Nov. 2023. Irit und Ron wuchsen im Kinderhaus des Kibbuz auf, der von seinen Eltern mitgegründet wurde.

Barads Geschwindigkeits-Überwachungskamera in Nir Oz hat Bilder eines Palästinenser-Mädchens aufgenommen, das ein gestohlenes Fahrrad fährt. In einem weiteren ist eine Frau zu sehen, die einem uniformierten Terroristen auf Barads Nachbarhaus aufmerksam macht. Ein später aufgenommenes Bild zeigt, wie ein Bewohner  dieses Hauses auf ein Motorrad befördert wird, um in den Gazastreifen gebracht zu werden.

Aber es sind die Aussagen der Überlebenden, die die deutlichsten Beweise bieten, dass der 7. Oktober nicht nur ein Terroranschlag waren, sondern ein Pogrom.

Ausgebranntes Haus in Nir Oz, 21. Nov. 2023
Benny Aviatal (links) und Eran Smilansky, Nir Oz, 21. Nov. 2023
Das Haus von Yotam Haim, getötet im Gazastreifen von IDF-Feuer, Kfar Aza, 27. Dez. 2023

Batya Holin ist Fotografin und Friedensaktivistin aus Kfar Aza, das neben Nir Oz und Be’eri eine der am schwersten betroffenen Gemeinden war. Holin hatte eine Freundschaft mit einem Fotografen aus dem Gazastreifen entwickelt, Mahmud, mit dem sie letztes Jahr eine gemeinsame Ausstellung von Fotos ihres Kibbuz‘ und seines Dorfes im Gazastreifen arrangierte. Am Morgen des 7. Oktober rief Mahmud an und befragte Holin, fragte sie, wie viele Soldaten sich in ihrer Umgebung befanden. Da erkannte Holin, dass Mahmud die Fotos ihres Dorfes der Hamas gegeben hatte. „Wer immer sagt, es gebe hier unbeteiligte Leute, hier ist der Beweis“, sagte sie Israels Kanal 13 Nachrichten. „Sie sind alle beteiligt. Sie sind alle Hamas.“

Wie Holin in ihrer Aussage sagte die ehemalige Geisel Nili Margalit, dass „Zivilisten, normale Leute“ sie in einem Golfauto in den Gazastreifen verschleppten. Ähnlich stellte eine Recherche von NBC News fest, dass Noa Argamani wahrscheinlich von einem zivilen Mob verschleppt wurde. Ein Video ihrer Verschleppung zeigt ihre unbewaffneten Geiselnehmer in ganz normaler Kleidung. Argamani könnte später der Hamas übergeben oder verkauft worden sein.

Das zivile Wachhaus von Kfar Aza. Zum Gedenken auf dem Poster abgebildete Mitglieder wurden bei der Verteidigung des Kibbuz getötet, 23. Okt. 2023

Natali Yohanan (38) erzählte, dass sie hörte, wie eine Palästinenserin mit zwei Männern in ihr Haus kam. Die Frau blieb mehrere Stunden dort, kochte zeitweise für sich und ihre männlichen Begleiter, schaute Netflix und durchwühlte ihre Kleidung. Die Männer ersuchten gelegentlich die Tür zum Saferoom aufzubrechen, wo Yohanan, ihr Ehemann und zwei kleine Kinder sich versteckt hatten.

„Sie fing an zu singen und fragte sie, ob sie hungrig sind. Habt ihr Durst? Sie ging an meinen Kühlschrank und machte Essen warm“, sagte Yohanan. „Sie war sehr entspannt und schien glücklich zu sein. Sie stahl meine Kreditkarte, meinen Pass und meine Kleider – sogar etwas von meiner Unterwäsche – aber die Kleider, die sie nicht wollte, faltete sie zusammen und legte sie aufs Bett. Das war so seltsam.“

Dann gibt es die Gazaner, die in den Kibbuzim arbeiteten. Yohanans Ehemann, ein Bauer, ist einer von vielen in den Gemeinden der Gaza-Peripherie, die palästinensische Arbeiter aus dem Gazastreifen anheuerten. Wie viele andere, mit denen ich sprach, glaubte Yohanan, dass die Terroristen mit Hilfe von Insiderwissen vorgingen, dass diese Arbeiter aus dem Gazastreifen erlangten. Israel hatte in den Monaten vor dem 7. Oktober die Zahl der Arbeitsgenehmigungen allmählich erhöht; vor dem Angriff arbeiteten schätzungsweise 18.500 Gazaner in Israel. Der Gedanke hinter der Politik war, dass wirtschaftliche Anreize für die Einwohner des Streifens den brüchigen Frieden erhalten werden. Hanan Dan aus Kfar Aza sagte mir, dass er „glücklich war, dass Arbeiter aus dem Gazastreifen nach Israel kommen, um zu arbeiten und Israelis zu treffen, um zu sehen, dass wir nicht alle Teufel sind“.

Be’eri, 18. Jan. 2024

In mehreren der verwüsteten Gemeinden wurden bei den Leichen toter Terroristen detaillierte Karten gefunden worden, Karten, von denen Einwohner sagen, sie hätte nur von Leuten genaue Kenntnisse dieser Gegend hatten. Gaza-Arbeiter übermittelten der Hamas umfangreiche Informationen, die die Terrororganisation in die Lage versetzten ihren Angriff mit außergewöhnlicher Akribie, darunter die Identitäten und Wohnungen der leitenden Sicherleute, die Standorte von Schalttafeln und Kommunikationssystemen und wie man sie deaktiviert.

Der Verrat der Arbeiter hinterließ eine unauslöschliche Markierung bei den überlebenden Kibbuzniks, was viele dazu führte die früher gehegten Überzeugungen zu ihre palästinensischen Nachbarn zu überprüfen. Nir Oz war, wie viele andere verwüsteten Kibbuzim in der Gegend, Heimat vieler Friedensaktivisten, von denen viele sich ehrenamtlich für ein Programm engagierten, das als „Road to Recovery“ bekannt war; damit wurden kranke Gazaner zur Behandlung in israelische Krankenhäuser gefahren. Viele glauben jetzt, dass es zwar Gazaner gibt, die in Frieden leben wollen, sie aber nicht die Mehrheit stellen; oder wie ein Überlebender es für AFP zusammenfasste: „Es gibt mehr, die nicht lebend sehen wollen.“

Irit Lahav, deren Eltern zu den Gründungsmitgliedern von Nir Oz gehörten, beschrieb die Gemeinschaft als „Friedenslieber“-Kibbuz. „Es brach mir das Herz. Wie können wir dieses Gefühl des Verrats jemals überwinden?“ Lahav, die palästinensische Krebspatienten mehrere Stunden von der Grenze des Gazastreifens zu ihrer Behandlung in Zentralisrael fuhr, sagte mir: „Die palästinensische Öffentlichkeit hasst uns einfach.“

Aber nicht jeder war von der Beteiligung der Gaza-Zivilsten überrascht. „Ich mache keinen Unterschied zwischen ihnen und der Hamas“, sagte mir Nir Shani. „Zeigt mir einen Palästinenser im Gazastreifen, der versuchte einen Juden zu retten und ich werde vielleicht meine Meinung ändern.“ Shanis Teenager-Sohn Amit wurde als Geisel genommen du später im Zug eines Gefangenenaustauschs Ende November freigelassen. Shani ist aus Be’eri, ebenfalls Zuhause einer lebenslanger Friedensaktivisten, darunter Vivian Silver, der Gründerin von Frauen für Frieden, und Yocheved und Oded Lifschitz. Silver wurde ermordet und die Eheleute Lifschitz wurden als Geiseln genommen. Yocheved wurde später freigelassen, aber Oded ist immer noch im Gazastreifen. „Das sind Leute des Friedens, die Palästina immer unterstützten“, sagte der Enkel des Paares, Daniel. Er berichtete, wie Schaulustige im Gazastreifen seine Großmutter bespuckten, die hinten auf ein Motorrad geworfen wurde, nachdem sie von ihren Entführern auf die Rippen geschlagen wurde.

In einem viral gegangenen Video ist der fast nackte und blutige Körper von Schani Louk zu sehen, einer Deutsch-Israelin, die vom Nova-Musikfest verschleppt und später für tot erklärt worden war, wie er auf der Ladefläche eines Pickups durch die Straßen von Gaza paradiert wird. Horden palästinensischer Zivilisten jubeln, spucken und schlugen Louks Figur und skandieren dazu „Allahu Akbar“. Die letzte Tranche der im Waffenstillstand vom November freigelassenen Geiseln erlebte Mengen an Palästinensern, die die Straßen säumten und johlten, als die Rotkreuz-Krankenwagen vorbeifuhren. Die Tante der freigelassenen Geisel Eitan Yahalomi sagte, nach der Ankunft ihres 12-jährigen Neffen im Gazastreifen „schlugen alle Zivilisten, jeder, auf ihn ein“.

Ausgebrannte Autos aus dem Bereich und vom Fest in Be’eri, 18. Jan. 2024

IDF-Feldwebel Adir Tahar wurde während der Invasion ermordet und geköpft, als er einen Posten in der Nähe des Übergangs Erez besetze. Sein Vater David war gezwungen die Leiche seines Sohnes ohne dessen Kopf zu beerdigen. Eine Vernehmung zweier Palästinenser den israelischen Schin Bet ergab, dass die Reste seines Kopfes – der verstümmelt wurde, bis er kaum noch einem menschlichen Schädel ähnlich sah – in einem Gefrierschrank eines Eiskremladens im Gazastreifen verstaut wurde. Einer der Männer hatte versucht den Kopf für $10.000 zu verkaufen. Der fragliche Mann war ein palästinensischer Zivilist, kein Hamas-Funktionär, sagte Tahar mir. Der Schin Bet reagierte bis zur Veröffentlichen dieses Textes nicht auf eine Anfrage nach Bestätigung.

„Die Realität beweist, dass es im Gazastreifen so etwas wie bilti me’urav (Unbeteiligte) nicht gibt“, sagte Tahar. „Alle in Gaza sind Hamas.“

In mehreren Fällen hielten palästinensische Familien Geiseln in ihren Häusern gefangen. Die freigelassene Geisel Mia schemsagte, sie wurde von einer Familie im Gazastreifen festgehalten. „Ganze Familien stehen im Dienst der Hamas“, sagte sie gegenüber Kanal 13. Avigail Idan, die 14-jährige amerikanische Israelin, deren Eltern ermordet wurden, wurde ebenfalls in den Häusern mehrerer palästinensischer Familien festgehalten. Als die ehemalige Geisel Roni Krivoi – russische Israeli –es schaffte, ihren Geiselnehmern während eines israelischen Luftangriffs zu entkommen, versteckte er sich mehrere Tage lang, bevor er von Gaza-Zivilisten entdeckt wurde, die ihn, so sagte er, wieder der Hamas übergaben.

„Es gibt keine unschuldigen Zivilisten. Nicht einen. Die existieren nicht“, sagte Schem. „Sie sind alle Terroristen.“

Eine weitere Geisel, die 17-jähriger Agam Goldstein-Almog, stimmte Schem zu. Sie sagte, sie wurde in eine Schule gebracht und „eine nette Dame bot uns Wasser an, eine Matratze und einen Platz zum Schlafen“ und versicherte ihr, dass die Stelle sicher war. „Ich wandte mich an meiner Mutter und sagte: ‚Mutti, es gibt gute Menschen in der Welt.‘ Und fünf Minuten später schossen sie eine Salve Raketen aus der Schule [nach Israel] und jeder brüllte ‚Allahu akbar, Allahu akbar‘ und ich sagte ihr: ‚Streich das, sie sind alle gleich.‘“

„Wenn wir früher geglaubt haben, dass es eine Chance auf Frieden gab, dann haben wir alles Vertrauen in diese Leute verloren, besonders nachdem wir dort unter der Bevölkerung waren“, fügte Goldstein-Almog hinzu.

Es hat jede Menge Beispiele von Gaza-Zivilisten in verschiedenen Berufen gegeben, die zumindest „im Dienst der Hamas“ zu stehen scheinen, von Fotojournalisten der New York Times, der Associated Press und Reuters, die am Durchbruch vom 7. Oktober nach Israel mitmachten (einer von ihnen wurde gesehen, wie er eine Granate herumfuchtelte), bis zu UNRWA-Angestellten, die die Angriffe gepriesen, Geiseln in ihren Häusern festgehalten haben (eine Behauptung, die die UNO-Organisation vehement bestritt) und die Existenz von Tunneleingängen und Waffenverstecken in ihren Schulen vertuschten. Jawad abu Schamala, ein Lehrer an einer UNRWA-Schule in Khan Junes, war Mitglied der Hamas-Führung und für die Verwaltung ihrer Gelder verantwortlich.

Der Direktor des Kamal Adwan-Krankenhauses im nördlichen Gazastreifen, Ahmad al-Khalout, gestand israelischen Sicherheitskräften im Dezember, dass sein Krankenhaus gleichzeitig als Militäreinrichtung der Hamas diente. Er gab zu, von der Terrororganisation rekrutiert und für die Hamas militärisch ausgebildet worden zu sein und fügte hinzu, dass es andere „Ärzte, Pfleger, Sanitäter und Büroangestellte gibt“, die ebenfalls Militärangehörige der Izzedin-al-Qassambrigaden waren. Seine letzte Bemerkung in dem von der IDF veröffentlichten Video könnte nahelegen, dass er keine Wahl hatte. Al-Kahlut bezeichnete die Hamasführer als „Feiglinge“ und sagte: „Sie haben uns ruiniert.“ Ähnliche Behauptungen sind in verschiedenen Videos gewöhnlicher Gazaner zu finden, von denen einige mitten im Satz zum Schweigen gebracht wurden. Ein vom Wall Street Journal zitierter Clip ließ die Hamas eine Warnung ausgeben keinerlei Material zu veröffentlichen, die sie als „beleidigend für das Image der Standhaftigkeit und Einheit unseres Volks im Gazastreifen“ betrachtet.

Dann stellte eine Umfrage, die im Dezember vom Palestinian Center for Policy and Survey Research durchgeführt wurde, fest, dass zwar zwei von fünf befragten Gazanern die Hamas für ihr Leid verantwortlich machten, aber 57% der Palästinenser im Gazastreifen (und 82% in der Westbank) weiterhin die Entscheidung der Hamas Israel anzugreifen unterstützen. Darüber hinaus hat die Gesamtunterstützung für die Terrororganisation (42%) seit dem 7. Oktober zugenommen.

Während viele Palästinenser gelegentlich ihre Unzufriedenheit  mit Teilen der Regierungstätigkeit der Hamas ausgedrückt haben, so Strommangel oder Steuererhöhungen, ihr Handeln als „Widerstands“-Gruppe mit Wohlwollen betrachtet wird. Nehmen Sie z.B. die Worte  eines Bankers aus Gaza-Stadt, das in dem Bericht des WSJ angeführt wird: „Ich hasse die Hamas, die Regierung, Ich habe sie nie respektiert. Aber die Militanten? Ich glauben so sehr an sie, sie opfern ihre Seelen für Palästina.“

Saisonbedingte Unzufriedenheitsbekundungen sind kein neues Phänomen. Es hat 2017,2019 und erst im letzten Sommer Proteste gegen die Gruppe gegeben. Benny Avital, ein Mitglied des zivilen Sicherheitsteams von Nir Oz, sagte mir, vor dem 7. Oktober hätten die Proteste im Gazastreifen Hoffnungen geschürt, dass „die Menschen im Gazastreifen sich gegen ihre Führer auflehnen“.

Mehrere angesehene Israelis haben ähnliche Gedanken ausgedrückt. Der Sänger und Liedermacher Idan Raichel, der in der Vergangenheit seine Musik als Brücke zum Frieden mit Israels arabischen Nachbarn beschrieben hat, sagte letzten Woche, die Zivilisten im Gazastreifen sollten mehr tun, um „sich gegen die Hamas zu erheben“ und die Tatsache, dass sie das nicht tun, bedeutet, dass „die meisten von ihnen als Beteiligte behandelt werden sollten“.

Sogar Israels Präsident Isaak Herzog, der pazifistischer ist als die rechte Regierung, hat mit dem Finger auf die palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen gezeigt. „Dort ist eine ganze Nation, die verantwortlich ist“, sagte Herzog fast zwei Wochen nach den Angriffen. „Dieses Gerede von Zivilisten, die nicht Bescheid wussten, die nicht beteiligt sind, stimmt nicht. Das ist absolut unwahr. Sie hätten sich erheben können. Sie hätten gegen das üble Regime kämpfen können, das den Gazastreifen in einem Staatsstreich übernahm.“

Für Avital und andere Israelis gibt es nach dem 7. Oktober keine Mittelweg mehr.

„Für uns gibt es jetzt Schlecht und Gut. Vorher waren wir sicher, dass es etwas dazwischen gibt. Jetzt begreifen wir, dass es dazwischen nichts gibt. Es gibt Leute, die dich töten wollen und es gibt uns, die einfach in Ruhe unser Leben leben wollen.“

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