- von Roland M. Horn
Wie
Der ehemalige hochrangige israelische Verteidigungsbeamter brachte die Möglichkeit ins Spiel, dass es eine mehrstufige iranische Strategie für die Einstieg in die Atomenergie geben könne, an der regionale Stellvertreter beteiligt seien. Ziel sei es, Israel und die Welt mit Konflikten abzulenken.
Nagel befürchtet, dass der Iran möglicherweise eine „Massenablenkungswaffe“ aktiviert, um Fortschritte beim Bau von Massenvernichtungswaffen – sein Atomprogramm – zu erzielen. Der Plan sei langfristig angelegt und beinhalte einen geheimes Zeitplan und mehrere Stufen.
Die erste Stufe könnte demnach bereits gezündet worden sein: Der Massenmordangriff durch die Hamas am 7. Oktober 2023 im Gazastreifen auf den Süden Israels. Nagel sagt, dass dieser Angriff zwar vermutlich ohne vorherige Abstimmung mit dem Iran erfolgte, er aber doch den Interessen des Irans diente und ohne iranische Unterstützung für die Hamas nicht hätte stattfinden können.
Der ehemalige Brigadegeneral erinnert daran, dass die Hisbollah vom Libanon aus in den Konflikt eintrat und bereits ab dem 8. Oktober – zwar mit geringerer Intensität, dafür aber stetig – den Norden Israels angriff.
Die zweite Stufe des potentiellen Plans besteht Nagel zufolge darin, dass Israel im Gazastreifen beginnt, auf der Stelle zu treten und die internationale Gemeinschaft in die Reaktion auf die Stellvertreter des Iran – insbesondere die Houthis – einbezogen wird. Die Hisbollah würde ihre Aktivitäten in geringer Intensität beibehalten.
In der dritten Stufe wird es heiß: Die Hisbollah würde in einen ausgewachsenen Krieg verwickelt.
Die vierte Stufe besteht aus dem Vorantreiben des Atomprogramms durch den Iran unter Ausnutzung seines Atomprogramms.
Hisbollah-Chef: Das ist unser Kampf
Reuters vermeldete am 15. März, dass die Hisbollah ihrem iranischen Schirmherrn kürzlich mitgeteilt habe, dass sie jeden künftigen Krieg mit Israel allein führen werden.
Wie es weiter heißt, besuchte der Chef, der iranischen Quds-Truppe, der Brigadegeneral Esmail Ghaani – er beaufsichtigt die Unterstützung für Stellvertreter -, im Februar dieses Jahres Beirut mit dem Ziel „das Risiko zu erörtern, das besteht, wenn Israel das nächste Mal die libanesische Hisbollah angreift“ besucht hatte. Weiter heißt es, dass dies bereits sein dritter Besuch in Beirut seit dem 7. Oktober 2023 war.
In dem Bericht heißt es wörtlich: „Das Gespräch drehte sich um die Möglichkeit einer israelischen Offensive im Norden des Landes, im Libanon.“ Der Bericht bezieht sich auf ungenannte iranische Quellen. In ihm heißt es weiter, dass Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der Hisbollah gegenüber Ghaani gesagt hatte, dass er nicht wolle, dass der Iran in einen Krieg mit Israel oder den Vereinigte Staaten hineingezogen würden, sondern die Hisbollah allein kämfen werde. Im Wortlaut sagte er demzufolge zu Ghaani: „Dies ist unser Kampf.“
Nagel dazu: „Die bisherigen Ereignisse widerlegen nicht den Gedanken, dass der Iran einen mehrstufigen Plan verfolgt“ und weiter: „Ich denke, wir befinden uns heute in einem Stadium, in dem der Iran die Komponenten der ‚Waffengruppe‘ des Atomprogramms entwickelt.“ Dabei bezog er sich auf die Arbeiten, die außer der Urananreicherung ausgeführt werden müsse, um nukleare Sprengköpfe zu bauen. Nagel im Wortlaut:
„Es gibt keine kategorische iranische Entscheidung, den Durchbruch zu Atomwaffen zu schaffen, und eine solche Entscheidung ist auch nirgends zu sehen, weil dies Druck auf den Iran erzeugen würde.“
Im Gegenteil gebe es ständige, schrittweise Fortschritte durch verschiedene Uran anreichernde iranische Teams, die die notwendigen Komponenten und Systeme für Atombomben herstellen. Diese Teams würden auf einer Ebene unterhalb der iranische Führung agieren und „tun, was sie können, ohne mit einer rauchenden Waffe in der Hand erwischt zu werden“. Nagel fordert:
„Israel muss sich darauf vorbereiten, das Atomprogramm anzugreifen, so wie es das in den letzten Jahren getan hat.“
und weiter:
„Ohne die israelischen Aktivitäten wäre der Iran schon längst ein Atomstaat. Es ist klar, dass er bereits genügend militärisch nutzbares Uran für eine Bombe angereichert hätte. Viele verstehen das nicht.“
Nagel zufolge hat der Iran bereits den längsten Teil des Urananreicherungsprozesses hinter sich. Dabei bezog er sich auf die Anreicherung von 20 Prozent und 60 Prozent Uran:
„Der größte Teil der Zeit, die benötigt wird, um Uran in militärischer Qualität (90 %) zu erhalten, wird für die beiden Anreicherungsstufen 20 und 60 verwendet.“
„Nur wenig Zeit wird benötigt, um von dort aus die 90 %ige Anreicherung – die militärische Qualität – zu erreichen.“
„Daher bin ich der Meinung, dass Schätzungen darüber, wie lange der Iran braucht, um eine Anreicherung von 90 % zu erreichen, keine große Bedeutung beigemessen werden sollte. Das ist etwas, was sie ganz am Ende tun werden.“
Das Urananreicherungsprogramm und das Waffensystem angreifen
Das Wall Street Journal erklärte am 19. März 2024, dass – obwohl Deutschland, Frankreich und die Niederlande sich bemühen, die Verhängung von Sanktionen gegen den Iran aufgrund seiner Waffenlieferungen an Russland und Stellvertreter im Nahen Osten voranzutreiben – die Vereinigten Staaten aufgrund der Befürchtung, dass dies zu einer regionalen Eskalation führen und die diplomatischen Bemühungen um das Atomprogramm der Islamischen Republik stören würde, diesen Schritt torpediert haben.
Die drei genannten europäischen – sog. E3- Länder – warnten bereits Anfang März 2023, dass der Iran sein Atomprogramm auf „neue Höhen“ getrieben habe.
So berichtete am 7. März The National, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland hätten dem Vorstand der Internationalen Atomenergiebehörde der Vereinten Nationen mitgeteilt, dass der Iran sowohl fortschrittlichere Zentrifugen installiert als auch „den Boden für eine weitere Expansion“ seiner Fähigkeit, Uran anzureichern, bereitet habe. In der Erklärung heißt es, dass Irans Gesamtvorrat auf 30 Prozent angewachsen sei, wenn „“obwohl der Iran offenbar einen Teil seines Bestands von 60 % Uran auf 20 % reduziert hat.“
Es war am 15. März 2024, als Washington erneut eine Aufhebung der Iran-Sanktionen in Höhe von zehn Milliarden Dollar erließ, die dem Iran Zugang zu den Einnahmen aus seinen Stromverkäufen an den Nachbarstaat Irak gewährt. Bereits am 4.März teilte Reuters unter Berufung auf ungenannte Diplomaten mit, dass sich die westlichen Mächte bei einer vierteljährigen Sitzung des wichtigsten Entscheidungsgremiums der IAEO „erneut dafür entschieden haben, den Iran wegen seiner mangelnden Zusammenarbeit mit der Behörde in einer Reihe von Fragen nicht ernsthaft zu konfrontieren“.
Nagel schätzt die Lage folgendermaßen ein: Die Vereinigten Staaten und Europa werden das iranische Atomprogramm nie angreifen und die dem Iran angebotenen Sanktionserleichterungen stimmen gut mit der Intention Teherans überein, den heimlichen nuklearen Fortschritt fortzuführen. Daraus folgt:
„Daher muss Israel auf alles gefasst sein. Es muss in der Lage sein, den Teil des Anreicherungsprogramms anzugreifen, aber auch den Teil des Waffensystems.
Der ehemalige Brigadegeneral äußerte sich auch zur Frage, wie die IDF den Iran und die Hisbollah notfalls gleichzeitig angreifen können:
„Vor und nach dem 7. Oktober hat Israel die Fähigkeit entwickelt, in mehr als einer Arena zu agieren. Das ist nicht einfach, aber wir haben unsere Lektionen gelernt. Ein Teil unserer Verteidigungsdoktrin hat sich seit dem 7. Oktober geändert.“
Geändert habe sich auch die Einschätzung, wie lange Kriege dauern können, schließlich geht der Gaza-Krieg bald in den sechsten Monat. Er sagte:
„Israel muss Munitionskapazitäten aufbauen, vor allem Artillerie- und Panzergeschosse, und Israel muss bereit sein, auf mehr als einem Schauplatz zu agieren. Aufgrund der Geschehnisse im Süden könnte sich der Zeitpunkt eines Krieges mit der Hisbollah ändern. Man muss klug sein und nicht immer Recht haben.“
In eine Falle tappen
Am 2. März 2024 veröffentlichte, wie Lappin weiter ausführt, die Foundation for Defense of Democracies (Stiftung zur Verteidigung der Demokratie) eine Einschätzung, die von Nagel zusammen mit dem Geschäftsführer der FDD, und Experten für das iranische Atomprogramm und Sanktionen, Mark Dobowitz, veröffentlicht hatte. Nagel und Dubowitz erklären in ihrem Paper, dass Israel
„Gefahr läuft, in eine von Irans oberstem Führer Ali Khamenei gestellte Falle zu tappen. Indem er den brutalen Angriff der Hamas am 7. Oktober unterstützte und mehrere israelische Militärbataillone im Norden und im brodelnden Westjordanland festhielt, hat Khamenei eine Massenablenkungswaffe entfesselt, die die Aufmerksamkeit des israelischen Militärs, des Geheimdienstes und des politischen Establishments in Anspruch nimmt. Dies fügt sich nahtlos in die Strategie des obersten Führers ein, seine atomare Massenvernichtungswaffe voranzutreiben.“
Weiter erklärt Nagel:
„Diejenigen, die sich mit Fragen der internationalen ‚Legitimität‘ Israels befassen, übersehen den weitaus wichtigeren Aspekt der militärischen Bereitschaft Israels, und dies sollte der Hauptfaktor sein, der das Timing für den Angriff auf Feinde an neuen Fronten bestimmt.“
Russland hat mittlerweile militärische Stellungen im Süden Syriens in der Nähe Israels eingerichtet. Dass von Moskau derzeit eine operative Bedrohung für Israel ausgeht, bezweifelt Nagel zwar, er erklärte aber, dass Jerusalem vorsichtig sein müsse, wenn es – als Gegenleistung für die iranischen Lieferung von unbemannten Luftfahrzeugen und Raketen an Russland im Krieg gegen die Ukraine – um eine mögliche russischen Unterstützung des Atomprogramms des Iran gehe. Nagel schließt:
„Ich hoffe, dass die Russen so etwas nicht tun, aber es kann passieren“,
um hinzufügen:
„Wir reden hier über Wissen im Nuklearbereich.“
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