(Zum Beitragsbild oben: Medien-Führung am 15. Oktober 2024 in Metula: Ein israelischer Soldat inspiziert ein Haus, das von einer Rakete beschädigt wurde, die die Hisbollah geschossen hatte. (Foto: Amir Levy/Getty Images)
Am Abend, bevor der Waffenstillstand in Kraft trat, hatte ich Besuch von Freunden aus dem Norden. Beim Abendessen erklärten wir dieses spontan zur Feier zum Ende des Krieges an der Nordfront. Ein einfacher Meilenstein, der der Erinnerung wert ist – nachdem sie so lange von Sirenen in ihren Gemeinden nur 6km von der Grenze zum Libanon in der Falle saßen, fühlte sich die Fahrt auf den betriebsamen Autobahnen nach Jerusalem wie ein Abenteuer an. Das Land erschien ihnen wie umgewandelt – lebenssprühend und vor Energie pulsierend, beinahe frenetisch, denn überall standen Baukräne, wuchsen Gebäude in die Höhe und in die Breite, neue Straßen wurden gepflastert und an jeder Ecke Autobahn-Kreuzungen. Eine Mutter erzählte von ihrem Sohn, der von einem monatelangen Einsatz in Rafah (einer von vielen) und dem Philadelphi-Korridor zurückkam und sie fassungslos fragte, nachdem er sich den Staub des Gazastreifens abgewaschen hatte: „Mama, was geschieht hier? Wo ist Eli Feldstein?!“
Ist der Waffenstillstand gut oder schlecht?
Zunächst einmal ist er gut. Wenn es im Norden ruhig ist, selbst nur für zwei Tage, dann signalisiert das normalerweise eine längere Ruhepause, wenn auch mit einiger Ungewissheit. Binnenflüchtlinge werden zurückkommen. Und natürlich fällt die Frage entlang der vorhersagbaren Partei-Medienlinie: Warum rief Premierminister Benjamin Netanyahu nicht zur Rückkehr auf? Warum erwähnte er in seiner Abendansprache am Dienstag nicht die Rückkehr der Einwohner nach Hause?
Die Antwort ist klar: Der neue Verteidigungsminister Israel Katz hat den Sieg über die Hisbollah erklärt. Damit mag er Recht haben, aber was zählt, ist, dass die Hisbollah es immer noch schaffte zahlreiche groß angelegte Raketensalven zu schießen. Für politische Kommentatoren bot allein das Munition für Spott – verstärkt durch Katz‘ Neigung dramatische und manchmal extreme Äußerungen zu machen wie seine Erklärung über polnischen Antisemitismus bezüglich des Holocaust, die eine diplomatische Krise auslöste. Also hat Netanyahu sich entschieden keine Versprechungen zu machen. Außerdem wollte er die in den Augen des Feindes strategische Unklarheit behalten. Die Rückkehr oder fortgesetzte Abwesenheit der Einwohner sendet Signale zu Israels Absichten aus. Ohne eine offizielle Ankündigung untermauert das vielleicht Israel Entschlossenheit bezüglich der Verstöße der Hisbollah und die Möglichkeit einer erneuerten militärischen Reaktion.
Einwohner werden in Sachen Rückkehr individuelle Entscheidungen treffen. Das Ausmaß der Vertreibung aus ihren Häusern hat zusammen mit dem ständigen Alarmzustand und den Raketen-Sirenen ein stilles Trauma geschaffen. Dasselbe gilt für Reservesoldaten. Israel kann eindeutig einen beträchtlichen Teil seiner Reservisten nach Hause schicken, unterstützt von der Entscheidung den Befehl 8 bis weit in 2025 auszudehnen. Das bedeutet, dass Israel darauf vorbereitet bleibt, die Kampfhandlungen wieder aufzunehmen, sollte ein neuer, mehr Unterstützung bietender und freundlicher gesinnter Präsident ins Weiße Haus einziehen. Werden die Kämpfe in 60 Tagen wieder aufgenommen? Wahrscheinlich nicht. Alls hängt davon ab, wie mit der Situation mit dem Iran umgegangen wird.
„Der Krieg zur Beendigung des Krieges“
Das vorherrschende Narrativ behauptet, dies sei der letzte Libanon-Krieg, nicht der dritte Libanon-Krieg. Ja, das klingt wie der „Große Krieg“ von 1914 bis 1918, der „der Krieg, der alle Kriege beendet“ sein sollte – bis er nur zum „Ersten Weltkrieg“ wurde. Während absolute Sicherheit und letzte Kriege illusorisch sein dürften hat Israel einen Waffenstillstand erreicht, den es sich vor September nicht hätte vorstellen können. Vor der Offensive hatten Sicherheitsexperten und Beamte – mit Ausnahme des Premierministers – geplant, die Angriffe im Norden und die sichere Rückkehr der Einwohner über einen Waffenstillstand im Gazastreifen zu beenden. Ihr Plan beinhaltete keine Beschäftigung mit der Infrastruktur, Führung oder dem umfangreichen Raketenarsenal der Hisbollah. Damals stand die Radwan Force am Grenzzaun, nur wenige Meter von zivilen Esszimmern entfernt. Der Kontrast zur Realität von heute – getrennte Fronten und eine neutralisierte Hisbollah – ist eindrucksvoll.
Der Triumph der einfachen Soldaten
Die IDF bleibt der Vorstellung treu, dass „Leistung sich nicht in Kilometern messen lässt“, wie ein hoher Offizier mir vor kurzem sagte. Das bedeutet, dass territoriale Eroberung nicht ins militärische Manuskript zurückgekehrt ist. Stattdessen wird sich auf die Zerstörung von Zielen und Infrastruktur konzentriert – Tunnel, Kriegsausrüstung, Waffen und alle Arten von Militärausrüstung. Doch was für den Feind wichtig ist, sollte auch für uns wichtig sein: Territorium zu kontrollieren.
Die IDF haben sich dieser Herausforderung zur Hälfte gestellt. Nach dem 7. Oktober 2023 erkannten sie die Notwendigkeit im sich verändernden Terrain des Gazastreifens vom Norden bis in den Süden „Stiefel am Boden zu haben“ – Fallschirmjäger, gepanzerte Einheiten und Reservestreitkräfte. Sie führten ihren Feldzug allerdings über ein Muster wiederholte Kreisläufe von Vorstoß und Rückzug aus, immer und immer wieder. Die Psychologie hinter diesem Ansatz erfordert Erkundung: Einerseits traute man der Hamas die Fähigkeit nicht zu so dramatische Operationen wie die vom 7. Oktober auszuführen. Die Terroristen wurden als nichts mehr als Bauarbeiter in Flipflops betrachtet. Gleichzeitig gab es paradoxerweise die lähmende Angst vor Bodenoperationen im Gazastreifen – obwohl die Hamas wiederholt anspruchsvolle Fähigkeiten bei Entführungen, Tunnelbau, Infiltrationen und der Bereitschaft zu extremen Selbstmordoperationen gezeigt hatte.
Sobald die Streitkräfte den Gazastreifen betraten, kam eine neue Generation Kämpfer auf, die nicht gekannte Motivation und Qualität zeigten. Diese Soldaten folgten nicht den Namen legendärer Helden auf Divisions- oder Brigadeebene; sie marschierten auch nicht einfach gemäß den Befehlen der obersten Militärführung, z.B. dem Generalstabschef. Ihr Antrieb kam von innen und war kollektiv. Es wird weiter diskutiert, ob diese einfachen Soldaten ihre höheren Kommandeure mitzogen oder sie in den Kampf schoben. Dieser Krieg hatte keine Ariel Sharons, Mosche Dayans oder Rafael Eitans. Stattdessen hatte er zahllose gewöhnliche Helden, die unermüdlich den Feind verfolgten, wofür die Eliminierung von Yahya Sinwar nur das Musterbeispiel ist.
Wer hätte geglaubt, dass manche in ihrem Eifer Netanyahu zu beschuldigen Sinwar von der Verantwortung für die Geiseln befreien würden? Die Soldaten sind diejenigen, die wie ein Laser auf ihre Aufgabe fokussiert bleiben, niemals ihr Ziel aus den Augen verlieren. Derweil schien die oberste Führung der IDF damit beschäftigt zu sein sich die Politik – die Regierung minus des ehemaligen Verteidigungsministers Yoav Gallant – als den wahren Gegner zu betrachten, dessen Einfluss und „abweichlerische“ Entscheidungen neutralisiert werden müssen, um die Formulierung zu benutzen, die der Schin Bet-Vertreter Yoram Cohen wieder einführte. Dass die Linke den Schin Bet und seine Schattenoperationen umarmt, wirft beunruhigende Fragen auf.
Herzis Ernennungen
Verteidigungsminister Katz hat die öffentliche Diskussion um die fragwürdige Praxis von Generalstabschef Herzi Halevi wieder neu entfacht, Ernennungen von Führungskräften vorzunehmen, die die Zukunft der Armee auf Jahre hinaus prägen werden. Generalleutnant Halevis Führungsstil ist ungewöhnlich. Er nimmt weiter Kommando-Ernennungen vor, als befände man sich in Friedenszeiten. Offizier X hat mehrere Jahre in Nebenposten als Brigadegeneral und Oberst gedient, also erhält er das Kommando über eine Division, weil er einfach „dran ist“. Dasselbe gilt für Brigadekommandeure.
Betrachten Sie die Perspektive von Brigadegeneral Guy Hazut. Zu seinen Schlussfolgerungen aus der Katastrophe des 7. Oktobers und des breiteren kulturellen Versagens des Militärs gehört, dass die IDF zu jüngerem Kommando zurückkehren muss, dass Brigadekommandeure unter 40 her müssen. Er tritt für ambitionierte, dynamische Kommandeure ein, die noch nicht auf die Pensionsansprüche fixiert sind. Wenn ein Bataillonskommandeur, der sich in den aktuellen Schlachten ausgezeichnet hat, kurz danach das Kommando über eine Brigade erhalten kann, dann verdient ein Brigadekommandeur, der sich fast ein Jahr lang Krieg hindurch überragend hervorgetan hat, sicherlich ein Divisionskommando.
Nach dem Yom Kippur-Krieg erhielt Oberst Amnon Reschef, Kommandeur der 14. Brigade, innerhalb von sechs Monaten das Kommando über die 162. Division. Kurz darauf wurde der Kommandeur der 162. Division, Bren Adan, Befehlshaber Süd, während Avigdor Ben-Gal sofort zum Kommandeur der 36. Division aufstieg. Solche Schritte sandten eine deutliche Botschaft: Führung auf dem Schlachtfeld zählt mehr als bürokratisches Dienstalter oder wer „an der Reihe“ ist.
Die fehlenden israelischen Rechtsexperten
Professor Alan Dershowitz kündigte gerade die Bildung eines „Dreamteams“ aus Rechtsexperten an, um Israel, Premierminister Netanyahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu verteidigen. Die Liste enthält die ehemaligen US-Generalstaatsanwälte Michael Mukasey und William Barr, den ehemaligen kanadischen Justizminister Professor Irwin Cotler, den ehemaligen New Yorker Gouverneur und Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo, Mark Levin und weitere Prominente aus der Welt der amerikanischen Juristerei.
Liest man sich seine Strategie und die Namensliste durch, dann kommt eine verblüffende Erkenntnis auf: Kein einziger israelischer Rechtsexperte schaffte es in das Team. Keine israelischen Anwälte, Jura-Wissenschaftler, Jura-Professoren, pensionierte Richter des Obersten Gerichtshof oder ehemalige Staatsanwälte oder Generalstaatsanwälte. Das legt ein oder zwei Möglichkeiten nahe: Entweder werden sie als inadäquat betrachtet oder, wie ein Insider des politisch-juristischen Kampfs nahelegte, sie unterstützen die Anklage.
Das Verhalten des israelischen Justizsystems – vom Obersten Gerichtshof über das Gericht, das die Anklage gegen Netanyahu verhandelt, bis zur Generalstaatsanwältin, die die Frage der zurückkehrenden Soldaten wegen Feldstein beantworten könnte – offenbart eine Gruppe, der es bemerkenswert an patriotischem Empfinden mangelt. Erst diese Woche lud Richterin Ruth Ronnen den Premierminister vor, damit er vor dem obersten Gerichtshof auf ein Untauglichkeitsgesuch antwortet. Auf welcher Grundlage? Auf überhaupt keiner. Solche unkontrollierte Macht hat den Spielraum der Übergriffigkeit der Justiz nur noch vergrößert. Im Gefühl allmächtig zu sein macht sie sich nicht mehr die Mühe ihre Argumente auf Gesetz, Verfassung oder Präzedenzfälle zu stützen
Trotz dieser Diskrepanz im Herzen der israelischen Elite muss das Land schon bald eine Kampagne zur Delegitimierung des Gerichts in Den Haag beginnen. Seit Südafrika vor fast einem Jahr seine Klage eingereicht hat, sind die Verfahren gegen Israel und seine Führungspolitiker so bedeutsam geworden wie die UNO-Resolution von 1975, die den Zionismus mit Rassismus gleichsetzte. Damals hatte Israel effektive Anwälte. Botschafter (später Präsident) Chaim Herzog, Botschafter (später Premierminister) Benjamin Netanyahu und Verbündete wie den US-Botschafter bei der UNO Patrick Moynihan.
Heute bleiben davon nur noch Netanyahu und Amos Schocken. Der Fall Den Haag erforderte eine massive Reaktion – er stellt den Kern des Kulturkriegs dar, der Israels Existenz zugrunde liegt. Die heutige Welt zeigt noch größere Sympathie für den Terrorismus als in den 1970-er Jahren. Ist der Ansatz von Dershowitz richtig? Er könnte zwar Israel helfen, aber inhärent legitimiert er ein internationales Rechtssystem, das zu einer Schlüsselkomponente in der Terrorstrategie des Iran, palästinensischer Organisationen, der antisemitisch-terroristischen Linken und der Verbündeten Russlands wie Südafrika, geworden ist.
Benötigt wird ein außergewöhnliches Juristen-Team, um sich den Regierungen von Frankreich, Großbritannien, Holland und anderen Terrorhelfern entgegenzustellen, das beweist, dass ihre Haftbefehle und ihr Fall gegen Israel boshaft sind und gegen das Völkerrecht verstoßen, wenn es so etwas überhaupt gibt.
Das Phänomen Ha‘aretz
„Ich liebe viele Leute bei Ha’aretz und identifiziere mich mit vielen ihrer Positionen, aber ihre comichaft israelfeindliche und antisemitische Haltung überstrapazieren meine Geduld“, schrieb der amerikanische Journalist Jeffrey Goldberg vor acht Jahren in seiner Erklärung der Entscheidung sein Abo zu kündigen. Goldberg vermerkte, Ha’aretz habe etwas mit der Jerusalem Post gemeinsam – „eine Schwäche für grundlosen Hass“.
Als Antwort auf die Kritik eines bekannten Schriftstellers hin erklärte Goldberg: „Wenn Neonazis anfangen mir E-Mails mit Links zu Ha’aretz-Leitartikeln zu schicken, die Israel zu einem üblen Staat erklären, dann ist es Zeit für einen Bruch.“ Dieses besorgniserregende Muster hat sich unter Gideon Levys Führung nur intensiviert und die Autorin Eva Illouz trägt ihre eigenen Ansichten zum israelischen „Übel“ bei. Jeder, der die Medienkanäle der Hamas beobachtet, weiß, dass Ha’aretz nicht nur weltweit bei Neonazis beliebt ist, sondern auch bei der Hamas.
Manchmal wird es nötig die Ignoranz von Kollegen aufzudecken, selbst bei sympathischen Bekannten. Goldberg bezeichnete Ha’aretz als antisemitisch; wer bin ich ihm zu widersprechen? Ein ausführliches Gespräch mit Gideon Levy vor Jahren offenbarte seine erschreckende Ignoranz grundlegender Fakten. Nehmen wir den Sechstage-Krieg: „Wie viele starben in diesem Krieg?“, fragte ich und schlug vor: „120, 150 Leute?“ Bei der Korrektur, dass in nur einer Woche fast 800 starben, antwortete er: „Wirklich? Das wusste ich nicht.“ Dann erklärte er: „Der Holocaust spielt keine Rolle. Nur die ‚Nakba‘ ist wichtig.“. Und die Checkpoints.
Der größte Schaden stammt von seinem hypnotischen Einfluss auf loyale Leser. Das war nicht immer so. Die Zeitung hat zwar immer einen nihilistischen, dekadent morbiden Ton an den Tag gelegt, aber die Leser konnten früher eine kritische Distanz wahren. Heute plappern die Leser die Zeilen nach wie Schauspieler, die ein Drehbuch rezitieren, samt einstudierten Argumentationen.