(Quelle Beitragsbild: Von European People)
Merz hat am Montag geredet geredet, die Kippa saß korrekt. Schön. Aber Reden wirken nur, wenn ihnen konkrete Taten folgen. Wer wirklich entschlossen gegen Antisemitismus vorgehen will, darf nicht bei Sentimenten verharren; er muss handeln — schnell, sichtbar und nachhaltig.
Friedrich Merz hat Recht mit seiner Scham: Antisemitismus ist in Deutschland wieder allgegenwärtig. Doch Scham ist kein Ersatz für Politik. Die Frage, die im Raum steht, lautet nicht, ob Merz betroffen ist — die Frage ist, ob er bereit ist, politisch zu führen. Bisher haben wir zu viele symbolische Gesten und zu wenige belastbare Resultate gesehen. Es wäre an der Zeit, die Rhetorik in konkrete Maßnahmen umzusetzen, statt hinterher zu beklagen, dass nichts geschieht.
Merz’ Rede im wiedereröffneten Haus der Reichenbachstraße war bewegend — und genau deshalb enttäuschend, wenn sie nur als Sonntagsansprache verweht. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland benötigt weniger Worte und mehr Schutz, weniger Bekundungen und mehr Prävention, weniger Lippenbekenntnisse und mehr Durchgriffsrechte gegen Hass und Gewalt.
Was bisher fehlt
Der Staat kann nicht allein auf Appelle an das Gewissen setzen. Polizei und Justiz brauchen klare Prioritäten: jede antisemitische Straftat muss lückenlos untersucht, jede Hetzrede im Internet schnell gelöscht und strafrechtlich verfolgt werden. Behörden müssen strukturell so aufgestellt sein, dass Opfer ernst genommen und Täter konsequent belangt werden. Doch darüber hinaus sind vier weitere Felder unverzichtbar.
Was jetzt konkret nötig ist
- Prävention in Schulen und Gemeinden: Lehrpläne müssen konkrete Module zum Thema Antisemitismus, Holocaust und demokratische Werte enthalten — flankiert durch Fortbildungen für Lehrkräfte und gezielte Bildungsangebote in Migranten-Communities. Wer an Integration glaubt, muss Debatten über Judenfeindlichkeit dort führen, wo Ressentiments früh entstehen.
- Intensive Polizeipräsenz an jüdischen Einrichtungen plus spezialisierte Ermittlungsgruppen: Schutz darf keine Dauerprovisorik sein. Langfristige Konzepte zur Gefahrenabwehr, verbindliche Einsatzpläne und personelle Verstärkung in den zuständigen Dienststellen sind Pflicht.
- Digitale Durchsetzung: Soziale Netzwerke sind Nährboden für Hass. Die Bundesregierung muss härter mit Plattformen verhandeln: Löschfristen, transparente Beschwerdemanagement-Prozesse und Sanktionen bei wiederholtem Versagen gehören auf den Tisch — begleitet von einer unabhängigen Prüfinstanz.
- Integrations- und Einwanderungspolitik mit Klarheit: Es reicht nicht, lediglich auf Herkunftsländer zu zeigen. Es geht um Integrationspflichten, verpflichtende Wertekurse und Abschreckung gegen Hetze. Wer sich dauerhaft weigert, demokratische Grundwerte zu akzeptieren, darf nicht zum Störfaktor werden.
- Stärkung jüdischer Kultur und Zivilgesellschaft: Sicherheitsmaßnahmen sind wichtig — aber nicht alles. Staatliche Förderprogramme müssen jüdisches Leben sichtbar und sicher machen: Schulen, Kulturzentren, Jugendarbeit. Sichtbarkeit ist Widerstand gegen Marginalisierung.
- Internationale Brandmauer gegen Delegitimierung: Die Bundesregierung muss in EU und UNO aktiv werden, um israelbezogene Doppelmoral zu benennen und israelfeindliche Narrative entgegenzutreten. Schutz jüdischen Lebens darf nicht geopolitischen Kalkülen geopfert werden.
Handeln heißt auch, unbequem zu sein
Konkrete Schritte werden Widerspruch ernten — innenpolitisch und international. Aber genau das ist Teil politischer Staatskunst: den langen Atem haben, Maßnahmen durchsetzen und Rückschläge aushalten. Wer nur die Preisrede hält, vermeidet Konfrontation; wer handelt, riskiert Debatten — und schafft am Ende Sicherheit.
Merz hat in München sichtbar Emotion gezeigt. Er hat begriffen, wie tief die Wunde sitzt. Doch Einsicht ohne Umsetzung bleibt hohl. Die Bevölkerung, vor allem die jüdische Gemeinschaft, hat ein Recht auf Taten, nicht nur auf Worte. Es ist gut, dass sich der Kanzler bewegt hat — noch besser wäre es, wenn seine Regierung das Tempo erhöht, klare Verantwortlichkeiten benennt und messbare Ziele setzt.
Ein letzter Punkt: Vertrauen wächst durch Verlässlichkeit. Wenn Merz es ernst meint, dann muss er in den nächsten Wochen liefern — keine großen Entwürfe, sondern sichtbare Schritte: verbindliche Polizeikonzepte, ein Paket für schulische Prävention, ein Aktionsplan gegen Hetze im Netz und ein Fonds zur Stärkung jüdischer Infrastruktur. Erst wenn diese Dinge greifen, wird aus einer eindrucksvollen Rede ein wirklicher Wandel.
Das Publikum hat genug Sonntagsreden gehört. Jetzt ist Zeit für Politik, die schützt. Herr Kanzler: Reden Sie weniger — handeln Sie mehr.