Nassers Versprechen den jüdischen Staat ins Meer zu treiben, verunsicherte das Land. Syrien und Jordanien riefen die Mobilisation aus, um sich Ägypten bei dem vernichtenden Angriff anzuschließen.
Tzvi Fishman, Israel National News, 21. Mai 2020
(übernommen von Abseits vom Mainstream – Heplev)
Während der jährlichen Feiern zum Yom HaAzmaut am Yeshivat Mercaz HaRavin Jerusalem etwa drei Wochen vor dem Sechstage-Krieg hielt haRav Tzvi Yehuda HaKohen Kook in der Jeschiwa Rosch eine starke und prophetische Rede an die Schüler und versammelten Gäste, in der er seine anfänglich von Schmerz geplagte Reaktion beschrieb, als er etwa zwanzig Jahre zuvor die Nachricht hörte, dass die Vereinten Nationen für die Teilung des Landes Israel stimmte und damit die Gründung eines gestutzten jüdischen Staates genehmigte. Während glückliche Israelis draußen auf den Straßen tanzten, saß er Zuhause, überwältigt von der Ankündigung, dass das Erbe von Haschem (Gott) und Jerusalem in Stücke geschnitten und geteilt worden war. Mit erhobener Stimme rief er: „SIE TEILTEN UNSER LAND!“ Jeder im Saal war still. „UND WO IST UNSER HEBRON? UND UNSER SCHECHEM? WO IST JEDER METER DES LANDES, DAS HASCHEM ALLEIN UNS VERERBTE?! HABEN WIR VERGESSEN, DASS DAS GANZE LAND UNSER IST?!“
Einer der Jeschiwa-Schüler, der verstorbnee HaRav Yehuda Hazani, schrieb die Worte seines Lehrers auf: „Yehuda hatte ein phänomenales Gedächtnis“, sagte seine Frau Hannah gegenüber der Jewish Press. „Nachdem er eine saubere Abschrift seines Gekritzels gemacht hatte, zeigte er sie HaRav Tzvi Yehuda für eine abschließende Durchsicht und dann arrangierte er seine Veröffentlichung in der Zeitung HaTzofet. Damals sprach niemand im Land von der Rückkehr nach Judäa und Samaria, auch nicht davon den Tempelberg zu erobern. Die Idee erschien wie verrücktes Science Fiction. Dann wurde sie drei Wochen später wahr.“
Damals, Ende Frühjahr 1967, befand sich Rabbi Schlomo Goren, der Oberrabbiner der Tzahal, in Australien, um Geld für Israel-Bonds einzuwerben, als er in einer lokalen Zeitung las, dass Ägyptens Präsident Nasser die nach Eilat führende Straße von Tiran gesperrt hatte. Auf Nassers Anweisung verließen die Friedensschutz-Truppen der UNO die Halbinsel Sinai und riesige Zahlen an ägyptischen Panzern und Infanterieeinheiten wurden entlang der israelischen Grenze stationiert. In der Gewissheit, dass die kriegerischen Handlungen zum Krieg führen würde, entschied sich Rabbi Goren zurück nach Hause, nach Israel, zu fliegen. „In wenigen Wochen werde ich an der Kotel und auch auf dem Berg Sinai beten“, prophezeihte er einer geoßen Menschenmenge bei seinem Abschiedsauftritt in Australien.
In Israel war die Bevölkerung von Sorge und Verzweiflung ergriffen. Nassers Versprechen, den jüdischen Staat ins Meer zu treiben, hatte das Land verunsichert. Die Armeen von Syrien und Jordanien waren mobilisiert, um sich Ägypten in einem vernichtenden Angriff anzuschließen. Israels Militärführung riet Premierminister Levi Eshkol, dem amtierenden Verteidigungsminister, zuerst zuzuschlagen, bevor Israels Streitkräfte einen tödlichen Schlag erhielten, aber der vorsichtige und alternde Politiker wollte der Administration in Washington Zeit geben Nasser zu überzeugen seine Streitkräfte zurückzuziehen und den UNO-Truppen zu erlauben, in ihre Positionen zurückzukehren. Die obersten Militärs widersprachen; sie wollten das Schicksal des Landes nicht in fremde Hände legen, indem man sich auf Amerika verließ, es vor der Auslöschung zu bewahren.
Nach seiner Ankunft in Israel fuhr Rabbi Goren sofort zu einem Treffen mit dem Oberkommandierenden der IDF, Yitzhak Rabin, der ihn nervös informierte, dass die umgebenden arabischen Länder ihre Armeen zu einem umfassenden Angriff auf den winzigen jüdischen Staat bereit machten. Rabin sagte ihm, dass zwei Minister der National-religiösen Partei, die dagegen waren, den Krieg zu führen – Mosche Haim Schapira und Zerach Warhaftig – Premierminister Levi Eschkol davon abhielten, die IDF-Streitkräfte loszuschicken. Rabin bat Rabbi Goren mit ihnen zu sprechen und sie zu überzeugen ihre Meinung zu ändern. „Nachdem ich selbst die Moral unserer Truppen gesehen habe“, antwortete der Armee-Geistliche in seiner entschiedenen und unabhängigen Art.
Der Journalist Avi Rath, der mehere Jahre damit verbrachte, Rabbi Gorens Autobiografie „Mit Macht und Stärke“ zu editieren, sagte The Jewish Press, dass der ehemalige Oberrabbiner vor allem ein gewaltiger Thora-Lehrer war. „Immer hatte er Verse aus Thora, Tanach und Tehilim auf den Lippen und wenn er Israels Soldaten in die Schlacht begleitete, krönte ihn der Geist der Thora, der ihn erfüllte, mit einem überragenden Glauben, unermüdlicher Energie und Tapferkeit. Für ihn war der Krieg nicht nur eine Sache der Rettung Israels, er war – mit den Worten von König David – dazu da ‚dass die ganze Welt wissen soll, dass es in Israel einen lebendigen Gott gibt‘.“
Rabbi Goren reiste in den südlichen Negev, wo er die Kommandeure von Israels angespannten Battaillonen traf. Er erhielt widersprüchliche Berichte, die von optimistischen Siegeserwartungen und düsteren Vorhersagen, das Zögern der Regierung habe bereits die Gelegenheit vertan; er erteilte dem Armee-Rabbinat den Befehl sich darauf vorzubereiten tausende Gräber im gesamten Land auszuheben für den Fall, dass die Vorhersagen zu den furchtbaren Verlusten wahr werden sollten. Dann eilte er, erfüllt von der zunehmenden Kriegsgefahr, nach Tel Aviv, um sich mit den unwilligen religiösen Ministern zu treffen, die die Schuld für ihren Widerstand auf Yitzhak Rabin schoben, der, so behaupteten sie, auf die Frage nach Israels Erfolgsaussichten, eine Antwort verweigert hatte. Als er zu Rabin eilte, um ihn damit zu konfrontieren, fand Rabbi Goren einen gebrochenen Krieger vor. In seiner Autobiografie schreibt er, dass Ben Gurion, Rabins Mentor, die Zuversicht des jungen Oberkommandierenden gebrochen hatte, der ihn beschuldigte, das gesamte Land zu gefährden und behauptete, Israel allein könne niemals einen gemeinsamen Angriff der mächtigen und massiv aufgerüsteten Streitkräfte Ägyptens, Syriens und Jordaniens besiegen.
„Ben Gurions Worte hatten Rabin tief getroffen, was zu einem Nervenzusammenbuch führte“, vermerkte er. „Er zerfiel einfach. Die gesamte Armee war kriegsbereit und unser Oberkommandierender fiel auseinander.“
Um die Dinge noch komplizierter zu machen, stolperte ein nervöser, unausgeschlafener und unschlüssiger Eschkol durch die Worte seiner Rede, was den Geist der Nation weiter aushöhlte. Bestürzt über Eschkols Verschleppungstaktik forderten die Menschen, dass der beliebte und charismatische Mosche Dayan zum Verteidigungsminister ernannt wird.
Als wäre er von einem göttlichen Geist besessen, telefoniert der IDF-Oberrabbiner mit Motti Hod, dem Oberkommandierenden der israelischen Luftwaffe, der ihm vesicherte, dass ein überraschender Erstschlag gegen Ägypten dessen gesamte Luftwaffe innerhalb von zwei Stunden lahmlegen würde. Rabbi Goren eilte zu einem weiteren Treffen mit Innenminister Mosche Haim Schapira und berichtete auf seine Bulldozer-Art, dass IDF-Kommandeure im Feld zuversichtlich an einen israelischen Sieg glaubten, wenn der Befehl sofort käme. Der Rabbi mit den blitzenden Augen nutzte seine gesamte leistungsstarke Thora-Überzeugungskraft die friedliebenden, religiösen Minister dahingehend zu beeinflussen eine kämpferischere Haltung einzunehmen. Schapira versicherte ihm, dass er die Ernennung von Mosche Dayan zum neuen Verteidigungsminister während der Treffen des Notfall-Kabinetts unterstützen würde, das in ein paar Stunden stattfinden sollte und dass er seinen Widerstand dagegen, Israels Soldaten in den Krieg zu schicken, aufgeben werde.
Weil er bei den Truppen sein wollte, wenn sie in den Gazastreifen und den Siani stürmten, fuhr Rabbi Goren einmal mehr nach Süden, in den Negev. Bevor israelische Kampfjets aufstiegen, betrat der Oberrabbiner den Kommandobunker der Luftwaffe und verteilte das Gebet, das er geschrieben hatte, dazu eine persönliche Note an Motti Hod aus dem Buch Klagelieder, die ihn mahnte: „Verfolgt sie im Zorn und vernichtet sie unter dem Himmel des HErrn.“
Natürlich beeinflussten viele Faktoren Levi Eschkols Entscheidung in den Krieg zu ziehen und der Gesinnungswandel des vorher widerstrebenden Schapira war einer davon. Bei der offiziellen Ankündigung, dass der Krieg erklärt wurde, während Israels bestens ausgebildete Luftwaffe in den Himmel aufstieg, wurde Rabbi Gorens vorbereitete Rede an die Soldaten der Tzahal von „Kol Yisrael“ über Radios in jedes Haus und Büro im gesamten Land ausgestrahlt:
„An diesem Tag des Sieges ist HaSchem mit euch, allen Soldaten der Armeen Israels, zu Land, zu Wasser und in der Luft, um euch im Kampf zum Triumph über unsere Feinde zu führen, die sich gegen uns erhoben haben, um uns zu vernichten. Lasst eure Herzen nicht wanken, denn HaSchem kämpft an eurer Seite, um euch zu retten…“
Innerhalb von Stunden und über die nächsten zwei mirakulösen Tage zerstörten die geschickten Piloten Israels komplett die Luftwaffen von Ägypten, Jordanien und Syrien, während entschlossene israelische Bodentruppen Nassers Battaillone im Gazastreifen und im Sinai zerschlugen, sich den Weg zum Suezkanal erkämpften. Als der Rauch sich über den dezimierten feindlichen Startbahnen und Schlachtfeldern lichtete, musste der israelische Premierminister Levi Eschkol eine Entscheidung treffen – Israels Armee-Befehlshabern in Jerusalem grünes Licht zu geben die Altstadt zu erobern oder den Waffenstillstand anzunehmen, den die Vereinten Nationen in aller Eile organisiert hatten, um die arabische Welt zu retten. Die Uhr tickte. Um vier Uhr morgens hatte Knessetmitglied Menachem Begin Levi mit einem Anruf geweckt, um ihn zu drängen, in Jerusalem weiter zu kämpfen, bevor die Chance zur Rückholung des Tempelbergs und der Westmauer in Israels ewigen Besitz zurückzuholen, vertan sei. Durch Wochen des Drucks und eine tiefe, väterliche Sorge um sein kleines, belagertes Land bereits zermürbt, hatte der zunehmende internationale Druck auf Israel Levis Entschlossenheit weiter geschwächt. Seine obersten Militärs, der neue Verteidigungsminister Mosche Dayan, ein erholter Yitzhak Rabin, Uzi Narkiss und Chaim Bar-Lev warteten ungeduldig auf seine Anweisung, aber er war nicht sicher, das Amerika eine solche entscheidende und die Geschichte beeinflussende Entscheidung stützen würde, die die Jahrhunderte alte Überlegenheitsmythen des Christentums und des Islam so dramatisch anficht. Der rastlose Rabbi Goren eilte ins Rockefellder-Museum direkt gegenüber der Altstadtmauer, wo Mota Gurs Fallschirmjäger vom Auguste-Viktoria-Kloster auf dem Nordgipfel des Ölbergs unter jordanischem Feuer lagen. Obwohl israelische Soldaten im Kampf gegen eingegrabene jordanische Streitkräfte im Norden der Stadt am Ammunition Hill schwere Verluste erlitten, war der von Glauben erfüllte Rabbiner sicher – so wie HaSchem die Kiesel geleitet hatte, die den mächtigen Goliath zu Fall brachten, kämpfte der Ewige an der Seite der mutigen Soldaten der IDF. Gur sagte ihm, dass israelische Divisionen zwar die Altstadt eingekesselt hatten, er aber Befehl von der Regierung hatte, deren Tore nicht zu stürmen, damit nicht die ganze Welt sich gegen Israel erhebt. Die Vereinten Nationen hatten Druck auf Jordanien ausgeübt einen Waffenstillstand anzunehmen, aber der stolze König Hussein befahl derweil seinen Truppen weiter zu kämpfen. Mit feurigem Blick in den Augen bellte der Oberrabbiner der Armee den Befehlshaber der Fallschirmjäger an:
„Diese historische Gelegenheit Jerusalem und den Tempelberg zu befreien, ist in unsere Hand gefallen und du zögerst? Ich übernehme die Verantwortung. Komm mit mir und befreie die Altstadt. Wenn sie uns vors Kriegsgericht stellen, werde ich dich ins Gefängnis begleiten. Es ist eine Ehre, bei der Befreiung Jerusalems zu sterben. Jetzt haben wir die Chance!“
Rabbi Gorens Referent, Rabbi Menachem HaKohen, der während des Krieges nicht von der Seite des IDF-Oberrabbiners wich, sagte gegenüber The Jewish Press, dass Gur den leidenschaftlichen Appell gutmütig akzeptierte, über die Lage witzelte, als ob er den zunehmenden Druck um sie herum mäßigen wollte; er versprach den Schlagbohrer eines Rabbiners mitzunehmen, wenn seine Truppen in die Stadt eindrangen.
Frustriert eilte Rabbi Goren nach Tel Aviv; dort fand er Yaacov Herzog, den engsten Berater des Premierministers und forderte, dass Levi Eschkol die Stunde nutzt.
„Ich war der Fahrer und Referent des Armee-Oberrabbiners“, berichtete Rabbi HaKohen. „Von Jerusalem bis Gaza, dann nach Tel Aviv, zurück nach Gaza, hinauf nach Jeruslaem, hinab nach Tel Aviv, zurück zur Befreiung der heiligen Stadt, dann weiter nach Kever Rachel, Kfar Etzion und Hebron. Die ganze Zeit über schlief er kaum. Sogar nachts hatte er eine tragbare Lampe im Auto, damit er die Gemara studieren konnte. Er lernte jeden Tag sieben Seiten Gemara, selbst während des Krieges. Er sprach auch oft mit mir, um sicherzustellen, dass ich am Steuer nicht einschlief, genau so, wie der Kohen HaGadol vor Yom Kippur die ganze Nacht wach gehalten wurde, indem ihm faszinierende Geschichten erzählt wurden. Wir witzelten sogar darüber, wie die Menschen auf unserer Beerdigung unser gedenken würden, sollten wir im Krieg getötet werden. Obwohl Rabbi Goren ein sehr ernster Talmid Chacham war, zitierte er Kohelet und sagte, es gebe eine Zeit zu weinen und eine Zeit zu lachen.“
Von Tel Aviv fuhr Rabbi Goren zurück nach Gaza im Süden, rechtzeitig, um die 11. Division zu begleiten, als sie sich aufmachte den ägyptischen Streitkräften entgegenzutreten, die sich entlang der Grenze sammelten. Als die Einheit vorwärts brauste, traf ein Artilleriegeschoss das Auto des Kommandeurs des Rabbi. Alle Soldaten wurden mit ihm verwundet. Das Schofar, das er dabei hatte, wurde vom Feuer und der Hitze der Explosion verbrannt, zusammen mit der Mütze des Offiziers. Wie durch ein Wunder blieb die kleine Sefer Thora, die er dabei hatte, unversehrt. Er versorgte die Verletzten so gut er konnte, trug die blutenden Soldaten in die ankommenden Krankenwagen, griff sich einen Helm und drängte mit den Truppen vorwärts, alles unter schwerem ägyptischem Feuer. Während die israelischen Panzer nach heftigen Kämpfen vorrückten, gaben die Feinde ihre Position auf und flohen panisch. „Ich sah mit eigenen Augen die Wahrheit der Verse ‚Fünf von euch werden hundert verfolgen und hundert von euch werden Zehntausende verfolgen und eure Feinde werden vor euch durch das Schwert fallen.‘ Raschi vermerkt, dass die Mathematik kein genaues Verhältnis gibt und erklärt: ‚Man kann nicht ein paar, die die Gebote der Thora ausüben, mit vielen vergleichen, die sie ausüben.‘ Wir erfahren daraus, dass die Kriege Israels zu führen an und für sich Thora ist.“
Als die Sonne über dem Schlachtfeld unterging, beschloss Rabbi Goren, nach Jerusalem zurückzukehren. Mitten in der Nacht kam er in der heiligen Stadt an, wo Explosionen und Gewehrfeuer die Luft in allen Teilen der Stadt erfüllten. Er eilte sofort zum Haus seines Schwiegervaters, des frommen Rabbi David Cohen, der als „Nazir“ bekannt war, und bat ihn, ihm das Schofar seiner Shul zu leihen. Rabbi Gorens Referent, Rabbi Menachem HaKohen, sagte der Jewish Press, dass er auf einem Stuhl stand und das Schofar aus seiner Aktentasche holte. Er lief zum Rockefeller-Museum, wo sie entdeckten, dass viele Soldaten von feindlicher Artillerie und den schweren Kämpfen in der Stadt getötet worden waren. Als er nach einer Stunde Schlaf in seinem Jeep aufwachte, erfuhr Rabbi Goren, dass Mota Gur am frühen Morgen einen Angriff auf das Auguste Viktoria begonnen hatte. Unterstützt von israelischen Jets übernahmen zwei Divisionen der IDF, die aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander zu arbeiteten, die Kontrolle über den strategischen Höhenzug, der von Osten Jerusalem überblickte. Da jordanische Heckenschützen von den Mauern der Altstadt auf anrückende israelische Soldaten schossen, sprang Rabbi Goren in seinen Jeep und fuhr in Richtung Löwentor, wobei er unterwegs einen „Tramper“ auflas, Yosi Ronen, den Tonmann des „Galatz“, des Radiosenders der Armee, der es schaffte die Klänge von Rabbi Gorens Schofar und Siegesrufe sowie den Gesang der Geschichte machenden Schlacht aufzunehmen. Als er endlich den Befehl erhielt, die Altstadt zu befreien, führte Mota Gur eine Fallschirmjäger-Brigade den Ölberg hinab zum Tempelberg. Um 9:45 Uhr eröffneten israelische Panzer zum Lied „Jerusalem aus Gold“, das im ganzen Land im Radio lief, das Feuer auf das Löwentor, wobei sie einen Bus sprengten, der dort positioniert worden war, um das 15 Meter hohe Tor zu sperren. Unter ständigem Feuer von Heckenschützen stürmten die israelischen Soldaten vorwärts. Ein Panzer versuchte den Bus zur Seite zu schieben, blieb aber stecken. Während Rabbi Goren auf das Tor zulief, schrie ihn ein Hauptmann der Fallschirmjäger an, er solle an der Mauer bei den anderen Soldaten Deckung suchen, damit er nicht erschossen werde. Throarolle und Schofar in den Händen ignorierte der nicht zu bremsende Rabbiner den Befehl. „Ich bin der höchste anwesende Offizier“, antwortete er. „Haltet mich nicht auf!“ Er blies das Schofar so laut er konnte und führte den Vorstoß in die Altstadt an, kletterte über den im Tor steckengebliebenen Panzer und rannte auf der anderen Seite weiter. „Die Schichinah, die nie die Steine der Kotel verließ, bereitete den Weg vor den Soldaten Israels, schützte sie mit ihrer Wolke der Herrlichkeit“, schrieb er später. Dann, wie in einem Traum, erreichte er das Tor, das zum Har HaBayit führte. Mit einem weiteren langen Blasen des Schofar rief er den Truppen hinter sich zu: „Im Namen HaSchems, befreit Jerusalem! Steht auf und erobert den Berg!“
Rabbi Yisrael Ariel, damals Schüler an der Jeschiwa Mercaz HaRav und heute Leiter des Temple Institute in Jerusalem, erreichte den Berg, nachdem dieser von den Fallschirmjägern befreit wurde. „Meine Befehle lauteten den Dom des Schreins zu betreten und die Rotunde mit dem Grundstein zu bewachen“, sagte gegenüber The Jewish Press. „Die Tatsache, dass ich am Ort des Allerheiligsten stand, war wie eine spirituelle Explosion, deren Nachhall bis heute bei mir geblieben ist und alles inspirierte, was ich seitdem getan habe. Als ich hörte, dass zwei meiner Ältesten mit langen, weißen Bärten an der Kotel angekommen waren, war ich sicher, dass sie der Messias und Eliahu HaNavi sein mussten. Kurze Zeit später, nachdem ich die Erlaubnis erhielt, mich der Menge an der Mauer anzuschließen, entdeckte ich, dass die zwei heiligen Ältesten meine Rabbiner waren, HaRav Tzvi Yehuda Kook un HaRav David Kohen, der heilige ‚Nazir‘.“
Zu Beginn des Krieges hatte Zvi Friedman mit den Truppen gekämpft, die die ägyptischen Panzer zum Rückzug aus Gaza gezwungen hatten. Er hetzte mit Rabbi Goren nach Jerusalem, um die Truppen in der heiligen Stadt zu stärken und fand sich auf dem Tempelberg wieder, als der Oberrabbiner der Armee eine Siegesansprache hielt, um HaSchem zu danken; diese hatte er in seiner Uniformtasche bereitgehalten. Friedman sagte The Jewish Press:
„Wenn du die Wahrheit wissen willst, bedeutet es mir nichts, mich auf dem Tempelberg zu befinden. Niemand redete damals vom Tempelberg. Anders als heute war er nicht Teil unseres Vokabulars. Mota Gur rief: ‚Har HaBayit ist in unserer Hand!‘, aber ich muss leider sagen, dass die Araber dort immer noch das Sagen haben. Ich schaute auf Hannan Porat, einen jungen Fallschirmjäger und Schüler von Rabbi Tzvi Yehuda Kook und seine Augen glänzten vor Freude und Tränen, aber ich selbst fühlte nichts Besonderes, bis ich an der Kotel ankam.“
Etwas später standen die Befehlshaber Mota Gur, Uzi Narkiss und Verteidigungsminister Mosche Dayan unter den singenden und tanzenden Soldaten, als würden sie sich fragen, was sie mit dem Schatz tun sollten, der ihnen in die Hände gefallen waren. Rabbi Goren ging auf sie zu: „Warum sammeln wir nicht allen Sprengstoff, den wir haben ein und sprengen alle Schreine und Moscheen auf dem Berg, während wir noch die Chance dazu haben“, schlug er seinen ernsten und erschrockenen Zuhörern vor. In der Erkenntnis, dass er an der Kotel aufgeschlossenere Ohren finden würde, eilte er auf der Suche nach dem Weg zur Klagemauer los, die fast zwei Jahrzehnte lang für Juden tabu gewesen war. Sein bärtiger Adjutant Rabbi Menachem HaKohen, war in der Altstadt aufgewachsen und kannte den Weg. Ein paar Soldaten schlossen sich an und es dauerte nicht lange, bis sie vor einem verschlossenen Metalltor standen, das sie mit ihren Schultern eindrückten.
Rabbi Goren erzählt in seiner Autobiografie: „Als ich den engen Platz vor der Kotel erreichte, empfand ich einen großen Lichtblitz, der mich blendete. Ein Araber rannte aus dem gegenüber liegenden Tunnel und schob mir einen Stuhl unter, bevor ich vor Benommenheit umkippte.“
Müde, aber ekstatische Fallschirmjäger eilten dazu und nahmen die Steine der Mauer in die Arme. Über ihnen hängte ein weiterer Schüler der Jeschiwa Mercaz HaRav, Hauptmann Yoram Zammusch, die Davidstern-Flagge an eine Metallstange über der Kotel. Rabbi Goren blies das Schofar, hielt die Thora-Rollen fest und rezitierte Kaddisch für all die Gefallenen; alle Versammelten riefen „Amen!“. Der „Tramper“ vom Radiosender „Galei Tzahal“ war dabei und nahm all die euphorischen Gebete auf.
Rabbi Menachem HaKohen, der später Oberrabbiner der Moschawim und der Histadrut werden sollte, sagte The Jewish Press: „Seit das jüdische Volk geeint vor dem Berg Sinai stand, hat es keinen so absoluten Moment jüdischer Einheit gegeben. Juden in aller Welt, von Moskau bis in die Vereinigten Staaten, in Tel Aviv und Jerusalem, hörten unsere Gebete und antworten ‚Amen!‘“
Nachdem er die Flagge über den oberen Abschluss der Mauer gehängt hatte, bat Yoram Zammusch darum, dass sein Jeschiwa Rosh-Rabbiner Tzvi Yehuda Kook, zur Kotel gebracht wird.
„Rabbi Goren wies mich an sowohl Rabbi Kook als auch den ‚Nazir‘ in die Altstadt zu bringen“, erinnert sich Rabbi HaKohen. „Das Dung-Gate war noch nicht eingenommen, also nahm ich Zammuschs Jeep, der noch immer auf dem Tempelberg stand. Rabbi Goren entschied sich bis zur Mincha-Zeit zu warten, bevor er zum Herzlberg eilte, um sich um die Beerdigungsvorbereitungen für die vielen Gefallenen Soldaten der Tzahal zu kümmern; deshalb kehrte er zum heiligen Ort Beit HaMikdasch zurück, um Tehillim zu rezitieren und die Halacha zu nutzen, die es jüdischen Soldaten erlaubt, den Boden des Mikdasch während der Eroberung des Tempelbergs zu betreten, die noch im Gang war. In der gesamten Altstadt gab es noch Heckenschützenfeuer. Er betete mit aller Kraft, im Hinterkopf, dass das Kever Rachel, der Kfar Etzion und Hebron noch nicht erobert waren und an deren Befreiung wollte er auch beteiligt sein.
Nachdem er den Jeep auf dem Weg auf den Tempelberg durch jubelnde Menschenmengen gefahren hatte, parkte Rabbi Menachem HaKohen auf dem Tempelberg und führte die beiden älteren Rabbiner in den engen Durchgang vor der Klagemauer, der inzwischen von Soldaten verstopft war: „Der fromme ‚Nazir‘ nahm die Steine der Kotel in den Arm und verharrte wie eingefrohren. HaRav Tzvi Yehuda wirkte überwältigt, als könnte er gar nicht begreifen, wo er war. Er schüttelte seine Orientierungslosigkeit und sein Staunen ab und begann zu weinen. Er bat Rabbi Goren ein Kapitel aus den Tehillim aufzusagen und ich blies das Schofar.“
„Diesen Tag zu vergessen ist unmöglich“, erinnerte isch Rabbi Tzvi Yehuda Kook in einer Rede, die er später an einem Jerusalem-Tag in der Jeschiwa Mercaz HaRav hielt. „Mit jeder Stunde wurden die Erwartungen größer. Einer unserer Schüler, der einberufen war, rannte während einer Kampfpause zurück zur Jeschiwa und verkündete, dass unsere Fallschirmjäger mit Hilfe des Allmächtigen bald die Kotel erreichen würden! Wenig später erschien ein bärtiger Offizier mit einer Nachricht von HaRav Goren. ‚Der Oberrabbiner der Armee lädt die Jeschiwa Rosch ein zur Kotel zu kommen“, verkündete er. ‚Ein gepanzertes Auto wartet vor der Tür.‘
HaRav David Cohen, der Nazir, schloss sich uns unterwegs an. Auch er war von einem Schwiegersohn HaRav Goren eingeladen worden. Das Auto der Armee kam durch die freudige Menge nur langsam voran, die auf die Straßen der Stadt drängte – tausende singende und tanzende Menschen. Viele von ihnen hatten angesichts der Befreiung Jerusalems Freudentränen in den Augen. Wir beteten nach neunzehnhundert Jahren Trennung das erste nationale Gebet an der Kotel, nicht als Einzelne, sondern als Repräsentanten des wiedergeborenen Medinat Yisrael [Staat Israel]. Das Gebet, das ein totales Festbleiben an HaSchem war. Alle Augen waren voller Tränen. Jeder sang den Pslam ‚Ein Lied des Aufstiegs: Als der HErr die Gefangenen Zions zurückführte, waren wir wie die Träumende.‘
Bevor wir die befreite Stadt verließen, wurde ich von Radio- und Fernsehreportern aus Israel und der ganzen Welt interviewt. Sie wollten meine Meinung zu dem wissen, was geschehen war. ‚Seht‘, sagte ich, ;wir verkündeten ganz Israel und der ganzen Welt, dass durch wir göttliches Gebot nach Hause zurückgekehrt sind in unsere Heilige Stadt. Von diesem Tag an werden wir hier nie mehr weichen! Wir sind nach Hause gekommen!“