* von Albrecht Künstle
– Es gibt nichts aufzuholen, die NATO ist vielfach überrüstet
– Hier ein Zahlenvergleich in Waffensystemen statt in Dollar
– Dreiteilung des westlichen Bündnisses kann Frieden sichern
Nun üben sich auch Flaggschiffe der Schweizerischen Zeitungslandschaft wie die (NZZ) darin, Politiker oder Publizisten wie mich als „Putin-Versteher“ zu degradieren und schrecken auch nicht vor Falschinformationen zurück, um sich mit ihrer Parteinahme für die aggressive Politik der USA Lorbeeren zu verdienen. Und es fruchtet: „Deutschland tut was es tun soll“, lobte der US-Diplomat Thatcher Scharpf die Berliner Politik – endlich wieder auf US-Kurs. In diesem Artikel … Die faulen Tricks der Putin-Versteher und Möchtegernpazifisten wird meine Aussage in Zweifel gezogen, dass es seitens der NATO gegenüber Russland nichts nachzurüsten gibt. Auch nicht von den europäischen NATO-Ländern durch eine Aufrüstung der Ukraine gegen Russland. Hier ein Absatz aus der NZZ, auf den ich anschließend eingehen will.
„Um die Putin-Ideologie zu rechtfertigen und Russlands angebliche Bedrohungsgefühle zu erklären, verweisen Putin-Versteher gern auf die Rüstungskosten der Nato. Die Nato-Länder verfügen über Militärbudgets in Höhe von 1100 Milliarden Dollar, während das bescheidene, friedliche Russland angeblich mit fast einem Zwanzigstel dieser Geldsumme auskommt, mit nur 61 Milliarden Dollar. Das ist ein Klassiker im Argumentationsrepertoire der pazifistischen Selbstbefriedigung, leicht zu verstehen und einfach schön. Tagtäglich wird dieser Vergleich in politischen Talkshows und Bundestagsdebatten vorgebracht, in sozialen Netzwerken ständig wiederholt. So auch im letzten pazifistischen Großappell mit dem Motto «Nein zum Krieg – gemeinsam stoppen wir den Rüstungswahnsinn!». Diesmal erstunterzeichnet nicht bloß von 60, sondern von mehr als 600 Prominenten. «Schon jetzt übersteigen die ‹Verteidigungsausgaben› aller dreißig Nato-Staaten die russischen um fast das Zwanzigfache», argumentieren sie. Verteidigungsausgaben in Anführungszeichen, womit man signalisiert, dass es auch Angriffsausgaben sein könnten.“ (hier geht’s zum erwähnten https://derappell.de/)
Die dollarmäßige Überlegenheit der Rüstungshaushalte der NATO sei kein Maßstab, meint der NZZ-Gastautor und führt drei Gründe an: Die Arbeiter der Rüstungsindustrie und Soldaten der NATO würden mehr verdienen, Putin könne befehlen, welche Aufträge zu welchem Preis auszuführen sind und Russland deklariere nicht alle seine vielen Militäretats öffentlich. Daraus schulmeistert er namhafte Institute wie SIPRI und stuft sie auf das Niveau von Grundschülern herab, welche noch nicht richtig rechnen können. Weil anscheinend allein dieser Oberlehrer der NZZ rechnen kann, seien meinerseits keine Geldwerte, sondern Soldaten und Waffensysteme gegenübergestellt:
Militärisches Personal (Soldaten, Reserve, Paramilitärs):
NATO 5 405 000, Russland 1 350 000 = Überlegenheit 4:1
Luftwaffe insgesamt (Flugzeuge aller Art und Aufklärer):
NATO 20 723, Russland 4173 = Überlegenheit 5:1
Hubschrauber:
NATO 8485, Russland 1543 = Überlegenheit 5,5:1
Kampfpanzer:
NATO 14 682, Russland 12 420 = Überlegenheit 1,2:1
Gepanzerte Fahrzeuge:
NATO 115 000, Russland 30 122 = Überlegenheit 3,8:1
Militärschiffe:
NATO 2049, Russland 605 (jetzt eines weniger) = Überlegenheit 3,4:1
Nuklearsprengköpfe:
NATO 6065, Russland 6255. „Unterlegenheit“ 0,97:1
Insbesondere die europäischen NATO-Länder haben einen klaren Overkill gegenüber Russland. Es gibt meines Erachtens nichts nachzurüsten. Wir Europäer verfügen über sechsmal so viele Waffensysteme wie die USA. Rüstet die NATO jetzt ab, indem ihre Mitgliedsländer Waffen an die Ukraine abgeben, die noch nicht zur NATO gehört? So kann man es spitzfindig auch sehen. Aber nein, die Waffen werden mit der Überlassung an die Osteuropäer immer näher an Putins Russland herangerückt. Mehr Soldaten braucht die Ukraine nicht, die Armee ist mit 200 000 Soldaten auch ohne die jetzt verpflichteten Zivilisten größer als das deutsche Heer. Doch unsere Bundeswehr soll zur schlagkräftigsten Armee Europas werden! Dabei steht sie schon jetzt nicht ganz so schlecht da wie immer behauptet wird, hier 200 Seiten über die Bundeswehr – wobei Papier allerdings geduldig ist.
Wegen der 20jährigen NATO-Beitritts-Offensive rüstete auch Russland in den letzten zehn Jahren nach, konnte aber mit der Expansion der NATO auf nun 30 Mitgliedsländer nicht schritthalten. Was sich daran zeigt, dass Russland mit seinen konventionellen Waffen schon den Rückzug antreten musste, obwohl die ukrainische Armee numerisch unterlegen ist. Was zeigt, dass es auf die „Schweren Waffen“ gar nicht ankommt. Mit einfachen Panzerfäusten wurden viele russische Panzer geschrottet, was mit eigenen Kampfpanzern auch nicht besser ginge. Auch wird es mit den nun versprochenen Raubtieren (Gepard, Leopard, Marder, Fuchs) nicht möglich sein, russischen Raketenbeschuss zu verhindern.
Weitere Waffenlieferungen werden das Leiden des ukrainischen Volkes nur verlängern. Und weitere NATO-Beitritte bergen das Risiko, dass sich Russland, ob subjektiv oder objektiv, noch mehr eingekreist sieht. Und Putin am Ende aus Verzweiflung jenes Waffenarsenal einsetzt, mit dem Russland nicht unterlegen ist: Atomwaffen. Und dann Gnade uns Gott. Schon jetzt haben wir einen Europakrieg, wenn auch noch keinen Weltkrieg. Aber dieser könnte dann auch unser eigenes Land treffen. Nicht nur in Form der Flüchtlingswelle über Polen nach Deutschland. Wenn Putin ganz durchdreht und jene deutschen Parteizentralen angreift, die dem zusätzlichen Waffenexport zustimmten, werden dann überlebende Deutsche überlegen müssen, wohin sie selbst fliehen können.
Wäre es zur Deeskalation nicht besser, die „NATO“ in drei Blöcke zu gliedern: 1. USA/Kanada; 2. ein europäisches Nordatlantik-Bündnis mit seinen Mitgliedsländern bis 1982 einschließlich Gesamtdeutschland. Und 3. jene Länder, die absolut nichts mit dem Nordatlantik zu tun haben: Die 14 Beitrittsländer seit 1999 (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei; Slowenien, Kroatien, Montenegro, Albanien, Nordmazedonien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien). Dem letzteren Bündnis könnte auch die Ukraine beitreten. Aber eine Mitgliedschaft des derzeitigen Kriegslandes im jetzigen USA-dominierten Bündnis entfernt uns vom Frieden in Europa, den wir uns wünschen und brauchen.
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