Leseprobe aus meinem neuen Buch “Das große Buch der UFO-Sichtungen – Die besten Fälle weltweit”

  • von Roland M. Horn

Einleitung

Wir erleben zurzeit eine Renaissance des UFO-Phänomens. War es seit 1947 – mit einigen kleineren Pausen – bis Mitte der 1990er-Jahre dauerpräsent, schien sich das Phänomen danach endgültig von der öffentlichen Bühne zu verabschieden. Nachdem es vor diesem „Abschied“ von Büchern zum Thema „UFO“ nur so wimmelte, war der Markt schnell übersättigt. Nur wenige Verlage brachten noch Bücher zu diesem Thema heraus. Dazu kam, dass die Zahl der Sichtungen der unbekannten fliegenden Objekte deutlich zurückging. Kaum jemand redete noch vom UFO-Phänomen. Es blieb nur in speziellen Kreisen präsent.

Doch vor erst sehr kurzer Zeit regte sich wieder etwas, und das Phänomen scheint mit aller Wucht zurückzukommen. Ein Wissenschaftler stellte die Hypothese auf, dass eine außerirdische Sonde in unser Sonnensystem eingedrungen sei, und das Pentagon öffnete sich plötzlich dem Thema UFOs, gab Informationen über vom Militär erfasste UFOs heraus und gründete eigens eine Gruppe zur Erforschung des Phänomens, wobei hier die Bezeichnung „UAP“ (Unidentified Aerial Phenomena) anstelle des Begriffes „UFO“ trat. Während des Ukraine-Krieges wurden UFOs gesehen, und Anfang 2023 wurden sogar UFOs vom Militär abgeschossen.

Wenn ich oben schrieb, dass das UFO-Phänomen seit 1947 in aller Munde war, so heißt das nicht, dass nicht schon vorher unbekannte fliegende Objekte gesehen wurden. Da gab es zum Beispiel die Foo-Fighter – merkwürdige unidentifizierte Leuchterscheinungen während des Zweiten Weltkrieges –, da gab es eine wahre Sichtungswelle in den Jahren 1896 und 1897, als mehrere zehntausend Menschen ein unidentifiziertes fliegendes Objekt in verschiedenen Bundesstaaten der USA sahen, das sie als „Airship“ (Luftschiff) bezeichneten, und auch im Mittelalter wurden immer wieder seltsame Lichter am Himmel gesehen, und eine Überlieferung berichtet sogar von einer UFO-Sichtung durch einen ägyptischen Pharao. Vielleicht gibt es UFOs seit Anbeginn der Menschheit.

Aus Platzgründen beschränken wir uns in diesem Buch auf das sogenannte moderne UFO-Phänomen – Sichtungen seit 1947, als der Privatpilot Kenneth Arnold im US-Bundesstadt Washington über den Cascade Mountains neun unbekannte fliegende Objekte sah, die später als „Fliegende Untertassen“ bezeichnet wurden. Schnell – und bestärkt durch das anbrechende Weltraumzeitalter – wurden die Begriffe „UFOs“, „Fliegende Untertassen“ und „Außerirdische Raumschiffe“ synonym verwendet. Das ist auch der Grund für die Einführung des Begriffes UAP, man hofft damit, die „Fliegenden Untertassen“ und „Außerirdische Raumschiffe“ loszuwerden. Man ist der Überzeugung, einen seriöseren Begriff gefunden zu haben. Allerdings war „UFO“ auch einst ein Begriff aus der Fliegersprache, der nichts anderes als „Unidentifiziertes fliegendes Objekt“ bedeutet. Er wurde zu Beginn (noch) nicht mit außerirdischen Raumschiffen assoziiert. Es wird spannend sein zu beobachten, ob der Begriff UAP auf Dauer einer solchen Assoziierung standhalten kann.

Die These von den außerirdischen Raumschiffen ist die beliebteste „exotische“ These für das Phänomen. (Wenn es zu Kontakten von Menschen mit „UFO-Insassen“ kam, so deuteten diese ihnen oft an, dass sie aus dem Weltraum kämen, wenn sie nicht sogar ihren Heimatplaneten nannten), obwohl es auch einige andere sehr interessante exotische Thesen gibt. Doch auch auf sie können wir in diesem Buch nicht eingehen – auch nicht auf die Geschichten der „Kontaktler“, die behaupteten, mit Außerirdischen in Kontakt zu stehen und zum Teil sogar von ihren „außerirdischen Freunden“ auf deren Heimatplaneten mitgenommen worden zu sein.

Wir beschränken uns – abgesehen von den oben genannten Ereignissen aus den letzten Jahren – auf eine Auswahl von klassischen Sichtungen, um sie einer neuen Lesergeneration näherzubringen. In einigen der Fälle wurde die Sichtung durch Radar bestätigt, in anderen wurde das jeweilige UFO aus nächster Nähe gesehen. Andere Fälle hinterließen physikalische Spuren, wie Veränderungen an der Vegetation an der Landestelle, oder hatten sogar eine Nachwirkung auf die Gesundheit der UFO-Zeugen. In einigen Fällen wurden fremde Wesen gesehen, die meistens deutlich als Insassen des fremden Objektes beschrieben werden.
Nach der Beschreibung der Entwicklung des UFO-Phänomens in den letzten Jahren, wird die oben erwähnte Sichtung des Kenneth Arnold den Anfang machen. Den Schlusspunkt setzt die Sichtung der „Phoenix Lights“ – die im Jahr 1997 sehr viele Kontroversen auslöste. Doch nun gehen wir zum Einstieg auf die Frage ein, ob eine außerirdische Raumsonde erst vor sehr kurzer Zeit unser Sonnensystem durchquert hat…

Wiederkehr eines Phänomens

’Oumuamua – eine außerirdische Raumsonde?

Bild 1: Künstlerisches Konzept des interstellaren Objekts1I/2017 U1 (‘Oumuamua), wie es nach seiner Entdeckung im Oktober 2017 das Sonnensystem durchquerte. Das Seitenverhältnis von bis zu 10:1 unterschiedet sich von allen Objekten, die in unserem eigenen Sonnensystem zu sehen sind.

Das Thema UFOs wurde unter der Prämisse, dass der Begriff „UFOs“ mit dem Besuch außerirdischer Raumschiffe gleichzusetzen ist, in den letzten Jahren auch deswegen wieder populär, weil Avi Loeb, Professor für Astrophysik an der Harvard University (Abraham), die Ansicht äußerte, dass ein zylindrisch geformtes Objekt, das „’Oumuamua“ genannt wurde (hawaiianisch etwa „Kundschafter“ oder „Erster Bote aus der Ferne“), nicht nur das erste interstellare Objekt ist – und dazu noch ein seltsam geformtes –, das unser Sonnensystem je durchquert hat, sondern es darüber hinaus eine Sonde einer außerirdischen hochentwickelten Kultur ist. Es wurde am 19. Oktober 2017 durch den Astronomen Robert Weryk am Haskala-Observatorium mit dem Panoramic Survey Telescope and Rapid Response System (Pan-STARRS) entdeckt. Zuvor hatte dieses Objekt am 9. September 2017 bereits sein Perihel erreicht, also seinen sonnennächsten Punkt, um anschließend damit zu beginnen, unser Sonnensystem zu verlassen. Seine Geschwindigkeit – ’Oumuamua bewegte sich mit 94.240 Stundenkilometern – war ein Garant dafür, dieses Ziel zu erreichen. Um den 29. September herum zog das Objekt durch die Umlaufbahn der Venus, um schließlich um den 7. Oktober herum durch jene der Erde zu wandern, wobei er sich gleichzeitig auf das Sternbild Pegasus zubewegte. Als das Objekt unser Sonnensystem verlassen hatte und sich wieder im interstellaren Raum befand, hatte noch niemand Notiz von ihm genommen.

Avi Loeb.

Wer ist dieser Avi Loeb, und warum stellt er diese gewagte These auf? Loeb wurde am 26. Februar 1962 in Beit Hanan, Israel, geboren, und hat seinen oben genannten Posten seit 1997 inne. Seit 2007 ist er Direktor des Institute for Theory und Computation (ITC) am Harvard-Smithonian-Center für Astrophysik, seit 2011 Vorsitzender des Fachbereichs Astronomie an der Harvard University. Seit 2012 hat er dort die Frank B. Bird Jr. Professur of Science inne, und in jenem Jahr wurde er auch in die American Academy of Arts and Science gewählt und ist außerdem Vorsitzender des Beratungskomitees des Forschungs- und Entwicklungsprojekts Breakthrough Starshot, dessen Ziel es ist, Forschungssatelliten in das der Sonne nächstgelegene Nachbarsystem Alpha Centauri zu entsenden.

Anfangs bestand Übereinstimmung darüber, dass es sich bei dem Objekt um einen interstellaren Kometen oder Asteroiden handelt, doch im Laufe des Herbstes 2017 rätselte Loeb zusammen mit anderen Naturwissenschaftlern über immer deutlicher werdende Unstimmigkeiten in den Daten. Es war Loeb und seinen Kollegen nicht möglich, die empirischen Belege sauber mit der Hypothese in Übereinstimmung zu bringen, dass ’Oumuamua ein Asteroid oder Komet war. Jetzt begann Loeb damit, alternative Hypothesen zu formulieren, mit denen sich die sich mehrenden Besonderheiten des Objektes erklären lassen konnten.

Zunächst einmal versuchten die Astrophysiker Aufschlüsse über die Form des Objektes zu gewinnen. Dazu liefert die sich verändernde Helligkeit eines Objektes wertvolle Hinweise. Im Fall von ’Oumuamua variierte die Helligkeit alle acht Stunden um das Zehnfache. Daraus folgerten die Astrophysiker, dass dies die Zeit war, die das Objekt für eine vollständige Drehung brauchte. Durch diese drastische Veränderlichkeit der Helligkeit von ’Oumuamua wurde klar, dass das Objekt mindestens fünf- bis zehnmal länger als breit war.

Loeb und seine Kollegen fügten diesen Abmessungen weitere Hinweise auf ’Oumuamuas Größe hinzu, und die Wissenschaftler waren sich sicher, dass das Objekt relativ klein war. Da das Objekt sich in Sonnennähe befand, war klar, dass es eine sehr heiße Oberflächentemperatur gehabt haben muss. Dies müsste für die Infrarotkamera des Spitzer-Weltraumteleskops – sie ist bei der NASA seit 2003 in Betrieb – sichtbar gewesen sein, doch das war es nicht. Die Kamera des Teleskops konnte keinerlei Wärme erfassen, die von ’Oumuamua abgestrahlt worden sein könnte. Das führte Loeb und seine Kollegen zu der Annahme, dass das Objekt verhältnismäßig klein und aus eben diesem Grund für das Teleskop nur sehr schwer erkennbar gewesen war. Loeb und seine Kollegen schätzten die Länge des Objektes auf ungefähr einhundert Meter ein, es könne aber auch etwas kleiner gewesen sein.

Normalerweise hat ein Komet eine ihn umhüllende Atmosphäre aus verdampfendem Eis und vielleicht auch anderen Substanzen. Diese Atmosphäre ist es, die einem Komet seinen charakteristischen Schweif verleiht. Dabei wirkt das verdampfende Eis des Kometen wie eine Düse, die den Kometen antreibt. Dieser Raketeneffekt kann dazu führen, dass der ausgasende Komet von seiner Bahn abweicht.

Geht man davon aus, dass der zusätzliche Anstoß, der ’Oumuamua antrieb, vom Raketeneffekt stammte, hätte er ungefähr ein Zehntel seiner Masse verlieren müssen, um auf seine Geschwindigkeit zu kommen. Intensive Beobachtungen des Raums um den vermeintlichen Kometen ließen jedoch keine Spur von Wasser, kohlenstoffbasierten Gasen und Staub erkennen, zu denen das Eis des Kometen hätte verdampfen müssen. Das bedeutet, dass ’Oumuamua nicht von Kometendampf oder sichtbaren Staubteilchen angetrieben wurde. Auch die Drehgeschwindigkeit des Objektes änderte sich nicht. Genau dies hätte jedoch der Fall sein müssen, wenn einseitig gerichtete Düsenstrahlen es zu einer Seite gedrückt hätten, was sie bei Kometen häufig tun. Dazu kommt, dass eine solche massive Verdampfung die Rotationsperiode des „Kundschafters“ hätte ändern müssen. Auch das wurde bei Kometen des Sonnensystems häufig beobachtet – bei ’Oumuamua jedoch nicht.

Insofern ist, wie Loeb erklärt, die Abweichung von seinem Pfad ein Rätsel. Es gälte, die Kraft zu erklären, die auf es einwirkte, wobei man auch die Tatsache, dass ein eventueller Kometenschweif aus Gas und hinter ihm so dünn war, dass er von unseren Geräten nicht erkannt wurde, beachten müsse.

Bild 2: Dieses sehr tiefe kombinierte Bild zeigt das interstellare Objekt ‘Oumuamua in der Mitte des Bildes. Es ist von den Spuren schwacher Sterne umgeben, die verschmiert wurden, als die Teleskope den sich bewegenden Kometen verfolgten.

Die Mainstream-Wissenschaft legte sich darauf fest, dass ’Oumuamua ein Komet gewesen ist, wenn auch ein besonderer. So haben sie nach Loebs Darstellung ihre Theorien über ’Oumuamuas physische Größe und Zusammensetzung „bis zum Zerreißen überdehnt“. Einige Forscher schlugen vor, dass das Eis des vermeintlichen Kometen vollständig aus Wasserstoff bestand – was außergewöhnlich ist – und er aus diesem Grund nicht gesehen werden konnte. Berechnungen seitens Loeb und seines Kollegen Thiem Hoang ergaben jedoch, dass ein Eisberg aus Wasserstoff während der interstellaren Reise des Kometen längst hätte verdampft sein müssen, bevor er unser Sonnensystem erreicht hätte.

Weiter war rätselhaft, warum die Beschleunigung des vermeintlichen Kometen während der Kursabweichung gleichmäßig und stetig war. Nun sind Kometen aber unregelmäßige Felsbrocken, an deren unebenen und unregelmäßigen Oberflächen ungleichmäßig verteiltes Eis haftet. Die Sonne schmilzt das Eis folglich über diese unebene und löchrige Oberfläche, wodurch eine abgehakte Beschleunigung resultiert – was bei ’Oumuamua eben nicht beobachtet werden konnte.

Abgesehen von der Ausgasung hätte ein Zerfallen des „Kometen“ in kleinere Teile auch eine Kursabweichung verursachen können, da die kleinen Teile einer neuen Flugbahn folgen – doch auch dies hätten unsere Teleskope wahrnehmen müssen. Das haben sie aber nicht. Auch andere Erklärungen erschienen wenig plausibel.

Insgesamt stellt Loeb drei Anomalien von ’Oumuamua fest: seine ungewöhnliche Umlaufbahn ohne Schweif, seine extreme Form und seine Helligkeit. Somit ist ’Oumuamua für Loeb eindeutig ein Sonderfall.

Es war Anfang September 2018 – etwa ein Jahr nachdem ’Oumuamua unser Sonnensystem überflogen hatte –, als Loeb einen Aufsatz für die populärwissenschaftliche Zeitschrift Scientific American schrieb. In diesem Aufsatz ging es um die Frage, was die Suche nach den Überbleibseln außerirdischer Zivilisationen – insbesondere erloschener – für Folgen haben könnte. In diesem Aufsatz argumentierte er, dass wir anhand der Daten des NASA-Satelliten Kepler wüssten, dass etwa ein Viertel aller Sternsysteme bewohnbare Planeten im Größenmaßstab der Erde beherbergen. Führte auch nur ein winziger Bruchteil aller bewohnten erdähnlichen Planeten während der Lebensdauer ihrer Sterne zu technischen Zivilisationen – wie die unsere eine ist –, könne es für uns eine ganze Reihe von Überbleibseln dort draußen in der Milchstraße zu erforschen geben.

Wie Loeb weiter ausführt, könnten einige dieser Welten Hinweise auf vergangene Zivilisationen enthalten, wie geologische Spuren oder verlassene Megastrukturen. Noch faszinierender fand Loeb die Möglichkeit, dass wir in unserem Sonnensystem fliegende technische Überbleibsel finden könnten, die keine erkennbare Funktion aufweisen, wie zum Beispiel Ausrüstungsbestandteile, die ihre Leistungsfähigkeit im Laufe der Millionen Jahre ihrer interstellaren Reise verloren haben und nun nichts weiter als Weltraummüll sind.

Anschließend merkte Loeb an, dass es durchaus möglich sei, dass wir bereits ein derartiges technisches Überbleibsel gefunden haben könnten: ’Oumuamua.

Etwa zur gleichen Zeit trat ein neuer Postdoktorand, Shmuel Bialy, am Institute for Theorie und Computation ein, dessen Leiter Loeb ist. Letzterer schlug ihm vor, gemeinsam einen Aufsatz zur Erklärung der überschüssigen Beschleunigung von ’Oumuamua durch Sonnenstrahlung zu schreiben. Durch Loebs vorangegangene Arbeit über Lichtsegel bei der Ausarbeitung der Starshot-Initiative, war er mit den wissenschaftlichen Einschränkungen und Möglichkeiten vertraut, die interstellare Reisen mittels der Lichtsegeltechnik aufweisen. Entsprechende Formeln hatte er noch frisch in Erinnerung. So könnte er sie anwenden, um möglicherweise die sonderbare Kraft zu erklären, die das Licht der Sonne auf ’Oumuamua ausübte. Zu jener Zeit war seine Einstellung dazu: „Das könnte funktionieren.“ Eine aufregende Entdeckung wurde somit der astronomischen Welt präsentiert– ein inter20 stellares Objekt, zu dem Loeb und Bialy verwirrende Daten gesammelt hatten. Sie hatten es mit Tatsachen zu tun, die nur schwer mit einer Hypothese in Einklang gebracht werden konnten, die alle diese Tatsachen erklären konnte. So folgte Loeb letztlich dem gleichen naturwissenschaftlichen Grundsatz, dem er, wie er sagt, immer gefolgt war: Eine Hypothese, die allen Daten gerecht wurde, sollte in Erwägung gezogen werden.

Wie Loeb schreibt, wuchs Bialys Begeisterung, nachdem er die Zahlen überprüft hatte, denn tatsächlich sah Loebs Idee nach einer tragfähigen Möglichkeit aus, was sie direkt zur nächsten zu beantwortenden Frage führte: Was würden wir über ’Oumuamuas Größe und Zusammensetzung annehmen müssen, damit seine Abweichung erklärbar wäre? Eine noch entscheidendere Frage war, wie dünn ’Oumuamua sein müsste, um das extreme Flächen-Volumen-Verhältnis zu besitzen, das für seine überschüssige Beschleunigung verantwortlich war. Bialy und Loeb stellten fest, dass ’Oumuamua weniger als einen Millimeter dick sein müsste – wäre das Objekt kleiner, könnte die Kraft des Sonnenlichts nicht wirken. Loeb bezeichnet die Schlussfolgerung daraus als offensichtlich:

„Die Natur hat keinerlei Fähigkeit gezeigt, irgendetwas von der Größe und Zusammensetzung hervorzubringen, die unsere Annahmen nahelegten. Daher muss etwas oder jemand ein solches Lichtsegel gebaut haben. ’Oumuamua musste von einer außerirdischen Intelligenz entworfen, gebaut und abgeschickt worden sein.“

Loeb betont, dass diese zugegebenermaßen exotische Erklärung nicht exotischer ist als andere Hypothesen,die zur Erklärung der extremen Eigenschaften von ’Oumuamua vorgeschlagen wurden. Die Natur tendiere nicht dazu, Kometen aus reinem Sauerstoff oder aus Material flauschige Wolken zu erzeugen, die dünner als Luft sind und gleichzeitig strukturell zusammenhängen. So beruhte das außergewöhnliche Fazit, das Loeb und Bialy zogen, fast vollständig auf der Annahme, dass es sich bei ’Oumuamua um kein natürliches Objekt handelte.

„Der Schluss auf ein Lichtsegel mag zwar abwegig erscheinen“, schreibt Loeb, „doch der Weg zu diesem Schluss erforderte keinerlei verrückten Sprünge“. Bialy und er hätten einen logischen Weg beschritten, indem sie den Belegen folgten. „Entsprechend der bedeutenden Tradition naturwissenschaftlicher Detektivarbeit hielten wir uns an eine Maxime von Sherlock Homes: ‚Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das was übrig bleibt, wie unmöglich es auch sein mag, die Wahrheit sein.‘“

Ihre Idee veröffentlichten die beiden Forscher in einem Aufsatz mit dem Titel „Could Solar Radiation Pressure explain ’Oumuamuas Peculiar Acceleration?“. In diesem Aufsatz beantworteten sie eine Reihe weiterer Fragen zu ’Oumuamua. Sie beschrieben die wahrscheinliche Beschädigung, die er bei seinem Flug durch das All erleiden würde, sei es durch die Kollision mit Weltraumstaub oder durch die dauerhafte Belastung durchn die Zentrifugalkraft, die das Produkt durch seine Rotation erzeugen würde. Weiter gingen die beiden Forscher auf die Frage ein, welchen Einfluss eine solche Beschädigung auf Masse und Geschwindigkeit des Objektes haben könnten, wobei sie feststellen, dass er nur minimal war. Loeb und Bialy legten eine Gleichung nach der anderen dar und zogen Schlüsse aus den verfügbaren Daten über Dicke und Masse des Gebildes, die dessen Oberflächen-Volumen-Verhältnis vorschreiben. Am Ende des Aufsatzes stellen die beiden Forscher ihre Hypothese auf:

„Wenn der Strahlungsdruck die beschleunigende Kraft ist, dann stellt ’Oumuamua eine neue Kategorie von dünnem interstellarem Material dar, das entweder von der Natur hervorgebracht wird … oder einen künstlichen Ursprung hat. Wenn man einen künstlichen Ursprung annimmt, besteht die Möglichkeit darin, dass ’Oumuamua ein Lichtsegel ist, das im interstellaren Raum als Trümmerteil einer hoch entwickelten technischen Ausrüstung schwebt.“

Einmal fertiggestellt, reichten Loeb und Bialy den Aufsatz bei der angesehenen naturwissenschaftlichen Zeitschrift Astrophysical Journal Letters ein – eine Zeitschrift, die auf aktuelle Aufsätze mit hohem Impact-Faktor (eine errechnete Zahl, deren Höhe den Einfluss einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift wiedergibt) spezialisiert war. Ihre Absicht war, die Aufmerksamkeit ihrer Wissenschaftskollegen zu erregen, von denen sie wussten, dass sie grundsätzlich Hypothesen gegen die Belege abwogen. Außerdem stellten die beiden Wissenschaftler das Manuskript bei der online zugänglichen Vorabdruck-Internetseite arXiv.org ein, bevor es von Kollegen begutachtet wurde. Wie Loeb erklärt, durchkämmen Wissenschaftsjournalisten arXiv.org regelmäßig auf Storys. So war es auch in diesem Fall. Nach nur kurzer Zeit fanden zwei von ihnen die Studie der beiden Wissenschaftler und beeilten sich damit, über die Hypothese von Loeb und Bialy zu berichten. Diese Beiträge verbreiteten sich rasend schnell, und am 6. November 2018, so schreibt Loeb, „explodierte alles“. Innerhalb von Stunden nach dem Erscheinen der ersten Medienberichte wurde Loebs Tür von Kameras belagert. Vier Fernsehteams drängten sich in sein Büro in der Garden Street in der Stadt Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts. Bereitwillig antworte er auf ihre Fragen. Gleichzeitig musste er ständig Telefonanrufe entgegennehmen und auf E-Mails von Zeitungsreportern reagieren.

„Zu sagen, dass meine Erwägung, dass ’Oumuamua ein künstliches Produkt sein könnte, auf Missfallen stieß, ist gelinde ausgedrückt. Zwar war die Boulevardpresse entzückt, und die breitere Öffentlichkeit war fasziniert, aber meine Wissenschaftlerkollegen waren, sagen wir, zurückhaltender“, schreibt Loeb.

So habe im Juli 2019 das ’Oumuamua-Team des International Space Science Institute (ISSI) im transformativen Journal Nature Astronomy eine Schlussfolgerung zum ’Oumuamua-Thema veröffentlicht, die da lautet: „Wir finden keine zwingenden Belege dafür, eine Erklärung für ’Oumuamua zu bevorzugen, die mit Außerirdischen operiert.“ Wie Loeb erklärt, ist vor dieser Schlussfolgerung im Artikel zu lesen, dass die Theorie, dass außerirdische Technik involviert ist, die Bialy und er selbst vorgeschlagen hatten, zwar provokant, aber doch haltlos sei. Aber: Der Aufsatz endete mit einer Liste von unbeantworteten ’Oumuamua-Anomalien, die die Autoren als „offene Fragen“ bezeichneten.

Im Mai 2023 erklärten die Assistenzprofessorin für Chemie Jennifer B. Bergner von der University of California in Berkeley und der Astronom und Planetenwissenschaftler Darryl Z. Seligmann von der Cornell University das ’Oumuamua-Rätsel als gelöst. In einer Studie erklärten sie, dass die Beschleunigung von ’Oumuamua auf die Freisetzung von eingeschlossenem molekularem Wasserstoff zurückzuführen sei, der sich durch die energetische Verarbeitung eines H2O-reichen Eiskörpers gebildet hat. Diesem Modell zufolge war ’Oumuamua ursprünglich ein eisiges Planetesimal – ein Vorläufer und Baustein eines Planeten. Während seiner interstellaren Reise bei niedrigen Temperaturen sei es von kosmischer Strahlung bestrahlt worden, und als es durch unser Sonnensystem reiste, sei es erwärmt worden. Bergner und Seligmann zufolge wird diese Erklärung durch zahlreiche experimentelle Arbeiten unterstützt, die zeigen, dass molekularer Wasserstoff (H2) effizient und generisch aus der H2O-Eisverarbeitung hergestellt und das eingeschlossene H2 während der Erhitzung der amorphen Wassermatrix über einen breiten Temperaturbereich freigesetzt würde. Laut Bergner und Seligmann kann dieser Mechanismus viele der besonderen Eigenschaften von ’Oumuamua ohne Feinabstimmung erklären, was eine weitere Unterstützung der These sei, dass ’Oumuamua als planetesimales Relikt entstanden ist, das den Kometen des Sonnensystems im Großen und Ganzen ähnlich sei.

(…)

Weiter geht’s im Buch…

s. hier: “Das große Buch der UFO-Sichtungen” – Neues Buch von mir erschienen

Erhältlich bspw. hier


Bildnachweise:

Bild 1: Bildquelle: Europäische Südsternwarte / M. Kornmesser. https://en.wikipedia.org/wiki/%CA%BBOumuamua#/media/File:Artist’s_impression_of_%CA%BBOumuamua.jpg . https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de

Bild 2: Quelle: Aloeb, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Abraham(Avi)_Loeb.jpg. CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0  >, via Wikimedia Commons

Bild 3: Bildnachweis: ESO/K. Meechet al. NASA. https://en.wikipedia.org/wiki/%CA%BBOumuamua#/media/File:A2017U1_5gsmoothWHT_enhanced.jpg. https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de

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