(Zum Beitragsblid oben. Symbolbild. Image by Sinisa Maric from Pixabay)
Unsere Retter der Demokratie haben nicht lange gebraucht, um sich von ihrem Schock zu erholen, dass eine Wahl nicht so ausging, wie sie es vorgesehen hatten. Nach einem Tag Gift und Galle spucken und Spahn und Merz zu bezichtigen, ihre „Fraktion nicht im Griff“ zu haben, sprang schon am nächsten Tag die Propagandamaschine an. Der Öffentlichkeit sollte sehr schnell weisgemacht werden, dass Frau Brosius-Gersdorf wirtschaftspolitisch eigentlich Ludwig Erhard nahe stünde und somit eine willkommene Kandidatin für die Union sein müsste. Allerdings verplapperte sich die „Zeit“, die mit der Kampagne begann, indem sie Brosius-Gersdorf eine „progressive Aktivistin“ nannte. Aktivismus verträgt sich allerdings nicht mit einer Institution, die dem Neutralitätsgebot verpflichtet ist. Zum Glück wurde die Personalie, die unter dem Radar der Öffentlichkeit im Bundesverfassungsgericht installiert werden sollte, Gegenstand einer öffentlichen Diskussion. Die grüne Linke, die dabei ist, den Staat von einem Rechts- in einen Gesinnungsstaat umzuwandeln und die gewohnt war, dass seit Merkels Zeiten die Union über jedes Stöckchen gesprungen ist, das links-grün ihr hingehalten hat, will nun die sofortige Neuwahl der Verfassungsrichter.
Die beiden Fraktionsvorsitzenden Haßelmann und Dröge verkündeten heute vor der Presse, dass sie in einem Brief an die Fraktionschefs des Bundestages gefordert haben, in einer Sondersitzung, die noch diese Woche stattfinden soll, die Wahl der Bundesverfassungsrichter mit allen drei Kandidaten zu wiederholen. Damit wollen sie offensichtlich verhindern, dass auch über die zweite SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold kritisch diskutiert wird.
Kaufhold blieb in der vergangenen Woche im Windschatten der Brosius-Gersdorf-Diskussion eher unbeachtet, obwohl sie nach Einschätzung des Medienwissenschaftlers Norbert Bolz noch gefährlicher ist als Brosius-Gersdorf. Kaufhold ist eine Klimaaktivistin, die der Meinung ist, dass die Politik die angeblich nötigen Klimaschutzmaßnahmen nicht schnell genug voranbringe. Um die Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft zu beschleunigen, sollten Gerichte ertüchtigt werden, unpopuläre Maßnahmen anzuordnen, also zu politischen Kampfinstrumenten umfunktioniert werden. Außerdem seien Zentralbanken geeignet, grüne Geldpolitik zu machen. Auch zu Wahlen hat Kaufhold ein spezielles Verhältnis. Sie sollen in Zukunft überflüssig sein, denn man wisse genau, was die Bevölkerung wolle. Das entspricht einer Forderung der Smart-City-Agenda, entwickelt vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, die schon zu Merkels Regierungszeiten vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit veröffentlicht wurde und die unter dem Radar der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit blieb, obwohl sie extremistische Forderungen wie den Verzicht auf Wahlen enthielt.
Wörtlich: „6. Post-voting society – Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“
Wo war der Verfassungsschutz bei der Veröffentlichung dieser Schrift? Wussten Merz und Spahn von den Ambitionen Kaufholds, als sie den „Kompromiss“ vorschlugen, statt Brosius-Gersdorf Kaufhold zur Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts zu machen?
Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer, wusste schon Francisco Goya, als er seinen gleichnamigen grafischen Zyklus schuf. Wir können uns Schlaf nicht mehr leisten. Die Ungeheuer, die Demokratie ersetzen wollen, sind längst unter uns!