Zum Beitragsbild oben: Palästinensische Demonstranten versammeln sich am 18. September 2023 während einer Demonstration entlang des Grenzzauns zu Israel östlich von Gaza Stadt (Foto: Atia Mohammed/Flash90)
In den letzten Wochen hat die Hamas hunderten Palästinenser erlaubt und sie ermutigt gewalttätige Krawalle entlang der Gaza-Grenze zu veranstalten, neuerdings fast täglich.
Im Verlauf der letzten fünf Tage hat es regelmäßig Proteste gegeben und an mindestens einem Ort schienen Randalierer am Dienstag eine Zaun an der Grenze zu überqueren. Palästinenser warfen Sprengsätze auf den Zaun und israelische Streitkräfte reagierten mit dem Feuern von Tränengas und scharfer Munition.
Nach der standardmäßigen Schließung des Übergangs Erez über Rosch HaSchana, der von Arbeitern des Gazastreifens mit Genehmigungen nach Israel ein- und auszureisen genutzt wird, blieb dieser als Reaktion auf die Krawalle geschlossen. Die Wiederöffnung des Übergangs unterliegt einer Lagebeurteilung.
Die Krawalle sind von den Organisatoren auch einer Reihe von Themen in Verbindung gebracht, darunter angebliche Angriffe israelischer Streitkräfte auf palästinensische Frauen, angebliche Übertretungen an der Al-Aqsa-Moschee und jüdische Besuche auf dem Tempelberg sowie Politik, die vom Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir geförderte Politik gegenüber palästinensischen Häftlingen.
Anfang dieses Monats sagte eine der Hauptgruppen, die die Krawalle organisieren, sie wären von den Grenzwachen der Hamas daran gehindert worden den Bereich des Zauns zu erreichen. Die Gruppe hatte vor diesen geplanten Krawallen Fotos intensiver Vorbereitungen veröffentlicht, darunter die Vorbereitung eines großen Sprengsatzes.
Arabischsprachige Medienberichte in etwa zu der Zeit deuteten an, dass die Krawalle verhindert wurden, nachdem Drohungen aus Israel über den qatarischen Gesandten Mohammed al-Emadi an die Hamas-Führer übermittelt wurden.
Wenn also die Hamas damals scheinbar Angst hatte zu eskalieren, warum passt es ihnen jetzt, mitten während der Hohen Feiertage, einer der sensibelsten Zeiträume des Jahres?
Einer der maßgeblichen Vorschläge hat darin bestanden in Problemen mit den Zuschüssen aus Qatar, die der Streifen regelmäßig erhält. Der Zuschuss bietet den vielen bedürftigen Familien im Gazastreifen Beihilfen, außerdem die Gehälter der Hamas-Funktionäre.
In den letzten Monaten haben Medien berichtet, dass Qatar es ablehnte die Gelder zu übergeben, die es normalerweise für die Gehälter der Staatsbediensteten im Gazastreifen zur Verfügung stellt. Währen der Zuschuss für bedürftige Familien während eines kürzlichen Besuchs Emadis ausgezahlt wurde, wurden die Gelder für die Staatsbediensteten zurückgehalten.
KAN berichtete am Dienstag, dass die Hamas die volle Zuwendung aus Qatar über Rosch HaSchana erhielt, aber zuließ eine Eskalation an der Grenze trotzdem zuließ, um die Geldmenge für den Streifen zu erhöhen. Die Beihilfe für Gaza beinhaltet von Qatar gekauften Treibstoff, den die Hamas dann verkauft und das Geld daraus geht dann in die Gehälter der Staatsbediensteten. Weil die Benzinpreise gestiegen sind, erhält die Hamas jetzt weniger Treibstoff und hat daher weniger Profit aus dem Verkauf, um sie für die Gehälter zu nutzen.
Oftmals eskaliert die Hamas die Spannungen mit Israel schrittweise, wie es jetzt der Fall ist, wenn sie irgendeine Form von wirtschaftlichem Gewinn anstrebt, beispielsweise eine Erhöhung des Zuschusses für Katar oder mehr Genehmigungen für palästinensische Arbeiter, nach Israel einzureisen.
Andererseits hat die Hamas selbst nachdem Israel auf die Krawalle mit der Schließung des Übergangs Erez reagierte – ein Schritt, der enormen Druck von Arbeitern auf die Hamas ausübte, die jetzt nicht in der Lage sind zur Arbeit zu gehen – die Grenzkrawalle weiter eskaliert.
Die Wiederaufnahme der Krawalle kommt auch zu einer Zeit, in der die Hamas sich dem „perfekten Sturm“ der Spannungen gegenüber sieht. In der Westbank nehmen die Terroranschläge zu, palästinensische Häftlinge sind von Ben-Gvir verhängter strengerer Politik ausgesetzt, jüdische Besuche auf den Tempelberg laufen fast ungestört ab und während Rosch HaSchana wurde auf dem Tempelberg sogar ein Schofar geblasen, palästinensische Medien haben sich auf die jüngsten angeblichen Angriffe israelischer Streitkräfte auf palästinensischer Frauen konzentriert und Israel hat Berichten zufolge direkte Drohungen gegen die Terrorgruppen geäußert, es werde die gezielten Tötungen ihrer Führer außerhalb der Westbank wieder aufnehmen.
Zusätzlich hat der Iran, der Gönner von Hamas und Palästinensischem Islamischem Jihad, daran gearbeitet, seine Anstrengungen gegen Israel zu intensivieren.
Gerade sind eine Reihe mit dem Iran in Verbindung stehender Versuche starken Sprengstoff von Jordanien in die Westbank zu schmuggeln vereitelt worden (was bedeutet, dass mindestens einige unentdeckt durchgekommen sind).
Die Hisbollah, ebenfalls vom Iran begünstigt, hat seine Provokationen an Israels Nordfront in den letzten Monaten ebenfalls intensiviert, auch wenn diese Front im letzten Monat ruhiger geworden ist.
Die Hamas könnte von ihrem Gönner einen Anstoß bekommen haben stärker gegen Israel vorzugehen, ob in einem Versuch den internen Konflikt auszunutzen oder zu helfen von den Maßnahmen abzulenken, die der Iran intern und in der Region unternimmt.
Alle diese Faktoren waren allerdings bereits vorhanden, als die Hamas die Grenzkrawalle Anfang dieses Monats verhinderte. Was hat sich also geändert?
Warum eskaliert die Hamas? Israelische Drohungen werden nicht durch Taten untermauert
Ein Faktor, der sich verändert hat, ist, dass israelische Amtsträger zwar wiederholt Drohungen ausgesprochen haben, es aber versäumt haben diese großen Äußerungen mit Handeln zu unterstützen. Nach so vielen Malen der starken Worte, die nur Worte bleiben, könnte die Terrorgruppe das Selbstvertrauen gewonnen haben direkter zu agieren.
Verteidigungsminister Yoav Galant und Premierminister Benjamin Netanyahu haben als Reaktion auf den zunehmenden Terror in der Westbank wiederholt gedroht, gegen die Führer der Terrorgruppen und selbst den Iran vorzugehen, aber diese Drohungen sind zumindest bisher kaum Taten gefolgt (jedenfalls nicht öffentlich).
Die Hamas weiß so gut wie jeder, dass Israel während der Feiertage keine Eskalation wünscht, schon gar nicht an Yom Kippur. Diese Überzeugung ist wahrscheinlich ein zentraler Faktor bei ihren Entscheidungen jetzt zu eskalieren. Es ist möglich, dass die Hamas, sobald die Feiertage vorüber sind und unter der Annahme, dass kein größerer Konflikt ausgelöst wurde, einen Rückzieher machen wird. Das mag auch ein Faktor dafür sein, dass das israelische Militär sich zurückhält.
Selbst wenn die Hamas die Hohen Feiertage nur ausnutzt, um vorübergehend zu eskalieren, ist die Quintessenz, dass die durch die Operation Wächter der Mauern und die Wirtschaftssanktionen erzielte Abschreckung anfängt nachzulassen.
Nach mehr als eineinhalb Jahren, in denen die Hamas Krawalle und den Start von Ballons an der Grenze verhinderte und sich bei der Teilnahme an den Runden des Konflikts zwischen dem PIJ und Israel zurückhielt, scheint die Terroristenbewegung sich jetzt mit einer Eskalation wohlzufühlen, selbst während der Hohen Feiertage.
Die Hamas hatte zudem seit Hüter der Mauern zwei Jahre Zeit ihre Fähigkeiten aufzubauen, wieder einmal fast ununterbrochen, bis auf den gelegentlichen Angriff auf ein paar ihrer Einrichtungen.
Weil Yom Kippur schnell näher rückt und die Hamas selbst mit der Schließung des Übergangs Erez kein Zeichen von sich gibt nachzugeben, könnte das israelische Verteidigungsestablishment bald gezwungen sein energischer vorzugehen, um an der Südfront die Abschreckung wiederzugewinnen.
Wenn es nicht gelingt die Hamas von weiterer Eskalation abzuschrecken, öffnet sich die Tür für größeren Konflikt, selbst wenn beide Seiten daran nicht wirklich interessiert sind. Eine Reihe möglicher Vorfälle, die weitgehend außerhalb der Kontrolle beider Seiten liegt, wie etwa hohe palästinensische Opfer bei den Grenzkrawallen oder weiteren direkten Angriffen auf Soldaten, könnte die Region in eine weitere Runde des Konflikts stürzen.
Bei den jüngsten Krawallen sind bereits zahlreiche Fälle von Sprengsätzen und Gewehrfeuer auf israelische Streitkräfte berichtet worden. Je länger die Krawalle weitergehen, desto höher das Risiko, dass Soldaten bei einem dieser Angriffe verletzt werden. Da die Hamas zunehmend bereit ist offen die Verantwortung für Anschläge in der Westbank zu übernehmen und eine Eskalation an der Gaza-Grenze zumindest zu erlauben, wenn nicht gar zu fördern, scheint es so, als ob Worte nicht länger ausreichen. Wenn das Militär einen größeren Konflikt verhindern will oder zumindest zu eigenen Bedingungen in den nächsten Konflikt eintreten will, muss es bald anfangen zu handeln.