(Quelle Beitragsbild oben: GUE/NGL, CC BY-SA 2.0 , via Wikimedia Commons)
Abhängigkeiten können einen durchaus schwerwiegenden Charakter annehmen. Nicht selten wachsen sie sogar zu einer manifesten Erkrankung heran. Wie es um das Phänomen der Harmoniesucht bestellt ist, bleibt jedem einzelnen Beobachter überlassen, der im Augenblick wahrnimmt, wie händeringend insbesondere die linke Bevölkerungsklientel das Bild von Friede, Freude und Eierkuchen in unserem Land aufrechtzuerhalten versucht.
Es ist alles paletti. Der Laden brummt. So würde man am liebsten die Bundesrepublik darstellen. Doch wer es schafft, seine ideologischen Scheuklappen zumindest für einen Moment abzulegen und einen Blick in unsere Städte zu werfen, der kommt schnell zum Resultat: Das, was 2024 von alledem übrig geblieben ist, wofür sich die Generationen nach dem Krieg mühsam abgeschuftet haben, ist längst in Erosion begriffen. Ob es nun um die kulturelle Identität, die wirtschaftliche Prosperität oder die nationale Souveränität geht: Um das sogenannte Gemeinwohl steht es nicht besonders rosig.
Denn auch wenn uns Marco Buschmann in diesen Tagen etwas Anderes suggerieren möchte: Der Verlust, welcher unserem Miteinander durch die faktische Aufhebung der unbehelligten Rede entstanden ist, rührt nicht etwa von kritischen, provokativen und markanten Meinungsäußerungen des sich Verachtung der Grünen befindlichen Individuums her. Die massive Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft hat ihren Ursprung in der vehementen Propaganda und Demagogie gegen jeden, der seine parteiliche Präferenz rechts der Union verortet. Nicht nur, dass auf “Demonstrationen für die Demokratie” jene verunglimpft, diffamiert und gebrandmarkt werden, die der geifernde Pöbel kurzerhand als Faschisten bezeichnet. Es sind großspurige Vokabeln, mit denen ausgerechnet “die Guten” um sich werfen, wenn sie auch nur den Ansatz einer Widerrede gegen die zügellose Migration, die verkopfte Transformation oder die geschlechterlose Identifikation aufkeimen sehen, welche unsere Einheit gefährden.
Werden also die beabsichtigten Änderungen im Strafrecht künftig nach dem Prinzip von Art. 3 GG gehandhabt – und die “Sozialschädlichkeit” von Kundgaben auch dann streng geahndet, wenn Frau Esken wieder einmal einen Vergleich zwischen AfD und Goebbels zieht, Jan Böhmermann “Nazis keulen” möchte und der Bundespräsident “Ratten fangen” will? Natürlich bedarf es bei rhetorischen Fragen keiner Antwort. Und schon allein das Wissen darum, dass eine nicht zuletzt durch die neue Meldestelle “REspect” an den Tag gelegte Einladung zur Denunziation insbesondere an linksgrün gesinnte Menschen gerichtet ist, die im wortgewaltigen Austeilen groß, aber im Einstecken von Widerrede dünnhäutig sind, lässt sich unmissverständlich erahnen, in welche Richtung es gehen soll. Man will unter größtmöglicher Schwammigkeit von Definitionen eine rechtliche Grundlage schaffen, um all das bestrafen zu können, was bislang unterhalb der Grenze des Sanktionierbaren lag – oder wofür man nur milde Ahndungen vorsah.
Ähnlich, wie es sich schon bei Hasskriminalität und Hetze verhält, werden wir fortan ein Chaos vor allem in den erstinstanzlichen Urteile finden, in denen sich die Justiz Gedanken darüber macht, was genau unserem Kollektiv Schmerzen und Verwundungen zufügt. Und da auch Teile der dritten Gewalt mittlerweile von einer bestechenden, Tendenziösität und Voreingenommenheit geprägt sind, wird es sich in manch einer Hauptverhandlung ausdrücklich um Wertungen und Kommentierungen von unbescholtenen Bürgern drehen, die zum ersten Mal in ihrem Leben den Mut fanden, mit Ricarda Lang, Omid Nouripour und ihren Nachfolgern hart ins Gericht gegangen sind. Ein Gefüge, in dem der Einzelne bei jedem Wort darüber nachdenkt, ob er es artikulieren darf, ohne anschließend mit einem Besuch von Faesers Kavallerie rechnen zu müssen, ist nicht mehr liberal. Stattdessen schwenkt nun auch ein Minister der FDP auf den Kurs von Willkür und Beliebigkeit ein, wenn er sich eines Wortschatzes bedient, der zumindest Erinnerungen an die Vergangenheit wecken kann.
Wer bis zum heutigen Tag noch von der Eingebung verschont blieb, dass sich aktuell immer mehr Parallelen zu despotischen Zuständen in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts offenbaren, der sollte auch an der sich wandelnden Sprache der Mächtigen ablesen können, dass sich der Wind dreht – und mit dem Geist von Honecker und Ulbricht eine Liaison eingeht. Was ist aus all unseren Tugenden und Werten geworden, die 1989 auf den Straßen erkämpft wurden – und die es zu verteidigen stets ein hehres Anliegen der nach der Wiedervereinigung auf dem Thron der Regentschaft Platz nehmenden Verfechter von volksherrschaftlichen Idealen gewesen ist? Unsere Zivilisation hat Schwierigkeiten damit, aus Zurückliegendem zu lernen. Denn offenbar ist der Reiz des Totalitären noch immer so groß, dass ihn sogar jene nicht schmähen, die sich einst repressionslos, undogmatisch und antiautoritär gaben. Es ist verbitternd und ernüchternd, in der laufenden Dekade von einer DDR 2.0 zu reden. Aber man sollte das Kind beim Namen nennen. Und so bleiben Repression und Zensur das, was Ottonormalverbraucher unter ihnen versteht. Nämlich ein Relikt, das in einem aufgeklärten Staatswesen nichts zu suchen hat.