Ein Verbot ohne Grundlage: Das Wurfholz aus Karlsruhe dürfte die AfD-Feinde hart treffen

Bislang gibt es lediglich eine Diskussion darüber, ob ein Antrag auf Verbot der AfD im Plenum auf die Tagesordnung genommen werden soll. Ob die Höchstinstanz tatsächlich angerufen wird, um die Verfassungsfeindlichkeit der AfD festzustellen, ist damit noch völlig unklar, von einem Verbot gar nicht zu sprechen. Dennis Riehle kommentiert.

Nimm einen Reissack und mach aus ihm eine gigantische Schlagzeile! – In vielen Redaktionen dieser Republik scheint ein solches Credo mittlerweile zum Tagesgeschäft zu gehören. Es umfasst die Berufsbeschreibung des Investigativjournalisten, auch dann eine aufmerksamkeitserregende Geschichte in die Welt zu setzen, wenn die dahinterstehende Nachricht nicht einmal einen einzigen Satz wert wäre. Und so berichten aktuell verschiedene Medien darüber, dass es im Bundestag genügend Abgeordnete gibt, um die Diskussion über einen Antrag auf Verbot der AfD im Plenum auf die Tagesordnung zu nehmen. Damit ist weder eine Entscheidung darüber getroffen, dass die Höchstinstanz tatsächlich angerufen wird, um die Verfassungsfeindlichkeit der Alternative für Deutschland festzustellen. Noch gibt es aktuell vermehrte Hinweise über verfestigte Erfolgschancen eines solchen Gebarens, das in einer Demokratie eigentlich keinen Platz hat. Denn ein Dekret zu erlassen, das mag der Weg des geringsten Widerstandes sein. In Wahrheit entpuppt er sich aber als eine Bankrotterklärung eines Mandatsträgers wie Marco Wanderwitz, der den Stein ins Rollen brachte, weil er scheinbar auch nach Jahren weiterhin eine offene Rechnung hat. Denn er konnte sich beim Ringen um den Direkteinzug ins Parlament wundersamerweise nicht gegen seinen Konkurrenten der Blauen durchsetzen.

Dass es überhaupt zu einem Vorstoß kommt, nach einem gescheiterten Verfahren mit Blick auf die NPD erneut bei den roten Roben vorstellig zu werden, um dieses Mal einen Erlass gegen die Alternative für Deutschland herbeizuführen, ist im Augenblick fraglich. Denn durch alle Fraktionen hinweg weiß man um die hohen Anforderungen, die an das schärfste Schwert in der Volksherrschaft angelegt wurden. So genügt es bei weitem nicht, dass eine weisungsgebundene Behörde zu der Auffassung gelangt, eine politische Kraft sei verdächtig oder gesichert rechtsextremistisch. Denn in unserer Ordnung wird die Meinungsfreiheit trotz aller angemessenen Zweifel und bei Berücksichtigung des repressiven Auftretens von Nancy Faeser in der Gesamtheit weiterhin so hoch gehalten, dass es beispielsweise nicht ausreicht, eine patriotische Gesinnung zu vertreten. Einmal völlig abgesehen davon, dass eine Forderung nach Remigration nicht nur ausdrücklich mit § 58 AufenthG vereinbar ist, da es eben nicht darum geht, unzählige Staatsbürger mit ausländischen Wurzeln zu deportieren – wie es wohl noch immer ein fälschliches Narrativ behauptet. Bei einem Blick in die Programmatik der AfD gibt es kein Anzeichen dafür, dass man über die geltenden Bestimmungen zur Abschiebung von ausreisepflichtigen Personen hinaus Schritte einleiten möchte, die gegen Konventionen verstoßen.

Rechtsstaatlichkeit auf der Angeklagtenbank?

Stattdessen fordert man eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit ein, indem der angesprochene Paragraf wieder strikt ratifiziert und praktisch angewendet wird. Wenn es in diesem Zusammenhang stets Verweise darauf gibt, dass einzelne Vertreter der Partei Kontakte zur Identitären Bewegung pflegen, zu der auch der österreichische Aktivist Martin Sellner gehört, so führt auch ein derartiges Indiz am Ende ins Leere. Selbst radikale Forderungen wie die Rückführung von hunderttausenden Migranten könnten allenfalls dann als ein Argument für die Beweiskette gegen die Alternative herangezogen werden, wenn sie von utopischen Zielen ausgingen. Doch sobald man die neuesten Statistiken betrachtet, wonach hierzulande mit dem Stichtag des vergangenen 31. Dezember rund fünf Millionen Menschen ohne eine langfristige Aufenthaltserlaubnis gemeldet waren, löst sich die Beschuldigung von Wirklichkeitsferne in Luft auf. Denn der benannte Personenkreis wäre früher oder später wohl ohnehin dazu verpflichtet, unser Territorium wieder zu verlassen. Eine solche Feststellung kollidiert darüber hinaus ebenfalls nicht mit Art. 1 GG, weil es keinesfalls um die willkürliche Ausweisung handeln würde, sondern um eine juristisch abgesicherte. Der Appell geht in Richtung des Ausnutzens aller rechtlich denkbaren Möglichkeiten, dem Tabubruch von Angela Merkel Einhalt zu gebieten und Regeln endlich wieder in Kraft zu setzen, die 2015 nicht etwas von der AfD ausgehebelt wurden.

Und auch in einem weiteren Aspekt bleiben die Ressentiments schon in ihrem Ansatz stecken. Das Streben nach einem Erhalt der autochthonen Mehrheit hat nichts mit einer prinzipiellen Xenophobie zu tun. Denn es gibt in der breiten Masse der Partei keine vernehmbare Tendenz, das Fremde ausschließlich und pauschal aufgrund von phänotypischen Merkmalen oder der ethnischen Verwurzelung abzulehnen, zu benachteiligen oder gar zu unterdrücken. In ihren Reihen finden sich genügend Anhänger, deren Ursprung selbst in der Ferne liegt. Mit ihrem Kurs einer drastischen Reduzierung der illegalen Immigration steht sie auf dem Fundament von Art. 16a GG, der Obdach und Versorgung nur für jene vorsieht, die in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft keinen Schutz bekommen – und sich ausschließlich aufgrund einer durch Repression bedingten Existenznot auf den Weg nach Europa machen. Keine Nation auf diesem Globus gibt seine Identität aus purer Nächstenliebe preis. Stattdessen ist auch in unserer Verfassung unmissverständlich festgeschrieben, dass wir gemäß Art. 116 GG die deutsche Volkszugehörigkeit erhalten sollen. Niemand wird etwas gegen eine maßvolle Einwanderung von Flüchtlingen haben, die einerseits zur Eingliederung und Mitwirkung an Wohlstand, Wachstum und Prosperität bereit sind. Und die andererseits eine konkrete und individuelle Verfolgung in ihrer Herkunftsregion untermauern können. Doch hier sprechen wir von einer Bewegung, die nicht etwa einer Völkerwanderung gleicht. Sondern von einem Bruchteil dessen, was im Augenblick über das Mittelmeer oder die Balkan-Route in unsere Gefilde vordringt.

Die Machtergreifung wollen ganz andere

Wir verkommen zum Sozialamt der Welt, obwohl wir in unserem Grundgesetz vergeblich nach einem Staatsziel namens multikultureller Selbstaufgabe suchen. Stattdessen singen wir nicht umsonst in unserer Hymne von „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Hier geht es eben nicht um Beliebigkeit. Denn auch ein liberales Gefüge kann nur dann funktionieren, wenn man sich auf die Verbindlichkeit von Normen verständigt. Und zu nichts Anderem ruft die Alternative auf. Bislang fehlt es auch an jeglichem Anzeichen dafür, dass eine weitere Bedingung dafür erfüllt ist, den vom Kartell geschmähten Widersacher zu untersagen. Denn weder in ihren Statuten, noch in den Einlassungen führender Köpfe findet sich der Plan zur Überwindung unserer aktuellen Herrschaftsform. Es sind viel eher die Grünen, die sich offensichtlich eine Räterepublik wünschen würden – und damit den Pfad in Richtung oligarchischer Verhältnisse aufzeigen. Die AfD vertritt hingegen den allzu legitimen Standpunkt, für eine stärkere Partizipation des Souveräns die ausschließliche Repräsentativität durch plebiszitäre Elemente zu erweitern. Dieses Unterfangen fußt ohne jede Anrüchigkeit auf der Basis von Art. 20 GG. Und man wird noch so viele Zitate von einzelnen Abgeordneten und Politikern der Partei aus dem Zusammenhang reißen und in einen neuen Kontext einbetten können: Am Beispiel des Thüringer Landtags hat sich gezeigt, dass es nicht die Blauen sind, die „Machtergreifung“ krakeelen.

Es mangelt an einem konsistenten, plausiblen und stringenten Beleg dafür, dass die Alternative die derzeitigen Strukturen aggressiv und kämpferisch überwinden möchte. Der einfache Bürger hat mittlerweile erfasst, dass die unlauteren Mittel aus den Reihen der CDU oder des BSW angewandt werden, um nicht nur Gepflogenheiten im Hohen Haus kurzerhand außer Kraft zu setzen. Sondern bei Bedarf einen ganzen Gerichtshof zu instrumentalisieren, der sich in einer willfährigen Manier zu einem Beschluss hinreißen lässt, der jegliche Routine der Vergangenheit beiseite schiebt – und sich mit Brandmaurern gemeinmacht. Auch wenn wir genügend Anlass haben, an der Unabhängigkeit von Richtern zu zweifeln, so sind die obersten Gesetzeshüter in Karlsruhe trotz manch eines Abendessens mit der Regierung immer noch deutlich skeptischer als ihre Kollegen in Erfurt. Sie haben in ihrer letztlichen Beurteilung, ob man die Verfügung der Unzulässigkeit über eine Partei ergehen lässt, auch die Konsequenzen aus solch einem Votum zu bedenken. Und da fragt man sich allein aus praktischen Gründen, was denn aus derzeit rund 20 Prozent der Wähler werden soll, wenn man ihnen ihre politische Heimat nimmt. Glaubt denn tatsächlich irgendjemand, dass deren Sympathisanten im Falle einer solchen Konstellation zu den Grünen überlaufen?

Weder Faschisten noch Terroristen

Ich traue dem zweiten Senat des BVerfG auch unter dem Eindruck seiner bisherigen Rechtsprechung zu, weitsichtiger und nachhaltiger zu denken als jene, die in ihrer Naivität wohl tatsächlich glauben, dass die Verbannung einer Institution unweigerlich dazu führt, dieses Land nach 1945 zum wiederholten Mal aus den Fängen von „Nazis“ zu lösen. Unter den Anhängern der AfD finden sich weder Faschisten noch Terroristen. Stattdessen ist es der vernünftige, rationale und mittige Bürger, der gegen absolutistische Neigungen der Ampel demonstriert – und dabei bisweilen zugespitzte, von den Werten der Demokratie allemal getragene Überzeugungen einnimmt. Es wird nicht genügen, einzelne ideologisch verblendete Ausreißer als Maßstab heranzuziehen, um ohne Problem und Sorge vom Singulären auf das Allgemeine zu schließen. Denn Verirrte gibt es in jeder Gruppe zur Genüge. Nach momentanen Wissensstand mangelt es an hinreichenden und substanziellen Befunden, die einen Rückschluss auf das Generelle erlauben würden. Doch genau das bräuchte es für einen entsprechend positiven Einlass des Kollegiums um Doris König. Eine Direktive kann nur ergehen, wenn der Wille und das Potenzial für eine Abschaffung wesentlicher Grundzüge der Bundesrepublik dezidiert dokumentiert werden kann. Diese Voraussetzung scheint nicht gegeben. Und dessen dürften sich auch all jene bewusst sein, die zumindest noch zeitweise an der Realität teilhaben.

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