Clinton, Arafat und ein Jahrhundert der Ablehnung

Seit den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 sind Bill und Hillary Clinton nicht in der Lage gewesen, ihren Frust angesichts des Rückzugs der Progressiven in eine alternative Wirklichkeit zu verbergen – eine Wirklichkeit, in der die palästinensische Verweigerungshaltung nicht existiert und jüdische Niedertracht die einzige Erklärung für das Leiden Unschuldiger ist.

Zuerst schien Bill Clinton von der Unehrlichkeit der Progressiven alarmiert. Heute verrät er, dass sie nicht vorgeben ignorant zu sein; sie kennen tatsächlich nicht einmal die grundlegendsten Fakten der bekannten Geschichte.

„Ich sage ihnen, welchem Angebot Arafat den Rücken kehrte“, 2000 in Camp David, berichtete der ehemalige Präsident dem New York Times-Autor Ross Sorkin innerhalb eines längeren Interviews. „und sie konnte das einfach nicht glauben.“

Was bei diesen Verhandlungen geschah, ist die Auflösung des öffentlichsten und am besten dokumentierten Friedensprozesses aller Zeiten. Die einzige Möglichkeit zu glauben, dass Yassir Arafat nicht in Gänze für das Scheitern des Abkommens und das folgende Unheil verantwortlich war, ist die, dass man nicht weiß, dass ihm alles angeboten wurde, was er wollte und es ausschlug. Arafat beschloss die Gründung eines Palästinenserstaats abzulehnen, damit er eine gewalttätige Intifada beginnen konnte, von der sich die palästinensische Wirtschaft nie erholt hat und die die Spaltung der palästinensischen Nationalbewegung zur Folge hatte.

Die Linie von diesem Tag vor 24 Jahren zum 7. Oktober 2023 ist eine Gerade und sie wurde von Yassir Arafat gezogen. Das ist unbestreitbar – außer natürlich, man weiß nicht, dass das überhaupt passierte. Clinton fuhr fort: „Ich sage [den jungen Leuten], ja, er lehnte einen Palästinenserstaat mit einer Hauptstadt in Ostjerusalem ab, 96 Prozent der Westbank, 4 Prozent Israels, um die 4 Prozent auszugleichen, die jenseits der Grenzen von 1967 lagen. Ich gehe das Ganze durch, was das Abkommen beinhaltete und sie haben das nicht auf dem Radar. Sie können sich nicht einmal vorstellen, dass das geschah.“

Aber hier das eigentliche Problem: Es ist vor Clinton passiert und es ist auch nach Clinton wieder passiert.

In seinen 104 Jahren Geschichte hat der palästinensisch-arabische Nationalismus drei Führer gehabt. Allen dreien wurde ein Palästinenserstaat angeboten. Alle drei haben ihn abgelehnt.

Diese Ablehnungen erfolgten ohne Gegenangebote. Die Palästinenserführung, stellte sich heraus, hatte überhaupt nicht verhandelt – schon gar nicht im traditionellen Sinne. Es gibt sicherlich Millionen Palästinenser, die sich Selbstbestimmung wünschen und sehr gerne einen eigenen Staat haben würden. Sie müssen nur noch von einem Führer vertreten werden, der diese Sehnsüchte teilt.

Weil es so öffentlich war und weil die Fakten dazu unbestreitbar sind, erhält der Gipfel von Camp David 2000 verständlicherweise die größte Aufmerksamkeit. Aber er sollte sie nicht allein bekommen. Palästinensische Ablehnung des Angebots der Eigenstaatlichkeit ist die grundlegende Tatsache des vergangenen Jahrhunderts des Konflikts.

Acht Jahre nach Arafats Ablehnung von Camp David sahen sich der israelische Premierminister Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas – Arafats Nachfolger – gemeinsam den Vorschlag der Landkarte einer Zweistaatenlösung an, die Krönung von Verhandlungen, die die beiden (und ihre Top-Berater) seit Ende 2006 geführt hatten. Olmert ließ Abbas die Karte nicht in Besitz nehmen, solange er sie nicht abgezeichnet hatte, womit er praktisch dafür sorgte, dass sie in die Akte kam. Abbas reiste kurz nach Hause und skizzierte die Karte, damit er sie dem Rest seiner Berater zeigen konnte.

Abbas zeichnete die Karte auf offiziellem Briefpapier des PLO-Präsidentenbüros. Wir wissen das, weil fünf Jahre später der israelische Journalist Avi Issacharoff die Karte in die Hände bekam und sie auf The Tower veröffentlichte. Issacharoff brachte auch Olmert dazu, mit ihm die Einzelheiten durchzugehen.

Die Karte zeigt die 6,5 Prozent der Westbank, die Israel laut Vereinbarung behalten würde, sowie die 5,8 Prozent von Israel, die an die Palästinenser „im Bereich von Afula/Tirat Zvi im Raum Lachisch und in der judäischen Wüste verkauft werden würden, das Gebiet in der Nähe von Har Adar sowie in der judäischen Wüste und im Gazastreifen.“

Auf der Rückseite der Karte schrieb Abbas die restlichen Einzelheiten auf. Diese waren laut Issacharoff: „Sichere Landverbindung zwischen dem Gazastreifen und der Westbank per Tunnel, das fünfseitige Komitee zur Verwaltung des Heiligen Beckens, die Entfernung der israelischen Präsenz im Jordantal und die Aufnahme von 5.000 palästinensischen Flüchtigen – 1.000 pro Jahr über einen Zeitraum von 5 Jahren – innerhalb der Grünen Linie“.

Das Heilige Becken umfasst die Altstadt von Jerusalem, die Davidstadt und den Ölberg, die später von einer Koalition aus fünf Nationen beaufsichtigt werden sollten: Israel, Palästina, den USA, Jordanien und Saudi-Arabien. Es ist bemerkenswert, dass Israels Bereitschaft die Souveränität über Jerusalem abzugeben nicht geschwunden war, nachdem Arafat das Angebot das erste Mal ausgeschlagen hatte. Was den Tunnel vom Gazastreifen zur Westbank angeht, hat die Hamas wahrscheinlich genau dieses Detail sabotiert, was im Einklang mit der Kampagne der Organisation steht, sämtliche Wege zum Frieden zu sabotieren.

Was ist mit diesem israelischen Angebot eines Palästinenserstaats aus dem Jahr 2008 geschehen? Dem Ergebnis von 36 persönlichen Treffen auf höchster Ebene – das gemeinsame Verwaltung Jerusalems durch ein mehrheitlich arabisches Gremium beinhaltete? Abbas kehrte dem einfach den Rücken und kehrte nie wieder zurück.

Jerusalem ist in den Verhandlungen kein „Knackpunkt“. Auch nicht territorialer Zusammenhang oder sonst irgendetwas. Der Knackpunkt ist, dass die Palästinenserführung palästinensischer Eigenstaatlichkeit nicht zustimmen wird.

Lange bevor Arafat den Nahen Osten sprengte, war der Schimmel bereits vorhanden. Der erste nationale Führer der Palästinenser, Haddsch Amin al-Husseini – der später dann im Zweiten Weltkrieg als Hitlers arabischer Propagandist arbeiten sollte – lehnte das Angebot der Eigenstaatlichkeit ebenfalls ab. 1917 rief die britische Balfour-Erklärung zur Gründung einer jüdischen Heimstatt in Palästina auf. Die Araber antworteten, wobei meistens Haddsch Amin voranmarschierte, mit Pogromen und Krawallen. Als Antwort darauf versuchte die britische Regierung 1939 die totale Kapitulation.

Das berüchtigte Weißbuch war das zentrale Dokument in einem Akt des unverfälschten Bösen seitens der Briten, die vorschlugen, dass Juden in den meisten Teilen Palästinas verboten werden sollte Land zu kaufen und dass die Zeit jüdischer Zuwanderung als solcher vorbei sei. Stattdessen würden die Briten, während Haddsch Amins zukünftige Kumpels in Berlin an ihrem „Judenproblem“ arbeiteten, jüdische Immigration nach Palästina drastisch reduzieren. Schließlich schlugen die Briten eine Einstaatenlösung vor, bei der der Staat von den Juden Palästinas und den Arabern Palästinas gemeinsam genutzt werden sollte und nach fünf Jahren würde keinem Juden mehr erlaubt werden ohne ausdrückliche arabische Genehmigung nach Palästina zu ziehen. Sehen Sie, es sollte ein Staat für Juden wie für Araber sein, außer dass Juden dort weder Landbesitz noch der Zuzug erlaubt sein würde.

Das war also das Angebot für einen palästinensisch-arabischen Staat, der mit seinen Juden tun und lassen konnte, was er wollte.

Husseini schockierte einige aus der britischen politischen Klasse damit, dass er dieses Angebot ablehnte, weil es den Juden auf dem Papier Rechte zugestand, obwohl man allgemein der Auffassung war, dass die Juden entsorgt werden würden.

Wenn es eine palästinensische nationale Führung gibt, die den Traum der Bevölkerung auf Selbstbestimmung teilt, dann muss sie erst noch in Erscheinung treten. Clinton ist frustriert, weil die Klasse der progressiven Aktivisten das nicht weiß. Aber ehrlich: Selbst wenn sie es wüssten, würde es irgendjemanden von ihnen überhaupt interessieren?

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