Mitten am Jom Kippur hat Israel begonnen, die sogenannte „Global Sumud Flotilla“ abzufangen. An Bord: europäische Aktivisten, darunter Greta Thunberg, aber auch Teilnehmer aus arabischen Staaten. Einige Schiffe wurden bereits gestoppt, andere fahren weiter – und provozieren damit gezielt neue Eskalationen.
Ein israelischer Soldat, gefilmt neben Greta Thunberg, übergibt ihr die persönlichen Sachen, nachdem das Schiff der Klimaaktivistin aufgebracht und in einen israelischen Hafen eskortiert wurde. „Greta und ihre Freunde sind in Sicherheit und wohlauf“, erklärte das israelische Außenministerium und versuchte, die Situation zu beruhigen. Doch die beruhigende Botschaft war nur die halbe Wahrheit. Denn während Teile der sogenannten „Global Sumud“-Flottille bereits abgefangen wurden, befindet sich noch ein erheblicher Teil der Schiffe auf dem Weg in Richtung Gazastreifen.
Already several vessels of the Hamas-Sumud flotilla have been safely stopped and their passengers are being transferred to an Israeli port.
— Israel Foreign Ministry (@IsraelMFA) October 1, 2025
Greta and her friends are safe and healthy. pic.twitter.com/PA1ezier9s
Nach israelischen Angaben handelte es sich insgesamt um 47 Boote mit über 500 Teilnehmern, darunter Aktivisten aus Europa, arabischen Ländern und mehrere prominente Persönlichkeiten wie Nelson Mandelas Enkel Mandla Mandela, die frühere Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau, sowie Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Bis zur Nacht von Jom Kippur hatte die israelische Marine mindestens ein Dutzend Schiffe aufgebracht, während rund 30 bis 40 Boote weiterfahren. Sie ignorieren die mehrfachen Warnungen der israelischen Marine, dass sie sich einer militärischen Sperrzone nähern.
Diese Sperrzone erstreckt sich bis zu 150 Seemeilen vor die Küste, da Israel seit Jahren versucht, Waffenschmuggel nach Gaza über den Seeweg zu verhindern. Dass die Organisatoren sich weigerten, ihre angeblichen Hilfsgüter in Ashdod abzuladen – wo sie nach internationaler Kontrolle auch in den Gazastreifen weitertransportiert würden – macht deutlich, dass es ihnen nicht um Hilfe geht, sondern um den politischen Effekt: die Bilder einer Konfrontation.
Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Die Aktion fällt auf Jom Kippur, den heiligsten Tag des Judentums, an dem ganz Israel innehält, Straßen leer stehen und Synagogen gefüllt sind. Schon 1973 nutzten Israels Feinde diesen Tag für einen Angriffskrieg. Heute nutzen internationale Aktivisten den Tag, um Israel erneut als Aggressor zu brandmarken – eine symbolische Täter-Opfer-Umkehr, die an Zynismus kaum zu überbieten ist.
Israel wiederum betont, dass niemandem an Bord der Schiffe Schaden zugefügt werden soll. Die Flotte wird blockiert, die Passagiere nach Israel gebracht, registriert und dann deportiert. Gewalt wird nach Angaben der Marine nur eingesetzt, wenn Aktivisten Widerstand leisten. Dennoch inszenieren die Organisatoren in den sozialen Netzwerken eine andere Erzählung: von „Überfällen“, „Rammböcken“ und „Wasserwerfern“. Dabei ist längst klar, dass die Bilder wichtiger sind als die tatsächlichen Hilfsgüter. Diese sind ohnehin symbolisch – einige Kisten mit Medikamenten und Nahrungsmitteln, die in keiner Weise die katastrophale Versorgungslage Gazas ändern könnten.
Die Rolle Greta Thunbergs ist dabei nicht nebensächlich. Sie bringt internationale Aufmerksamkeit, gerade in Europa, wo das Narrativ einer „humanitären Flotte“ leicht verfängt. In Israel wird ihre Beteiligung allerdings vor allem als kalkulierter PR-Schachzug gesehen: eine junge, prominente Aktivistin als moralischer Schutzschild für eine Aktion, deren Organisatoren nachweislich Verbindungen zur Hamas haben sollen.
Die politische Brisanz geht weit über die Schiffe hinaus. Während die israelische Marine auf See operiert, tobt die diplomatische Schlacht an Land. Frankreich rief zur Gewährleistung von Sicherheit und Konsularschutz auf. Die Türkei bezeichnete den Einsatz als „Terrorakt“, Italien und Spanien äußerten „Besorgnis“ und demonstrierten Distanz. In Rom und Berlin kam es zu Protesten, teilweise mit Ausschreitungen. Gewerkschaften in Italien riefen sogar zu einem Generalstreik auf. Damit wird die Flottille zu einem innenpolitischen Thema in Europa – und das ganz im Sinne der Organisatoren.
Israel steht hier in einer paradoxen Situation: Lässt es die Flotte unbehelligt, droht unkontrollierter Waffenschmuggel nach Gaza, der die Sicherheitslage massiv verschärfen würde. Stoppt es die Schiffe, liefert es den Aktivisten genau die Bilder, die sie suchen. Die internationale Propaganda-Maschinerie der Hamas gewinnt so oder so. Genau darin liegt die strategische Raffinesse der Aktion.
Die historische Parallele ist offenkundig: Schon 2010, als die „Mavi Marmara“ von Israel aufgebracht wurde, kostete dies das Land enorme diplomatische Reputation – obwohl später selbst internationale Untersuchungen bestätigten, dass die Blockade rechtmäßig war und die israelischen Soldaten damals von Aktivisten brutal attackiert wurden. Heute, 15 Jahre später, versuchen die Organisatoren, ein ähnliches Szenario zu provozieren – inmitten eines laufenden Krieges und während über 100 Geiseln immer noch von der Hamas in Gaza festgehalten werden.
Israels Regierung reagiert bislang geschlossen. Premierminister Benjamin Netanjahu betonte, man werde „keine Route öffnen, über die Waffen nach Gaza geschmuggelt werden können“. Außenminister Gideon Sa’ar erklärte, dass die Marine den klaren Befehl habe, keine Gewalt einzusetzen, solange das Leben der Soldaten nicht bedroht sei. Doch der Grundsatz bleibt: Die Seeblockade wird nicht aufgehoben, solange die Hamas herrscht und Krieg gegen Israel führt.
Die Organisatoren ihrerseits sprechen von „völkerrechtswidriger Blockade“. Sie lehnen es ab, Hilfsgüter über Israel zu liefern, und erklären offen, dass sie „die Belagerung durchbrechen“ wollen. Damit geht es nicht mehr um Hilfsgüter, sondern um die politische Anerkennung der Hamas als legitimer Machtfaktor in Gaza.
In Israel sieht man die Dinge klarer. Für die Mehrheit der Israelis ist die Flottille kein humanitäres Projekt, sondern Teil der internationalen Kampagne zur Delegitimierung des jüdischen Staates. Die Botschaft lautet: Während Juden an Jom Kippur um Vergebung und Frieden bitten, versuchen andere, ihre Existenz und ihr Recht auf Selbstverteidigung in Frage zu stellen.
Die kommenden Tage werden zeigen, wie weit die noch verbliebenen Boote tatsächlich kommen. Sollte Israel gezwungen sein, auch sie aufzubringen, wird der internationale Aufschrei folgen – genau so, wie es die Organisatoren geplant haben. Doch so lange Hamas in Gaza herrscht, gibt es für Israel keine Alternative. Wer das Gegenteil fordert, ignoriert die Realität: Eine offene Seeverbindung nach Gaza wäre ein Geschenk an eine Terrororganisation, deren erklärtes Ziel die Vernichtung Israels bleibt.
Die eigentliche Frage ist also nicht, warum Israel stoppt. Sondern warum sich westliche Aktivisten dafür hergeben, Hamas’ Propaganda zu transportieren – auf Kosten ihrer eigenen Glaubwürdigkeit.