Ein Gastbeitrag von Dr. Dieter Gellhorn
Am 13. Februar zeigte die deutsche Tagesschau, wie in Jerusalem zehntausende Menschen fast aller Gesellschaftsschichten und aller Altersgruppen – es waren allerdings, wie die Jerusalem Post schrieb, keine Kinder, keine Haredim und nur wenige Kippaträger darunter – gegen eine von der Regierung geplante Justizreform demonstrierten.
Es war in dieser Menge auch ein Meer von Israelfahnen zu sehen. Man skandierte u. a. „Demokratie, Demokratie“ und „Schande, Schande“. Vorher schon hatten mehrfach gleichartige Demonstrationen in Tel Aviv und in Haifa stattgefunden.
Die Demonstranten befürchten durch eine Justizreform eine Zerstörung der Demokratie in ihrem Staat. Im Dezember 2022 war zum vierten mal in der Geschichte Israels eine Regierung unter dem jetzt 70-jährigen Benjamin Netanjahu ins Amt gekommen, diesmal getragen von einer Koalition aus sieben Parteien, zu denen nun erstmals auch rechtsreligiöse Parteien gehörten. Das Koalitionsbündnis war u. a. möglich geworden, weil Netanjahu sich mit den „Religiösen“ auf eine Justizreform geeinigt hatte.
Drei Dinge sollten in der jetzigen Legislaturperiode per Gesetz festgelegt werden. Erstens sollten in Zukunft die Regierungen die Befugnis erhalten, die Mehrzahl der Richter des obersten Gerichtes zu bestimmen, zweitens sollten in Zukunft im Parlament schon mit einfacher Mehrheit Klagen auf nicht grundgesetzkonformes Regierungshandeln abgewiesen werden können und drittens sollte für terroristische Verbrechen in Zukunft häufiger ( bisher war das nur bei Adolf Eichmann geschehen) die nach dem Grundgesetz in Israel ohnehin mögliche Todesstrafe umgesetzt werden.
Gegen dieses Justizvorhaben demonstrierten die Menschen bereits seit Wochen in den größeren Städten, beflügelt von der Furcht, nun bald in einer Diktatur zu landen.
Übrigens hielten die Demonstranten an jenem 13. Februar in Jerusalem entsprechend einem Artikel der Jerusalem Post auch eine Schweigeminute ein für die in der vorhergehenden Woche getöteten sieben Juden, die beim Verlassen einer Synagoge erschossen worden waren. Dabei wurde sicherlich auch der beiden Personen gedacht, die nur 24 Stunden später ein 13-jähriger Palästinenser angeschossen und schwer verletzt hatte.
Diese Vorfälle erinnern einen Deutschen unwillkürlich an den blutreichen Monat Januar 2023, in dem im Schnitt jeden Tag ein Messerattentat in Deutschland zu verzeichnen war.
Während hierzulande aber Mördern, die bei ihrer Tat den „2A-Ausruf“ tätigen, oft noch schuldmildernde Unzurechnungsfähigkeit bescheinigt wird, will diese Regierung Netanjahu nun entschieden gegen solche Verbrechen vorgehen.
Die beabsichtigten Reformen erscheinen einem neutralen Beobachter dennoch insgesamt aber tatsächlich mit einer herkömmlichen Demokratie, in der strikte Gewaltenteilung herrscht, nicht vereinbar. Es ist jedoch zu fragen, ob es nicht verständlich ist, dass viele Einwohner Israels, die seit Entstehen ihres Staates 1948 unentwegt in Notsituationen leben, unentwegt Bedrohungen von Innen und von Außen ausgesetzt sind, die daher
in einer in ungebührlichem Ausmaß mangelnden öffentlichen Sicherheit leben, für sich eine „besondere Gesetzgebung“ zur Stabilisierung der Verhältnisse herbeisehnen.
Es ist aber sogar auch zu fragen, wären Teile einer solchen Reform nicht auch inzwischen für Deutschland anzuraten?
Übrigens, besonders der oben unter Punkt zwei angeführte Sachverhalt unterliegt auch in Israel noch einer weiteren gesellschaftlichen Diskussion, befindet sich also noch in einer Meinungsgärung, obwohl die erste Lesung dieses Gesetzes die Knesset bereits erfolgreich passiert hat. Es seien hier nun nur kurz einige verständnisvolle Bemerkungen über die unter Punkt drei in Israel anvisierte Todesstrafe für islamogene Überzeugungsmörder angefügt.
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Leider hat es sich als Illusion erwiesen, bei einer Vielzahl von dieser Art Verbrechen auf eine Besserung durch Abbüßen einer langen Gefängnisstrafe zu hoffen.
Beispielhaft ist hier der einzige überlebende Attentäter vom Anschlag im Bataclan (Paris) im November 2015, bei dem 130 Menschen getötet wurden, zu nennen.
In seiner sechsjährigen Untersuchungshaft sprach er kein einziges Wort. Erst bei Prozessbeginn 2021 brach er sein Schweigen. Seine ersten Worte waren nicht etwa solche des Bedauerns über die vielen Toten. Es war die lautstark deklamierte Schahada, das islamische Glaubensbekenntnis.
Scheich Chaled Mohamed, der heute noch in Guantanamo einsitzende Chefplaner der Anschläge von Nine-Eleven, dem 2011 anhand des Venenverlaufs an seinem Unterarm nachgewiesen wurde, dass er es auch war, der dem amerikanisch-jüdischen Journalisten Daniel Pearl 2002 den Kopf abgeschnitten hatte, gab dieses Verbrechen dann mit etwa den folgenden Worten zu: Ja, das habe ich 2002 in Karatschi mit „meiner gesegneten rechten Hand“ durchgeführt. (Man beachte diese Wortwahl – „mit meiner gesegneten rechten Hand“, gesprochen neun Jahre nach Verüben der Mordtat))
Bei solcherart eingefleischten Überzeugungsmördern zeitlich begrenzte Gefängnisstrafen zu verhängen, bedeutet nach allem, was zu sehen ist, eine fahrlässige Gefährdung der Gesellschaft. Auch die dann gegebene Möglichkeit eines Freipressens solcher Personen ist zusätzlich zu bedenken.
Wie sehr gerade die jüdische Gesellschaft unter dieser Art von Verbrechen zu leiden hat, zeigte übrigens ein Leitartikel in der vom Islamischen Staat herausgegebenen Zeitschrift „Naba“ vom 2.2. 2023. Er war überschrieben mit dem Titel “ Tötet die Juden“. In ihm wurden zur Motivation der Gläubigen eine Reihe von Koranversen zitiert:
5,82 „Du wirst finden, dass unter allen Menschen die Juden den Gläubigen am meisten Feind sind …“
5,13 „Und dieweil sie (die Juden) den Bund brachen haben wir (Allah) sie verflucht und ihre Herzen verhärtet.“
3,78 “ …sie sprechen eine Lüge wider Allah, wiewohl sie es wissen.“
3,120 „wenn euch ein Gutes trifft, so ist es ihnen (den Juden) schmerzhaft; wenn euch ein Übel trifft, so freuen sie sich dessen.“
5,79 sie sind hemmungslos im Begehen von Sünden.
2,74 sie sind unbarmherzig und herzlos.
9,30 sie stehen unter Allahs Fluch.
Der Artikel ruft zu einem globalen Vernichtungskrieg gegen die Juden auf. Dieser Krieg sei aus religiösen Gründen zu führen.Dem oben Angeführten entspricht in fataler Weise der Artikel drei der Charta der Hamas, der machthabenden Partei im Gazastreifen:
„Allah ist unser Ziel, der Prophet unser Vorbild, der Koran unsere Verfassung, der Dschihad unser Weg und der Tod für Allah unser hehrster Wunsch.“
Dieser Kampf gegen die Juden soll also aus Glaubensgründen geführt werden. Letztlich wird der Ausgang dieses Kampfes nämlich zeigen, dass Allah die Juden für ewig verworfen hat. Sie brüsten sich nach koranischer Lesart nämlich nicht nur ungerechtfertigter Weise, ein auserwähltes Volk zu sein, sie haben auch viele ihrer Propheten getötet. Sie sagen Allah Geiz nach und sie stellen Allah als Sohn Esra an die Seite (Sure 9, Vers 30), was Shirk ist, Beigesellung, und das ist das unverzeihlichste Verbrechen, dass der Koran kennt.
Haben die Christen es als ebenfalls Ungläubige schon schwer im Zusammenleben mit Muslimen, so haben es Juden als besonders Verfluchte aber noch unendlich schwerer.
Auch unter diesen Gesichtspunkten sind wohl die neuen Rechtsgedanken in Israel zu sehen.
Nichtsdestotrotz sollte man in Israel nicht nur entschieden, sondern auch mit äußerster Besonnenheit vorgehen. Immerhin: die 2018/19 von der Trumpregierung gebrokerten Abrahamabkommen mit vier arabischen Staaten lassen ein wenig Hoffnung aufkeimen.
Quelle Beitragsbild oben: (c) Screenshot YT (nachPP)