Die Palästinenser-Illusion

Während viele Lapid lobten, weil er in seiner UNO-Rede die Zweistaatenlösung unterstützte, wird eine Politik-Empfehlung auf Grundlage einer Illusion wohl kaum Erfolg haben.

Premierminister Yair Lapid hat vor kurzem bei der UNO seine Vision für die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts verkündet – die Zweistaatenlösung.

Lapid wurde zwar von vielen gelobt, darunter von Präsident Joe Biden, aber eine Politik-Empfehlung auf Grundlage einer Illusion wird wohl kaum Erfolg haben. Die Idee, dass ein jüdischer und ein arabischer Staat friedlich koexistieren werden, ist in zeitgenössischen akademischen und politischen Kreisen weit verbreitet, ignoriert aber die Realität vor Ort.

Leider wird ein stabiler und friedlicher Ausgang per Zweistaatenlösung wohl kaum entstehen; dafür gibt es zwei Gründe: Die palästinensisch-arabische und die zionistische Nationalbewegung stehen nicht kurz davor einen historischen Kompromiss zu finden und die Palästinenser haben sich als unfähig erwiesen einen Staat aufzubauen.

Die beiden sind zu weit voneinander entfernt, wenn es um die Kernthemen geht – Jerusalem, Flüchtlinge und Grenzen – und die Differenzen zu überbrücken erscheint unmöglich. Israels Positionen haben sich verhärtet, seit im Jahr 2000 die zweite Intifada ausbrach und infolge des periodischen palästinensischen Terrors, nachdem der Gazastreifen ab 2007 zur Abschussrampe tausender auf israelische Zivilisten gerichteter Raketen wurde.

An diesem Punkt ist die unter dem Bann des nationalistischen und islamischen Ethos stehende palästinensische Gesellschaft unfähig einen Kompromiss mit der zionistischen Bewegung zu erzielen. Aktuelle Umfragen (vom März 2022) zeigen, dass zwei Drittel der Palästinenser sagen, Israel sei ein Apartheidstaat und 73% glauben, der Koran beinhalte eine Prophezeiung über den Untergang des Staates Israel. Das derzeitige palästinensische Bildungssystem und offizielle Medien stacheln zu Hass auf Juden auf, die für alles palästinensische Ungemach verantwortlich gemacht werden.

Tatsächlich hat die palästinensische Verweigerungshaltung den Sieg davongetragen, wann immer eine konkrete Teilung auf der Tagesordnung stand, so wie beim Angebot des ehemaligen Premierministers Ehud Barak im Jahr 2000 oder dem Vorschlag des ehemaligen Premierminister Ehud Olmert 2007. Selbst der „moderate“ Palästinenserführer Mahmud Abbas lehnt die Vorstellung ab, dass Israel ein jüdischer Staat sein sollte. Jeder Palästinenserstaat wird mit seinen Grenzen unzufrieden und darauf aus sein seine Ziele mit Gewalt zu erreichen.

Und schließlich haben die die beiden sich duellierenden Gesellschaften immer noch die Energie zu kämpfen und, was wichtiger ist, den Schmerz zu verkraften, was nötig ist um ihre jeweiligen politischen Ziele zu erreichen. Nationalismus inspiriert Menschen dazu in nationalen Kriegen Schmerz und Not zu ertragen. Oft beendet gesellschaftliche Erschöpfung – statt einer Gelegenheit für einen optimalen Kompromiss – einen langgezogenen ethnischen Konflikt. Wenn Schmerz der einflussreichste Faktor für die Lernkurve von Gesellschaften ist, dann scheint es so, dass Israelis und Palästinenser noch nicht genug gelitten haben, um sich zu einigen.

Die nüchterne Erkenntnis, dass ein Palästinenserstaat nicht friedlich neben Israel leben wird, widerlegt die erste Annahme des Paradigmas Zweistaatenlösung.

Die zweite Annahme der Zweistaatenlösung postuliert, dass die palästinensische Nationalbewegung dieses Ziel erreichen würde, wenn sich die Gelegenheit ergibt einen Staat aufzubauen. Diese Annahme ist ebenfalls losgelöst von der aktuellen politischen Realität.

Der Hauptdefekt des Systems liegt in dem Bereich, der für den Aufbau eines Staates am wichtigsten ist – einem Monopol der Anwendung von Gewalt. Tatsächlich hat die PA die Kontrolle über den Gazastreifen an die Hamas verloren und hat durchgehend Probleme die Milizen im Gebiet unter ihrer Kontrolle aufzulösen. Bemerkenswert ist, dass sogar die Hamas es nicht geschafft hat im Gazastreifen ein Monopol der Anwendung von Gewalt zu gewinnen, so dass die Existenz bewaffneter Organisationen und Clans möglich ist.

Die Erwartungen, dass die Palästinenser bald einen modernen Staat aufbauen, sogar mit westlicher Hilfe, sind naiv. In Europa Nationalstaaten aufzubauen, dauerte Jahrhunderte. Außer Ägypten, einer historischen Einheit, die ein Niveau an politischem Zusammenhalt besitzt, haben Versuche des Aufbaus von Staaten im Nahen Osten nur teilweise Erfolg gehabt. Der Irak, der Libanon, Libyen, Somalia und der Jemen sind allesamt Beispiele für politische Gebilde, die mit den Problemen der Gründung einer zentralen Autorität und Moderne ringen.

Leider hat nicht jeder langgezogene Konflikt eine sofort verfügbare Lösung. In Abwesenheit einer Verhandlungslösung ist Konflikt-Management die angemessene Strategie für den Umgang mit dem israelisch-palästinensisch-arabischen Konflikt.

Eine solche Strategie zielt darauf die Kosten bewaffneten Konflikts zu minimieren und die Freiheit politischen Manövrierens zu bewahren. Das Fehlen eines klaren Endziels ist uninspirierend, doch das mag die beste Möglichkeit mit einer komplexen Lage umzugehen.

 

(Quelle Beitragsbild oben: Locator-Karte von Israel.  OCHA, CC BY 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/3.0>, via Wikimedia Commons)

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