Antizionismus – die Ablehnung der Legitimität eines jüdischen Staats im angestammten Heimatland des jüdischen Volks – hat es seit dem Aufkommen des Zionismus gegeben. 2025 fühlt er sich allerdings radikal anders an als bei der Inkarnation von 1975 in der UNO. Die Rhetorik mag ähnlich klingen, aber die Ideologie, die Taktiken und die Bündnisse hinter dem Antizionismus haben eine seismische Verschiebung durchgemacht. Was sich einst auf der Weltbühne als antikolonialer Nationalismus maskierte, ist in einen globalen Terrorismus mutiert, der sich mit religiösem Fanatismus vereinigt. Was einst ein geopolitisches Machtspiel von 6,4 Milliarden Menschen aus dem Globalen Süden war, hat sich in Lynchmobs auf den Straßen westlicher Hauptstädte verwandelt.

Der Moment von 1975: Terrorismus in nationalistische Sprache eingepackt

1975, als die UNO vom ehemaligen Nazi Kurt Waldheim geführt wurde, verabschiedete die UNO-Vollversammlung die Resolution 3379, die Zionismus mit Rassismus gleichsetzte – eine Resolution, die so grotesk und politisch motiviert ist, dass sie 1991 durch die Bemühungen der USA widerrufen wurde. Aber in dem Jahr gab es auch einen weiteren gefährlichen Präzedenzfall: UNGA-Resolution 3376, die erklärte, das palästinensische Volk habe ein „unveräußerliches Recht“ auf Eigenstaatlichkeit UND „in ihre Heime und Eigentum zurückzukehren“. Diese Erklärung, die im Völkerrecht beispiellos ist, gewährt den palästinensischen Arabern ein Recht, das keiner anderen ethnischen Gruppe gewährt wird – es gibt keine derartige Resolution, die ein „unveräußerliches“ Recht auf Eigenstaatlichkeit der Kurden, Tibeter, Basken oder anderen Länder bestätigt, die nach Unabhängigkeit streben und keine Flüchtlinge wo auch immer haben ein Recht auf „Rückkehr in ihre Heime“.

Diese Sonderbehandlung der palästinensischen Sache, sogar während Terrorismus eine zentrale Strategie ihrer Kampagne war, offenbart einen tiefgehenden Doppelstandard internationaler Institutionen. Gruppen wie die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), deren Akteure Flugzeuge entführten und in München bei den Olympischen Spielen israelische Athleten massakrierten, wurden in der UNO mit offenen Armen willkommen geheißen. Ihre Führer wurden als Staatsmänner statt als Terroristen behandelt. Die größte PLO-Fraktion, die von Yassir Arafat gegründete Fatah, führte nicht nur einen Krieg gegen israelische Soldaten, sondern gegen Zivilisten weltweit – von Flughafen-Terminals in Rom und Wien bis zu Schulbussen und Synagogen.

Doch die PLO und andere Palästinenser-Gruppen kleideten ihre Gewalt erfolgreich in die Sprache des Antikolonialismus. Sie schilderten den jüdischen Staat Israel – ein Land mit tiefen historischen, religiösen und rechtlichen Ansprüchen auf das Land – als europäische Siedler-Kolonie, trotz der Tatsache, dass Juden in diesem konkreten Land einheimisch sind. In der bipolaren Welt des Kalten Krieges wurde die Sache der Palästinenser vom Sowjetblock (der vorgab, er habe nie Kolonien gehabt, obwohl der gesamte Block aus Kolonien bestand) als Waffe gegen den Westen übernommen und Israel wurde zum bequemen Sündenbock für Unmut in der Dritten Welt.

Der heutige Antizionismus: vom Nationalismus zum Jihad

Die antizionistische Bewegung gibt 2025 nicht mehr vor, es ginge um säkularen Nationalismus. Die olivgrünen Uniformen und revolutionären Manifeste von Arafats PLO sind verschwunden. An ihre Stelle sind die farbenfrohen Flaggen der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Jihad getreten – Gruppen, deren Gründungsdokumente keine zwei Staaten oder Frieden erwähnen, sondern die Vernichtung des jüdischen Staates, widerliche jüdische Verschwörungen, Unterwerfung der Juden und das Durchsetzung der islamischen Herrschaft.

Palästinensische Araber schwenken nach den letzten Freitagsgebeten im Ramadan palästinensische und Flaggen islamischer Terrorgruppen vor dem Felsendom auf dem jüdischen Tempelberg in Jerusalem, 29. April 2022 (Foto: Ahmad Gharabli / AFP)

Das ist kein politischer „Widerstand“ – es ist schlicht und einfach islamischer Terrorismus. Die Hamas, die von den USA, der EU und vielen weitere in der demokratischen Welt als Terrororganisation eingestuft ist, nimmt mit Raketen, Selbstmord-Bombern und seit neuestem den Gräueltaten vom 7. Oktober 2023 vorsätzlich Zivilsten ins Visier. An diesem Tag erlebten wir die kaltblütige Ermordung von mehr als 1.200 Israelis – Männern, Frauen, Kindern und Alte – in einem koordinierten Angriff, zu dem Vergewaltigung, Folter und Geiselnahmen gehörten. Das war kein Befreiungskampf, sondern ein abscheuliches Pogrom.

Der Wechsel vom säkularen Nationalismus zum radikalen Islamismus hat tiefgehende Folgen. Heutige antizionistische Akteure appellieren nicht mehr an Menschenrechte, Selbstbestimmung oder gar Eigenstaatlichkeit. Ihr Ziel ist kein palästinensischer Staat an der Seite Israels, sondern ein Kalifat an seiner Stelle. Die Hamas-Charta lehnt ausdrücklich jede friedliche Regelung ab und definiert den Konflikt in religiösen, nicht in politischen Begriffen.

Dieser ideologische Wandel stellt den palästinensischen Terrorismus mit breiteren JIhadistenbewegungen wie der Al-Qaida, dem IS und den Taliban in eine Reihe. Ihre ideologische DNA ist auffallend ähnlich: der Einsatz von Gewalt als religiöser Pflicht, Hass auf Juden als theologischer Imperativ und Verachtung der liberalen Werte von Demokratie, Pluralismus und Gleichheit der Geschlechter.

Der umgekehrte Fluss: Vom Globalen Süden in den Globalen Norden

1975 breitete der Antizionismus sich vom Globalen Süden nach außen aus, als die neuen unabhängigen Staaten die internationale Ordnung neugestalten wollten. Israel wurde fälschlich als Stellvertreter des Kolonialismus dargestellt. Aber heute hat sich die Richtung umgekehrt. Da Antizionismus schwelt heute nicht nur in Nahost-Regimen und Terrororganisationen, sondern im  Herzen des Westens einschließlich Paris, Berlin, London und New York City.

Israelfeindliche Proteste vor der Columbia University in New York City

Diese Verschiebung ist zum Teil das Ergebnis demografischer und ideologischer Veränderungen nach dem Arabischen Frühling. Beginnend 2010 leitete die Welle der Aufstände, die einst liberale Reformen versprach, Chaos, Bürgerkrieg und Wiederaufkommen des Islamismus ein. Millionen flohen aus gescheiterten Staaten und kollabierenden Wirtschaften, viele davon kamen nach Europa und Nordamerika. Viele Migranten suchen zwar nach Frieden und Wohlstand in ihren neuen  Heimen, aber eine schrille Gruppe brachte die radikalen Ideologien ihrer Heimatländer mit – einschließlich  tief sitzenden Antisemitismus und Feindschaft gegenüber Israel.

Das Ergebnis ist, dass antizionistische Aufmärsche in westlichen Städten zunehmend importierten Hass zur Schau stellen. Proteste, in denen es vordergründig um den Gazastreifen geht, gehen in judenfeindliche Rhetorik, Gewalt und die offene Verherrlichung von Terrorismus über. In einigen Fällen skandieren Demonstranten Parolen, die direkt der Hamas-Propaganda entnommen sind. Viel zu viele politisch Linke – die einst für Säkularismus, Frauenrechte und LGBTÄQ+-Schutz standen – haben sich mit islamistischen Bewegungen in eine Reihe gestellt, die für genau das Gegenteil stehen.

Israelfeindliche Protestler vor einer Ausstellung über die beim Nova-Musikfestival in Israel am 7. Oktober 2023 Ermordeten

1975 hätten Universitäts-Marxisten die UNO-Resolution „Zionismus ist Rassismus“ als einfaches Mittel einer Gruppe verstanden, nationale Unabhängigkeit anstrebte. 2025 brüllen Demonstranten in Keffiyeh mit dem religiösen Eifer von Hamas-nahen Gruppen nach einer „Intifada-Revolution“. Sie sind vom aktuellen Konflikt getauft und in „The Winner takes it all“-Jihadisten konvertiert worden.

Im Westen nur Lautes

Palästinensische Terrororganisationen können die israelische Armee nicht selbst besiegen. Um Israel zu besiegen, verlassen lokale arabischer Führungen sich auf zwei grundsätzliche Akteure: Islamistische Länder und Gruppen an der militärischen Front und die Entziehung der Unterstützung der Verteidigung Israels durch den Westen.

Die islamistischen Länder Iran und Türkei (beide keine Araber) und die Jihadistengruppen Hisbollah und Houthis liefern Waffen, Ausbildung und Gelder für den militärischen Kampf gegen Israel. palästinensische Araber hofften auf größere Erfolge beim Töten von Juden, würdigten aber diejenigen, die Krieg gegen Israel führen.

Die Hamas setzt weiter auf Jihadisten – alte sowie neu Konvertierte – in westlichen Städten, die ihren blutigen antisemitischen Krieg führen. Mitglieder des Globalen Südens wohnen jetzt im Globalen Norden und ihre Verbündeten sind praktisch eine Front zur Beendigung der Unterstützung des jüdischen Staates. Die aktive Beseitigung von Verteidigungsmaßnahmen mag rechtliche Überprüfung durch westliche Gesetze im Vergleich zu Aufrufen nach Gewalt bestehen, aber das gewünschte antisemitische Ziel ist identisch: Der Untergang der Hälfte des weltweiten Judentums, die in ihrer angestammten Heimat lebt.

Schlussfolgerung

Der Antizionismus von 2025 fühlte sich anders an als der von 1975, wie er anders IST. Damals war er von säkularen Radikalen angetrieben, die die Sprache nationaler Befreiung sprachen – selbst während sie Terrorakte begingen. Heute wird er von islamistischen Extremisten angeführt, die offen Völkermord und globalen Jihad anstreben. Damals war er als Kampf des Globalen Südens gegen Kolonialismus dargestellt. Heute ist der Globale Süden, der seine Voreingenommenheiten ins Herz  des Globalen Nordens.

Die „radikale Linke“ hat immer die Vorstellung des Antikapitalismus und Antiimperialismus vertreten, aber im Verlauf der letzten fünfzig Jahre hat sie neue Genossen und Ansätze angenommen. Da die extreme Linke es verabscheut ihre antisemitischen, schwulenfeindlichen, antifeministischen fanatischen Verbündeten zur Rede zu stellen – damit sie nicht als unsensibel gegenüber anderen Kulturen erscheinen – haben sie neue Philosophien aufgesaugt. So den Krieg „mit allen nötigen Mitteln“, eine Judenjagd, die von der sozialistisch-jihadistischen Allianz ins Lokale gebracht wird.

Israelfeindliche Protestler marschieren auf den Straßen vor der Columbia University

Im Film „Im Westen nichts Neues“ ging es um den brutalen Grabenkrieg im Ersten Weltkrieg und die Auswirkungen auf das mentale und körperliche Wohlergehen der Soldaten. Die Menschen benutzten diese Wendung als Ausdruck für Dinge, die äußerlich normal und unveränderlich schienen, während unter der Oberfläche gewaltige, erschreckende tektonische Verschiebungen stattfinden.

Ob ein säkularer Nationalist in eine Synagoge platzt und auf Gottesdienstbesucher oder ob ein jihadistischer Fanatiker das tut, macht für die jüdischen Toten kaum eine Rolle. Dass die Progressiven allerdings ihre eigenen fundamentalen Grundsätze aufgeben, wenn es um Juden geht – und das so stolz und öffentlich tun – ist jedoch ein riesiges Alarmsignal für den Zerfall demokratischer Normen.

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