„Israel: Justizreform pausiert, Gespräche erwartet“ und andere Nachrichten aus Jerusalem

Israels Staatspräsident Isaac Herzog hat Premierminister Benjamin Netanjahu und die Oppositionspolitiker Jair Lapid und Benny Gantz zu „sofortigen Verhandlungen“ aufgefordert. Es sei „Zeit für eine offene, ernsthafte und verantwortungsvolle Diskussion, die dringend dazu führen muss, dass sich die Gemüter beruhigen“. Herzog reagierte damit auf Netanjahus Ankündigung, die Gesetzgebungsverfahren in Zusammenhang mit der umstrittenen Justizreform bis Ende April auszusetzen. Damit solle eine „echte Gelegenheit für echten Dialog“ geschaffen werden. Der Premierminister betonte jedoch, „auf die eine oder andere Weise werden wir eine Reform durchführen, die das verlorene Gleichgewicht [zwischen Legislative und Judikative] wiederherstellt“. Gantz begrüßte die Pausierung und versprach, er werde die Anliegen der Reform-Befürworter anhören. Er wolle „die Regierbarkeit und die gegenseitige Kontrolle verbessern“, zugleich aber keine Kompromisse hinsichtlich der demokratischen Grundlagen eingehen. Lapid hingegen äußerte Zweifel an der Aufrichtigkeit Netanjahus.

Generalstreik nach Entlassung Gallants
In den Stunden vor Netanjahus Rede hatte sich der öffentliche Protest gegen die Justizreform ausgeweitet. Auslöser war die Entlassung von Verteidigungsminister Joav Gallant am Sonntagabend, nachdem dieser einen vorübergehenden Stopp der Reform gefordert hatte. Noch in der Nacht gingen im ganzen Land Zehntausende auf die Straße, um gegen die Regierung und gegen die Entlassung Gallants zu protestieren. In Tel Aviv blockierten Demonstranten über mehrere Stunden die Ayalon-Autobahn, die Hauptverkehrsader der Metropole. Im Laufe des Montags folgte ein Generalstreik, der den Betrieb am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv, in den Seehäfen Aschdod und Haifa sowie in Behörden und weiten Teilen der Wirtschaft lahmlegte.

Streit in der Koalition
Die Koalitionsregierung drohte kurzzeitig auseinanderzubrechen, als der ultranationale Polizeiminister Itamar Ben-Gvir (Otzma Jehudit) ankündigte, seine Partei würde die Regierung verlassen, sollten die Reformen gestoppt werden. Dann hätte die Regierung die absolute Mehrheit in der Knesset verloren und es wäre möglicherweise zu Neuwahlen gekommen. Am Montagabend erklärte Ben-Gvir, seine Partei bleibe weiterhin Teil der Koalition, nachdem Netanjahu seiner Forderung, die Nationalgarde auszubauen, nachgegeben habe. Erste Pläne zur Bildung einer Nationalgarde, bestehend aus freiwilligen Zivilisten, waren letztes Jahr angesichts sich häufender Terroranschläge von der Vorgängerregierung auf den Weg gebracht worden.

Gebetsanliegen: Bitte beten Sie mit uns, dass Gott die anstehenden Gespräche lenkt und den Politikern Weisheit schenkt. Beten wir für einen respektvollen, konstruktiven Dialog und für die Heilung der israelischen Gesellschaft.

Regierungspolitiker fordern Wiedereinsetzung Gallants

Foto: GPO/Amos Ben Gershom, Joav Gallant, Archivbild

Israelische Regierungspolitiker, darunter der prominente Likud-Politiker Juli Edelstein und der Schas-Vorsitzende Arye Deri, haben Premierminister Benjamin Netanjahu aufgefordert, die Entlassung von Verteidigungsminister Joav Gallant (Likud) zurückzunehmen. Netanjahu hatte am Sonntagabend Gallants Entlassung bekanntgegeben, nachdem dieser öffentlich gefordert hatte, die Justizreform vorübergehend auszusetzen, um Gespräche zu ermöglichen. „Die wachsende Kluft in unserer Gesellschaft reicht bis in die Armee und die Sicherheitsbehörden hinein. Dies stellt eine klare, unmittelbare und greifbare Bedrohung für die Sicherheit des Staates dar“, warnte Gallant in seiner im Fernsehen übertragenen Ansprache am Samstag. Er bekräftigte zugleich seine Unterstützung für die Justizreform und forderte ein sofortiges Ende der Proteste. Am Montag wiederholte Gallant seine Warnung in einer Sondersitzung des Knesset-Ausschusses für Außen- und Verteidigungspolitik.

„Geheimdienstberichten zufolge ist klar erkennbar, dass die aktuelle Situation eine Gelegenheit [für unsere Feinde] darstellt, Israel anzugreifen.“ Außerdem versuche der Iran, „die Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Ländern zu untergraben“. Stunden vor Gallants Entlassung zitierten israelische Medien einen anonymen Beamten im israelischen Verteidigungsministerium, die innenpolitische Situation sowie der Rückgang internationaler Unterstützung würden von Israels Feinden als Schwäche interpretiert. „Unsere Abschreckung ist beschädigt und es werden Angriffe geplant, weil sie davon ausgehen, dass Israel gelähmt ist“, warnte der Beamte und betonte, seine Einschätzung werde von den Chefs der israelischen Armee, des Inlandsgeheimdienstes und des Auslandsgeheimdienstes geteilt.

Bennett in Abu Dhabi, Israel/VAE unterzeichnen Zollabkommen

Foto: GPO/Amos Ben Gershom, Israel und die VAE unterzeichnen ein Zollabkommen, 26.03.2023

Israels ehemaliger Premierminister Naftali Bennett ist am Montag von Mohammed bin Zayed Al Nahyan, Emir von Abu Dhabi und Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), empfangen worden. Bei dem Treffen soll es um die Stärkung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern gegangen sein. In den letzten Wochen mehrten sich Meldungen, die VAE erwägen, ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel herabzustufen. Gründe seien demnach Israels Vorgehen gegen palästinensische Terroristen im Westjordanland sowie kontroverse Äußerungen israelischer Regierungsmitglieder über Palästinenser und über die VAE. Erstes Anzeichen einer möglichen diplomatischen Verstimmung war die Absage des für Januar angesetzten Besuchs von Premierminister Benjamin Netanjahu in Abu Dhabi. Im März stoppten die VAE ihre Pläne, israelische Abwehrsysteme zu kaufen.

Das Büro Netanjahus dementierte die Meldungen, die israelisch-emiratischen Beziehungen steckten in einer Krise. Am Sonntag unterzeichneten Israel und die VAE ein Zollabkommen. Damit kann das bilaterale Freihandelsabkommen, das bereits im Mai 2022 vereinbart wurde, in Kraft treten. Künftig werden Zölle auf rund 96% der Waren, einschließlich Lebensmittel, Landwirtschaftserzeugnisse und medizinische Geräte, gesenkt oder ganz aufgehoben.

Irak: Kleriker bekräftigen Fatwa gegen Hamas

Foto: Unsplash, Gaza, Symbolbild

Der Islamische Fatwa-Rat, ein Gremium hochrangiger sunnitischer und schiitischer Geistlicher mit Sitz in Nadschaf (Irak), hat seine Mitte März gegen die islamistische Terrororganisation Hamas verhängte Fatwa bekräftigt. Diese verbietet es, „für die Hamas zu beten, sich ihr anzuschließen, sie zu unterstützen, zu finanzieren oder für sie zu kämpfen“. Am Donnerstag veröffentlichten die Kleriker 15 „Anklagen“ gegen die Hamas. Darin prangerten sie den Einsatz von „Kindersoldaten“, die von der Hamas einer „Gehirnwäsche“ unterzogen würden; die Erhebung ungerechtfertigt hoher Steuern, „unter dem Vorwand des Widerstands“; die steigende Suizidrate, insbesondere unter jungen Männern; sowie den „Diebstahl“ internationaler Hilfszahlungen an. Außerdem warf das Gremium der Hamas vor, sich während des muslimischen Fastenmonats Ramadan an verbotenen Kriegshandlungen zu beteiligen, indem sie Raketen auf Zivilisten feuere, woraufhin „die andere Seite antwortet“.

Auslöser der Fatwa war die im Januar veröffentlichte Videoserie „Whispered in Gaza“ (Deutsch: Geflüstert in Gaza), in der im Gazastreifen lebende Palästinenser von willkürlichen Verhaftungen, Erpressung und Gewalt durch die Hamas berichten. Eine Fatwa ist ein islamisches Rechtsgutachten, das nicht bindend ist. Dennoch haben Fatwa-Räte unter der muslimischen Bevölkerung ihrer jeweiligen Region großen Einfluss. Nahost-Experten gehen davon aus, dass diese Fatwa längerfristig zu einer ernsthaften Herausforderung für den Machterhalt der Hamas werden könnte.

 

(zum Beitragsbild ganz oben: GPO/Amos Ben Gershom, Benjamin Netanjahu (Ausschnitt), Archivbild 2019)

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