
Im Gedenken an den Holocaust gibt es auch einen Ort, an das Verhalten der wichtigsten westlichen Alliierten zu erinnern, die beim Schutz der Juden zu wenig unternahmen.
Feiern zum Yom HaSchoah für die ermordeten sechs Millionen konzentrieren sich zurecht auf die Verbrechen der Nazis und ihrer Kollaborateure. Aber beim Gedenken an den Holocaust gibt es auch einen Ort sich an das Verhalten der wichtigsten westlichen Alliierten zu erinnern, die, während sie einen enormen Preis in Blut und Schätzen zahlen, um die Achse zu besiegen, aber zu wenig zum Schutz der Juden unternahmen.
Im Juni 1940 stand Großbritannien allein gegen den Nazi-Ansturm: Frankreich war gefallen, die USA waren neutral und die Sowjetunion hatte einen Nichtangriffspakt mit Deutschland.
Isoliert und mit dem Rücken an der Wand drängten Appeaser Premierminister Winston Churchill sich mit dem Feind zu einigen. Aber Churchill begriff, dass jede solches Entgegenkommen eine Niederlage bedeuten würde und er rüttelte sein Volk mit den unsterblichen Worten wach: „Wir werden an den Stränden kämpfen; wir werden an den Landzonen kämpfen … wir werden niemals kapitulieren.“
Großbritannien kämpfte alleine weiter, bis sich schließlich die sowjetischen und amerikanischen Streitkräfte dem Kampf anschlossen. Der erste britische Sieg war El-Alamein in Nordafrika. Dem folgten britische und alliierte Landungen in Italien, Frankreich und der letztliche Einmarsch nach Deutschland. All das wurde erreicht, während das RAF Bomber Command und die US Army Air Force deutsche Städte in Schutt und Asche legten.
Ein solcher RAF-Angriff hatte Folgen für meine eigene Familie. Nach dem Luftangriff auf Magdeburg am 16. Januar 1945 nutzte mein Vater, der die heikle Existenz eines Juden in Nazi-Deutschland lebte, die Flammen, Zerstörung und das Chaos nach dem Bombenangriff aus, um aufs Land zu entkommen. Er sagte immer, die RAF habe sein Leben gerettet.

Der heldenhafte RAF-Pilot Halsey Roscorla (3. von rechts) steht mit seiner RAF-Besatzung vor seinem Bomber (Foto: Familie Roscorla)
Es war nicht nur mein Vater. Am Vorabend des Krieges nahm Großbritannien mit dem Kindertransport rund 10.000 jüdische Kinder aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei auf. Sie waren oft die einzigen überlebenden Mitglieder ihrer Familien.
Aber bei Millionen in Europa festsitzenden Juden war der Kindertransport ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Vereinte Königreich hatte die Macht viel mehr zu tun, lehnte es aber ab das zu tun.
Am Vorabend der Endlösung gab Großbritannien im Mai 1939 das berüchtigte Palästina-Weißbuch aus, das jüdischer Immigration die Tore ihrer Heimat verschloss.
London beschloss, dass die Juden keine Alternative hätten als im kommenden Konflikt mit Deutschland Britannien zu unterstützen, während die Araber beschwichtigt werden mussten. Um den Suezkanal zu gewährleisten und die Fluss nahöstlichen Öls sicherzustellen, beschloss Whitehall die arabische Meinung zu besänftigen – und besiegelte damit das Schicksal einer unzähligen Zahl europäischer Juden.
Später, als das Ausmaß des Völkermords in London bekannt wurde – und in Reaktion auf jüdische Appelle – wies Churchill die RAF an die Vernichtungslager zu bombardieren. Eine solche Operation wurde allerdings nie verwirklicht.
Am Ende des Krieges beharrte Britannien stur auf dem Weißbuch. Überlebenden des Infernos wurden immer noch die Immigrationsgenehmigungen ins Mandat Palästina verweigert – diejenigen, die versuchten ohne die erforderliche Erlaubnis anzukommen, wurden in Internierungslager auf Zypern und sogar zurück nach Deutschland gebracht. Darüber hinaus beharrte Großbritannien weiter auf seiner Gegnerschaft zu Unabhängigkeitsbestrebungen.
Unter diesen Umständen intensivierte der jüdische Untergrund seinen bewaffneten Aufstand gegen das Mandat. Als die britische Kolonialherrschaft im Mai 1948 schließlich endete, sagten die meisten Juden „auf Nimmerwiedersehen!“
Die USA und der Holocaust
Amerikas entscheidende Rolle am Sieg über Nazideutschland ist unbestreitbar und kann ohne weiteres aus erster Hand gewürdigt werden, indem man die Strände der Normandie vom Juni 1944 – den Landungen am D-Day – besucht, wie ich es 2019 zusammen mit meiner Tochter machte, die als Offizierin in der IDF dient.
Steven Spielbergs monumentales Der Soldat James Ryan, das wir am Abend vor der Reise von Plymouth nach Le Havre ansahen, gibt filmische dem ungeheuren Ausmaß der alliierten Anstrengungen und des gewaltigen Opfer an amerikanischem Blut Ausdruck.
Auch hier hat meiner Familie eine persönliche Verpflichtung. Bis zu seinem Tod feierte mein Vater den 13. April, den Tag im Jahr 1945, an dem die 102. Infanterie-Division der US Army Uetz betrat und ihn befreite – in seinen Worten „ein sehr glückliches Datum“.
Aber während Amerika beim Sieg über Deutschland entscheidend war, wird manchmal vergessen, dass nicht Washington den Nazis den Krieg erklärte – es war Hitler, der den USA den Krieg erklärte.
Im September 1939 marschierte Deutschland in Polen ein; im April 1940 in Dänemark und Norwegen; im Mai 1940 in Belgien, Holland, Luxemburg und Frankreich; im April 1941 in Jugoslawien und Griechenland; und im Juni 1941 in die Sowjetunion. Und die ganze Zeit über blieb Amerika neutral.
Obwohl Präsident Franklin Roosevelt die Briten bei der Luftschlacht um England 1940 unterstützte, waren die USA kein Kombattant und zu Churchills großer Enttäuschung musste London für Washingtons Lend-Lease-Unterstützung bezahlen.
Der amerikanische Isolationismus endete am 7. Dezember 1941 mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor. Hypothetisch hätte Amerika, so wie die Sowjets die deutschen bekämpften ohne gegen die Japaner zu kämpfen, die Japaner bekämpfen können ohne die Deutschen zu bekämpfen. Aber jedes strategische Dilemma, dem sich Washington gegenüber sah, wurde am 11. Dezember 1941 durch die Kriegserklärung der Nazis gelöst.
Amerika behielt strenge Beschränkungen für die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge bei – das Außenministerium lehnte es beständig ab den vor Rassen- oder religiöser Verfolgung Priorität einzuräumen.
Allein 1939 beantragten fast 300.000 deutsche Juden Visa für die USA, was einen elfjährige Warteliste schuf.
Die öffentliche Meinung stärkte die bürokratische Herzlosigkeit. Eine Meinungsumfrage von 1938 zeigte, dass 82% der Amerikaner dagegen waren größere Zahlen an jüdischen Flüchtlingen aufzunehmen.
Die Reise der St. Louis war sinnbildlich für die Situation. Mit 937 Flüchtlingen fuhr das Schiff aus Hamburg mit Ziel der westlichen Hemisphäre ab, aber ihm wurde in Kanada, Kuba und den USA die Einreise verweigert. Trotz einer Kampagne jüdischer Organisationen lehnte Washington es ab sich umstimmen zu lassen und das Schiff war gezwungen nach Europa zurückzukehren, wo viele seiner unglückseligen Passagiere in den Lagern endeten.
Am 4. April 1944 flog erstmals ein US-Aufklärer über Auschwitz. Im Verlauf der folgenden Monate führten amerikanische Bomber eine Reihe von Operationen im Umfeld des berüchtigten Lagers durch, darunter Angriffe auf nahegelegene Raffinerien und industrielle Ziele.
Parallel dazu wurden vom 15. Mai bis 9. Juli 1944 ungarischer Juden in Massen nach Auschwitz Transporter: 45 Viehwaggons pro Zug, 4 Züge am Tag, 12.000 an einem einzigen Tag – insgesamt 424.000 Vergaste.
Berichte über die Massenmorde in Auschwitz waren von der BBC (15. Juni 1944) ausgestrahlt und in der New York Times (20. Juni 1944) veröffentlicht worden. Doch trotz der Aktivitäten der amerikanischen Bomber wurde kein Versuch unternommen die Vernichtungseinrichtungen oder die dorthin führenden Eisenbahngleise zu zerstören.
Diese Geschichte verdient sicherlich einen Platz in unserer nationalen Gedenken.
(Zum Beitragsbild ganz oben: US-Präsident Joe Biden legt in der Halle der Erinnerung in Yad Vaschem im letzten Juli einen Kranz nieder. Manchmal wird vergessen, dass nicht Washington den Nazis den Krieg erklärte – es war Hitler, der den USA den Krieg erklärte. (Foto: Olivier Fitoussi/Flash90) n. Heplev)